Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in Bayern:Eingeengt im Wirtshaus

Flüchtlinge beklagen sich über die Unterbringung in bayerischen Wirtshäusern: Sie würden unter strengen Regeln und starren Essenszeiten leiden, die Speisen entsprächen nicht den religiösen Geboten. Zudem wird den Asylbewerbern wegen der ungeliebten Versorgung auch noch das Taschengeld gekürzt.

Von Katja Auer

Es klang nach einer richtig schönen Geschichte: Afrikanische Flüchtlinge finden neue Heimat in mittelfränkischem Weiler. Fürsorgliche Herbergsmutter kümmert sich liebevoll um "ihre Jungs". So ist es im vergangenen Sommer aus Haundorf erzählt worden und das war erfreulich bei all dem, was es sonst so über die Asylpolitik in Bayern zu berichten gibt. In Würzburg protestierten im vergangenen Jahr Flüchtlinge nach dem Selbstmord eines Iraners gegen die Lebensbedingungen in der Gemeinschaftsunterkunft mit einem Hungerstreik, aus dem schließlich ein Marsch durch ganz Deutschland wurde.

In Zirndorf mussten Garagen und Gebetsräume zu Schlafsälen umfunktioniert werden, weil das Erstaufnahmelager völlig überfüllt war. Mit Wohncontainern wurde angebaut, aber schon wieder ist die Einrichtung voll. "Wir sind auf die schnelle Weiterleitung angewiesen", sagt Leiter Werner Staritz. Aber die 142 staatlichen Gemeinschaftsunterkünfte sind belegt und die Bezirksregierungen verteilen die Asylbewerber notfalls zwangsweise auf Landkreise und Städte.

Und so begann auch jene Geschichte in Haundorf: Weil die Kommunen ihre Quoten erfüllen müssen, suchen die Verantwortlichen in Landratsämtern und Rathäusern mühsam nach passenden Gebäuden. Geschäftemacher haben das längst erkannt und bieten Kommunen Unterkünfte zu überteuerten Preisen an. Da schien ein solcher Landgasthof ein Glücksgriff zu sein. Mehr als die Hälfte der zurzeit fast 29.000 Asylbewerber in Bayern ist dezentral untergebracht.

Strenge Herbergsmutter

Aber nun beklagen Asylbewerber aus Mittelfranken die Zustände. Auch in Haundorf, wo sich die Männer aus Äthiopien und Somalia von ihrer Wirtin sogar diskriminiert fühlen. Das haben sie auch in einem Brief an das Landratsamt zusammengefasst. "Sie versucht uns zu isolieren", sagt Ankisawi Misganu.

Wer die Essenzeiten nicht einhalte, bekomme nichts, und wenn die Herbergsmutter schlechte Laune habe, gebe es zum Frühstück nur Kaffee und eine Scheibe Brot. Und bei jedem Missverständnis schimpfe sie, dass hier schließlich nicht Afrika sei. "Wir sind Opfer von Rassismus", sagt Ankisawi Misganu. Sie selbst ist momentan nicht erreichbar, dem Evangelischen Pressedienst sagte sie im vergangenen Jahr, die Asylbewerber "sind wie Pflegekinder für mich".

Es gehe nicht darum, einzelne Wirtsleute zu diffamieren, betont Elisabeth Schwemmer vom Internationalen Frauencafé Nürnberg, das den Protest zusammen mit der Flüchtlingsorganisation "Karawane" organisierte. "Private Betreiber sind einfach überfordert mit strukturellen Problemen." Wie die Vertreter anderer Flüchtlingsorganisationen fordert sie eine Lockerung der bayerischen Regelungen: Asylbewerber sollen in private Wohnungen ziehen und sich selbst verpflegen dürfen.

Essen, Kleidung, Hygieneartikel - und keine Selbstbestimmung

Bisher gilt im Freistaat in den meisten Fällen das Sachleistungsprinzip, danach bekommen die Asylbewerber kein Geld, sondern Essen, Kleidung und Hygieneartikel werden gestellt. In Möhrendorf im Landkreis Erlangen-Höchstadt, wo etwa 25 Asylbewerber aus Iran und Pakistan im Landhotel Schützenhof untergebracht sind, liefert ein Metzger das Mittagessen an. Ein mehrfach prämierter zwar, aber die Schützenhof-Bewohner können sich mit seinem Angebot nicht recht anfreunden.

Viel zu wenig sei es, klagen sie, nicht genug für alle. Und die Auswahl - Fleischküchle mit Kartoffelsalat zum Beispiel - sei den Essensgewohnheiten der Asylbewerber nicht angepasst. Auch bekämen sie Schweinefleisch vorgesetzt, erzählt die Iranerin Faterneh Aghighi Vahed, obwohl viele das aus religiösen Gründen nicht essen könnten. "Das ist unerträglich für uns", sagt sie. Das bestreitet eine Sprecherin des Landkreises. Der Metzger nehme sehr wohl Rücksicht auf religiöse Vorschriften. Überhaupt sei man sehr um Kompromisse bemüht und jeden Freitag sei eine Ansprechpartnerin am Ort.

Wenn Erwachsenen das Taschengeld gekürzt wird

Elisabeth Schwemmer, die das Sachleistungsprinzip abschaffen will, sieht sich in diesem Fall dennoch zu einer beinahe fatalistischen Äußerung gezwungen. "Wir wären froh, wenn sie da wenigstens Essenspakete hätten", sagt sie über Möhrendorf.

Rechtsanwalt Rainer Fritsch kritisiert zudem, dass die Leute wegen der Rundum-Versorgung weniger Taschengeld bekommen. 110 Euro erhält ein Erwachsener nach der sogenannten Regelbedarfsstufe 3, wenn er keinen eigenen Haushalt führt. Das trifft beispielsweise für erwachsene Kinder zu, die noch bei den Eltern leben, oder für Großeltern im Haushalt. Und, nach der bayerischen Auslegung der nicht ganz eindeutigen Regelung, eben auch für derart dezentral untergebrachte Asylbewerber. Das sei aber rechtswidrig, sagt Fritsch. Stattdessen müssten sie wie andere Erwachsene 137 Euro bekommen.

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Quelle:
SZ vom 24.05.2013
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