Flüchtlinge und Wiesn:Warum #Oktoberfestung Blödsinn ist

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Auf Twitter werden die Bayern gerade recht primitiv verhöhnt: als Volksstamm, der ungestört auf die Wiesn gehen will. Für Münchner ist der Vorwurf besonders ärgerlich.

Kommentar von Frank Müller

Die Wortschöpfung "Oktoberfestung" ist viel älter als das sogenannte soziale Netzwerk Twitter: Als im Jahr 2001 die Wiesn elf Tage nach den Anschlägen vom 11. September eröffnet wurde, stand das Wortspiel auch in einer SZ-Überschrift. Aus Angst vor Terroranschlägen war die Festwiese damals in der Tat eine Art Festung. Im Jahr 2001 war auch der Gedanke an eine Absage der Wiesn durchaus rational.

In diesen Tagen, 14 Jahre später, ist das Wort sehr viel öfter zu lesen bei sehr viel weniger Sinngehalt. Auf Twitter, wo man viel Kluges und noch mehr Blödes in Sekundenschnelle um die Welt jagen kann, werden die Bayern gerade recht primitiv verhöhnt: als ein Volksstamm der Oktoberfestung, der Flüchtlinge an der Grenze stoppt, damit er ungestört auf die Wiesn gehen kann.

"Wenn der Bayer bei seinem traditionellen saufgelage gestört wird wird er ungemütlich", heißt es in einem dieser unangenehmen Tweets, in dem die Zeit für Sprachregeln mal wieder zu knapp war. Es genügt, dazu noch schnell den Hashtag #Oktoberfestung dazuzutippen, damit man Teil der weltumspannenden Hybris-Maschine wird.

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Nun ist das beileibe nicht der einzige Stumpfsinn, der über Twitter läuft. Im Fall München ist die Welle ziemlich ärgerlich, weil sich die Stadt nun wirklich nicht nachsagen lassen muss, in den vergangenen Wochen beim Umgang mit Flüchtlingen besonders grobschlächtig agiert zu haben. Und selbst wenn man über manch tapsige Äußerung von Innenminister Joachim Herrmann den Kopf schüttelt oder die CSU-Asylpolitik insgesamt nicht mag - noch einmal kurz nachdenken, bevor man den größten Blödsinn in 140 Zeichen gießt, könnte nicht schaden.

Nimmt man das alles zu wichtig, wenn man sich darüber aufregt? Vielleicht. Die Münchner jedenfalls, die der Welt ein gutes Bild bei der Begrüßung von Flüchtlingen präsentierten, werden einfach ihre eigene Antwort geben. Die sieht so aus, dass man sich selbstverständlich gleichzeitig um Asylbewerber sorgen kann und dennoch bei einer Mass auf der Theresienwiese den Spaß am Leben nicht verlieren muss. Und so gilt auf gut altmünchnerisch: Schwoam mas obe.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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