Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in Bayern:"Ich weiß, dass auf mich nichts Gutes wartet"

Weil sie in Teheran auf einer Protestaktion CDs verteilte, kam sie ins Gefängnis. Dort wurde die 29-jährige Iranerin vergewaltigt. Trotzdem ist ihr Asylantrag abgelehnt worden - weil ihre Schilderungen den Behörden nicht genau genug waren.

Von Katja Auer

Das Erzählen fällt Samaneh Yazdani Majid, 29, schwer. Schon bei der Frage, wie es ihr geht, schluckt sie schwer und beginnt zu weinen. Ihr Ehemann hat längst das Zimmer verlassen, er erträgt es nicht, wenn sie ihren Leidensweg schildert. Der beginnt mit einer Vergewaltigung in einem iranischen Gefängnis vor viereinhalb Jahren und ist in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Nürnberg immer noch nicht zu Ende.

Dabei hatten die beiden bis vor ein paar Jahren ein gutes Leben. Samaneh Yazdani Majid hatte Stadtplanung studiert und arbeitete im Rathaus von Teheran. "Gute Wohnung, guter Job", erzählt sie heute im Internationalen Frauencafé in Nürnberg, nur mit der politischen Situation habe sie sich nicht abfinden wollen. "Es gibt keine Freiheit im Iran", sagt sie.

Sie verteilte CDs auf denen Protestaktionen der Opposition gespeichert waren und ging im Dezember 2011 zu einer Demonstration. Dort wurde sie verhaftet und fünf Tage lang eingesperrt. Die junge Frau mit den langen Haaren und den großen dunklen Augen kann kaum mehr weitersprechen. Ihre Hände seien gefesselt und die Augen verbunden gewesen, bringt sie noch heraus, bevor sie wieder weinen muss.

"Wer traumatisiert ist, kann oft nicht über seine Erlebnisse sprechen"

Über die Vergewaltigung hat sie auch bei der Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nur schwer sprechen können. Die Folge: Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. "Ihr Vorbringen zur angeblichen Festnahme und Vergewaltigung ist ebenfalls oberflächlich und detailarm, sodass ein persönliches Erleben nicht glaubhaft gemacht werden konnte", heißt es im Bescheid.

Eine Begründung, die Anne Maya, die im Internationalen Frauencafé viele traumatisierte asylsuchende Frauen berät, nicht nachvollziehen kann. "Wer traumatisiert ist, kann oft nicht über seine Erlebnisse sprechen", sagt sie und kritisiert, dass beim BAMF traumatisierte Asylbewerber genauso befragt würden wie gesunde Menschen und so als glaubwürdig oder eben nicht eingestuft würden.

Psychologen müssten bei den Befragungen dabei sein, sagt sie, die Interviewer beim BAMF seien nur oberflächlich psychologisch geschult. Außerdem gehe es ihnen vor allem darum, Widersprüche in den Geschichten der Asylbewerber aufzudecken.

Dass Samaneh Yazdani Majid krank ist, wird ihr gleich in mehreren Attesten bescheinigt. Eine "schwere komplexe psychische Störung mit Chronifizierungsgefahr" attestiert eine Nervenärztin. Und die Psychotherapeutin, bei der die junge Frau in Behandlung ist, schreibt von Albträumen, Weinkrämpfen, Angstattacken - und hält ein Bleiberecht in Deutschland samt Traumabehandlung für unabdingbar.

Das Ehepaar ist in Deutschland zum Christentum konvertiert

"Eine Rückkehr in die Heimat würde für die Patientin eine dramatische Bedrohung und Retraumatisierung bedeuten, der sie nicht gewachsen ist. " Ihr Anwalt hat nun einen Folgeantrag gestellt, da "eine ungefährdete Rückkehr in ihre Heimatland Iran" nicht möglich sei.

Es ist nicht nur das politische Engagement. Das Ehepaar ist in Deutschland zum Christentum konvertiert. Zuerst seien sie nur wegen der Isolation im Asylbewerberheim zur christlichen Gemeinde gegangen, erzählt Samaneh Yazdani Majid. Aber dann habe sie gemerkt, wie viel ihr das Christentum bedeutet, "weil es um Menschlichkeit geht".

Den Islam habe sie wegen ihrer Erlebnisse im Iran inzwischen gehasst. Die Beamten im BAMF glaubten ihr nicht. Sie urteilten, das Ehepaar sei aus "asyltaktischen Gründen" konvertiert. Stimmt nicht, argumentiert der Anwalt im Folgeantrag. Die beiden seien aktive Mitglieder der Freien Evangelischen Gemeinde in Nürnberg.

Es ist nicht so, dass Samaneh Yazdani Majid immer davon träumte, in Deutschland zu leben. Eigentlich wollte sie nie weg aus ihrer Heimat und von ihrer Familie. "Ich habe keine Wahl", sagt sie und wieder fällt ihr das Sprechen schwer. Sie habe noch nicht viel Gutes erlebt in Deutschland. Die meisten Zeit verbringt sie in ihrem Zimmer im Asylbewerberheim, sie hat stark abgenommen und ist antriebslos.

Sie habe nicht einmal mehr Lust, Deutsch zu lernen, sagt sie. Weil ihr die Perspektive fehle. Dennoch, zurück in den Iran könne sie nicht. Sie habe große Angst, dass ihr Folgeantrag auf Asyl in Deutschland wieder abgelehnt wird. In den Iran könne sie nicht zurück, sagt sie. "Ich weiß, dass auf mich nichts Gutes wartet. Es kann sein, dass ich hingerichtet werde."

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SZ vom 06.03.2014/amm
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