Fahndung nach Schleuserbanden:Bayern verstärkt Kontrollen im Grenzgebiet

Bayern verstärkt die Fahndung nach Schleuserbanden

Ein Polizist kontrolliert während einer Schwerpunktkontrolle an der Autobahn 3 in Pocking bei Passau einen Kleintransporter. Nach dem Flüchtlingsdrama in Österreich verstärkt Bayern die Fahndung nach Schleuserbanden.

(Foto: dpa)
  • Die Polizei hat begonnen, in Pocking an der A 3 bei Passau Schwerpunktkontrollen durchzuführen.
  • Es gehe darum, mehr Sicherheit für Flüchtlinge zu schaffen und ihren Schleusern das Handwerk zu legen, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
  • Die Kontrollen im Grenzgebiet sind eine Reaktion auf die Tragödie in Österreich, wo am vergangenen Donnerstag 71 Flüchtlinge tot im Frachtraum eines Lkw gefunden wurden.

Zwei Dutzend Polizisten in Leuchtwesten stehen im Spalier, winken im Minutentakt Lkw, Kleintransporter und Pkw auf den Rastplatz. Auf der A3 staut sich derweil der Verkehr auf 30 Kilometern. Ein Riesenstau, der nun Routine werden soll. So will es Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der auf dem Rastplatz unter einem Pavillon steht, vor ihm die Fernsehkameras und ein Pulk an Journalisten. Am frühen Montagmorgen, um 5 Uhr, hat die Polizei begonnen, in Pocking bei Passau Schwerpunktkontrollen durchzuführen. Es gehe darum, mehr Sicherheit für Flüchtlinge zu schaffen und ihren Schleusern das Handwerk zu legen, sagt Herrmann.

Die Kontrollen im Grenzgebiet sind eine Reaktion auf die Tragödie in Österreich, wo am vergangenen Donnerstag 71 Flüchtlinge tot im Frachtraum eines Lkw gefunden wurden. Dieser Vorfall, sagt Herrmann, habe gezeigt, wie "menschenverachtend, skrupellos und brutal", die Schleuser zu Werke gehen. Ihm sei bewusst, "dass wir in Brüssel jetzt Fragen gestellt bekommen", weil die Kontrollen gegen das Schengen-Abkommen verstoßen. Doch halte er die Fahndungsoffensive "im Interesse der Sicherheit" für geboten.

"Für alle Flüchtlinge gilt: Wir sorgen für deren Sicherheit, solange sie bei uns sind", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Pressekonferenz. Hunderte Flüchtlinge wurden bisher bereits auf dem Standstreifen der A3 ausgesetzt. "Das ist eine höchstgefährliche Situation", betonte Herrmann. Nur durch Glück sei noch niemand überfahren worden. "Die Schleuser wollen nur Gewinn machen und nehmen keine Rücksicht auf das Schicksal der Menschen."

Was konkret bisher getan wurde

Am Montagmorgen hatte die Polizei an der A3 bei Passau eine umfangreiche Kontrolle durchgeführt. 45 Beamte der Landes- und Bereitschaftspolizei hatten bis zum Mittag 722 Autos, 380 Kleintransporter und 91 Lastwagen kontrolliert. Dabei wurden zwei Schleuser festgenommen und 17 Flüchtlinge aufgegriffen. "Nur eine Person wurde auf der Fahrbahn aufgegriffen. Damit hat die Kontrolle ihren Sinn schon erfüllt", betonte der niederbayerische Polizeipräsident Josef Rückl.

Zudem wird an diesem Dienstag in Passau eine länderübergreifende Polizeistelle ihren Dienst aufnehmen. Dort sollen Informationen zur Schleusungskriminalität gesammelt und ausgewertet werden, betonte Herrmann. Die Stelle ist mit einem Experten vom Bundeskriminalamt in Wien, vom bayerischen Landeskriminalamt, von der Bundespolizei und vom Polizeipräsidium Niederbayern besetzt.

Um all das bewältigen zu können, habe er Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) um 1000 zusätzliche Bundespolizisten gebeten, sagt Herrmann. Er sei zuversichtlich, dieses Personal auch genehmigt zu bekommen, schließlich sei der Freistaat im Vergleich zu den anderen Bundesländern "weit überdurchschnittlich belastet" und die bayerischen Polizisten arbeiteten seit geraumer Zeit "am Anschlag".

Wie die Opposition reagiert

Für die Landtags-Grünen sind Herrmanns Maßnahmen nichts weiter als eine "Symptombekämpfung". Um Schleuserbanden das Handwerk zu legen, bedürfe es einer anderen Asylpolitik, sagt die asylpolitische Sprecherin Christine Kamm. Eine Abschaffung des Dublin-Verfahrens etwa hätte zur Folge, dass der Markt für unwürdige Menschentransporte teilweise zusammenbreche. "Schleuser-Kriminalität lebt auch von hohen Zäunen", sagt Kamm. Margarete Bause, die Fraktionssprecherin der Grünen, übt an Herrmann persönlich Kritik. Bayern müsse sich darum kümmern, "ein sicherer Ankunftsstaat" zu sein. Der Innenminister falle zwar durch markige Sprüche auf, doch Fahndungserfolge nach den jüngsten Anschlägen auf bayerische Asylbewerberunterkünfte habe er bislang nicht vorzuweisen."Ich nenne das rechten Terror", sagt Bause. Sie gehe davon aus, dass die Polizei ihr Möglichstes unternehme. Doch auf politischer Ebene werde die Gefährlichkeit der rechten Szene in Bayern "seit Jahren bagatellisiert".

Während seiner Rastplatz-Pressekonferenz erneuert der Innenminister auch eine Aussage, die er vor Kurzem in einer Talkshow im Fernsehen gemacht hat. "Ich bleibe dabei, es ist eine Beleidigung", sagt Herrmann auf Nachfrage der SZ. In einer Fernsehsendung hatte er gesagt, es sei eine "Beleidigung der Vertriebenen" nach dem Zweiten Weltkrieg, wenn deren Schicksal mit dem Schicksal der heutigen Flüchtlinge verglichen werde. Allerdings habe er damit nur jene Flüchtlinge gemeint, "die sich aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen", nicht die Kriegsflüchtlinge.

Während in Passau immer stärker kontrolliert wird, überprüft die Bundespolizei in Rosenheim vorerst keine ankommenden Züge mehr. "Wir haben 350 Flüchtlinge auf unserer Dienststelle", so Polizeisprecher Rainer Scharf am Montag. Die Beamten seien mit der Versorgung und Registrierung der Asylbewerber vor deren Weiterreise in die Münchner Erstaufnahmestelle vollständig ausgelastet. "Wir können die Menschen nicht übereinanderlegen." Die Turnhalle der Inspektion sei voll belegt. Scharf will aber nicht ausschließen, dass zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder Züge kontrolliert werden.

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