Bayern verschärft erneut seinen Ton in der Flüchtlingsdebatte: Angesichts der konstant hohen Flüchtlingszahlen denkt der Freistaat über eigene Gegenmaßnahmen nach, etwa eine Abweisung von Flüchtlingen, die aus anderen EU-Staaten einreisen wollen.
Zudem wird im Kabinett in Erwägung gezogen, Flüchtlinge in andere Bundesländer weiterzuschicken. Diese möglichen Schritte seien in der Ministerratssitzung am Dienstag diskutiert worden, heißt es aus Teilnehmerkreisen.
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wollte sich zu konkreten Überlegungen zwar noch nicht äußern. Er sprach aber von "Notmaßnahmen", die Bayern aus eigener Kraft ergreifen könne. Was genau möglich sei, werde noch geprüft. Weitere Schritte will der Ministerrat in einer Sondersitzung am 9. Oktober beschließen.
Bayern spricht von "dramatischen Zuständen"
Seit Anfang September sind 169 400 Flüchtlinge in Bayern angekommen, sagte Seehofer. "Das sind Größenordnungen, die wir früher in einem ganzen Jahr nicht hatten - und ein klarer Beleg dafür, dass die Angelegenheit aus den Fugen geraten ist", so der CSU-Chef.
Nach Angaben aus Sicherheitskreisen werden für den heutigen Dienstag allein im Raum Passau mehr als 10 000 Asylbewerber erwartet. An den Übergangsstellen Passau und Rosenheim meldete die Bundespolizei den Angaben zufolge einen "Rückstau" von 4500 Menschen.
Bayern sprach in einer Telefonkonferenz der Länder mit dem Bund von "dramatischen Zuständen". Auf der Balkan-Route herrsche ungebrochener Zustrom.
Zur Verteilung der Menschen auf die Bundesländer sollen verstärkt Sonderzüge statt Busse eingesetzt werden. Die Zahl der Züge soll von bisher täglich acht bis zum Wochenende auf 20 erhöht werden, hieß es. Dies könnte dazu führen, dass reguläre Zugverbindungen gestrichen werden müssten, um das Schienennetz nicht zu überlasten.
Was Seehofer von der Kanzlerin fordert
Seehofer forderte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen. "Es ist die drängende Pflicht eines Politikers, auf die begrenzten Aufnahmemöglichkeiten hinzuweisen", so Seehofer nach der Kabinettssitzung. "Bei aller Hilfspolitik sind wir Politiker nicht befreit von der Frage, auch über die Folgen unseres Tuns nachzudenken."
Der CSU-Chef dankte Bundespräsident Joachim Gauck, der auf die begrenzten Möglichkeiten Deutschlands zur Aufnahme von Flüchtlingen hingewiesen habe. Ein "vergleichbares Signal" wünsche er sich auch von der Bundesregierung.
Allerdings macht Merkel bislang keine Anstalten, die Hauptforderung der CSU zu erfüllen: Eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen wurde bei dem Berliner Flüchtlingsgipfel vergangene Woche nicht vereinbart. Ministerpräsident Seehofer will aber in diesem Punkt nicht nachgeben.
Transitzonen wie am Flughafen
Ein weiterer Vorschlag zur Flüchtlingspolitik kommt von Gerda Hasselfeldt. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe will eine illegale Einreise von Flüchtlingen künftig direkt an den Grenzen verhindern. Dazu müsse das bestehende Flughafenverfahren auf Landgrenzen ausgeweitet werden, forderte sie in der Passauer Neuen Presse. Flüchtlinge ohne Asylperspektive könnten dann schon an der Grenze zurückgewiesen werden. "Das würde eine dringend nötige Entlastung schaffen."
Praktisch bedeute dies, dass an Grenzen eine Art "Transitzone" eingerichtet werde. Dort könne die erste Prüfung vorgenommen werden. Die Möglichkeit zur Einrichtung solcher Zonen an den Grenzen sei in der EU-Asylverfahrensrichtlinie vorgesehen. Berlin habe diese Richtlinie bisher aber noch nicht umgesetzt.
Deutschland hatte vor zwei Wochen wieder Grenzkontrollen eingeführt, um zu einem "geordneten Verfahren" zurückzukommen, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte. Die Zahl der Neuankömmlinge sank dadurch offenbar aber nicht. Mehr als 150 000 Flüchtlinge seien in den vergangenen zwei Wochen nach Deutschland gekommen, berichtet die Bild-Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise, also gut 10 000 Flüchtlinge pro Tag.
Entlastung für Erstaufnahmeunterkunft in Zirndorf
Neue Nachrichten gibt es indes für Mittelfranken. In Zirndorf ist eine der drei Erstaufnahmeunterkünfte für Flüchtlinge - diese ist jedoch derzeit überfüllt. Jetzt werden neue Außenstellen in Dinkelsbühl und Wilburgstetten (beide Landkreis Ansbach) geplant. Möglichst kurzfristig sollen dort jeweils bis zu 250 Unterbringungsplätze geschaffen werden, teilte die Regierung von Mittelfranken mit.
In Wilburgstetten sollen in den kommenden Wochen in einem Gewerbegebiet winterfeste und beheizbare Hallen errichtet werden. Für Dinkelsbühl würden die Planungen erst in den nächsten Tagen konkretisiert.
Derzeit sind in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf samt ihren bislang 27 Außenstellen rund 7000 Flüchtlinge untergebracht. Nach der Erstaufnahme werden die Asylbewerber nach einem festgelegten Schlüssel auf die Regierungsbezirke verteilt.