Flüchtlingspolitik:Horst Seehofer tut - nichts

CSU-Fraktion - Herbstklausur

Müsste handeln: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Foto: dpa)

In München müssen Flüchtlinge in überfüllten Lagern auf dem Boden schlafen. Es wäre die Aufgabe der bayerischen Regierung, diesen Menschen schnell zu helfen. Ministerpräsident Seehofer hat das wohl vor lauter politischer Taktiererei vergessen.

Kommentar von Kurt Kister

Horst Seehofer ist kein Politiker, auf den man sich verlassen kann. Das haben nicht nur die Zeugen und Betroffenen seiner politischen Wetterwendigkeit immer wieder erlebt, sondern auch all jene, gerade aus seiner eigenen Partei, die er aus einer Laune heraus öffentlich abgekanzelt hat. Er spielt gerne den Bürgerkönig, der seine eigene Wahrnehmung für die der Mehrheit der Bayern hält. Und er tut so, als sei er entschlussfreudig.

In Wirklichkeit ist Bayerns Ministerpräsident ein nachlässiger Zauderer, ein Phrasenakrobat, der, wenn es wirklich drauf ankommt, im Nirgendwo Modelleisenbahnen fahren lässt.

In den Bezirken Oberbayern und Mittelfranken kommt es in diesen Tagen sehr darauf an. Hier nämlich liegen die beiden sogenannten Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen neu eintreffende Flüchtlinge im mehrfachen Wortsinne abgefertigt werden. Es gibt gerade sehr viele Flüchtlinge, zumeist aus dem kriegszerrissenen Mittleren Osten und aus Afrika - übrigens kein "Strom" und auch keine "Überschwemmung" - , die oft aus Italien über die bayerische Südgrenze nach Deutschland kommen.

Ein paar Tausend halten sich gegenwärtig in München auf, was angesichts bereits überfüllter Massenquartiere zu unmöglichen Zuständen führt: Manche schlafen unter freiem Himmel, es gibt zu wenig Toiletten und Duschen, das Gedränge verängstigt die ohnehin Verängstigten. Im Moment ist es schlimm, aber es wird auch wieder besser werden. Jetzt allerdings müsste es eine gemeinsame, außerordentliche Anstrengung geben.

Seehofer müsste sich an die Spitze der Anstrengung stellen

Bayerns Ministerpräsident aber fällt dadurch auf, dass er nichts tut. Andere - Münchens Oberbürgermeister, die Verantwortlichen in den Landkreisen, Privatleute - reagieren. Dabei ist eine solche Lage, in der es darum geht, dass der Staat, der Bezirk, die Stadt Menschen in Not helfen, genau die Situation, in der sich ein Ministerpräsident an die Spitze der Anstrengung stellen muss. Er muss antreiben, ermutigen, begründen, mit Leuten reden und er muss Beispiele dafür geben, dass es auch ungewöhnliche Lösungen geben kann - eine wirksame Dezentralisierung der Erstaufnahmeprozedur zum Beispiel oder eine wenigstens vorübergehende Aufhebung des Lagerzwangs. Seehofer tut all dies nicht.

Gewiss, seine Sozialministerin hat einen Krisenstab eingerichtet. Toll. Wesentlich stärker will sich diese Staatsregierung offenbar nicht engagieren. Vielleicht fürchtet sie, dass der Einsatz für Flüchtlinge weniger populär ist als das Nörgeln gegen Stromtrassen oder die Konstruktion einer Straßenmaut für Nichtdeutsche.

Ein vernünftiger, mitfühlender Umgang mit Flüchtlingen ist nicht einmal ein Votum dafür, dass man in Zukunft Zehntausende mehr in Deutschland oder Bayern aufnehmen muss. Wer aber dafür sorgt, dass junge Iraker oder Syrer in München nicht auf dem Boden schlafen müssen, der handelt als Mensch, nicht als Politiker. Möglicherweise hat Horst Seehofer diese Gabe vor lauter politischer Taktiererei verloren.

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