Wo vor Kurzem noch gefroren wurde, wird jetzt wieder getankt. Die Autos stehen Schlange, die Tanktouristen haben ihr Revier zurück. Eine Woche lang war der Grenzübergang Passau-Achleiten ein frostiges Nachtlager für Tausende Flüchtlinge - und das Tankstellendach ihr einziger Unterschlupf. Daran erinnert nur noch ein Kastenwagen der deutschen Bundespolizei, der Wagen parkt gleich hinter der Grenzlinie, zwei Männer sitzen drin. Sie wachen darüber, dass Österreich auch wirklich keinen Bus mit Flüchtlingen mehr hierher schickt.
Glaubt man dem Bundesinnenministerium, hat der Nachbar das ja fest versprochen. Doch fragt man in Österreich nach, klingt das ein bisschen anders. Man spreche in Wien nicht von einer Einigung mit Deutschland, sondern von einem Angebot der Deutschen, sagt Karl-Heinz Grundböck, der Sprecher des österreichischen Innenministeriums.
Mit anderen Worten: Statt sich auf die fünf Grenzübergänge in Wegscheid, Neuhaus, Simbach, Freilassing und Laufen beschränken zu lassen, will sich Österreich alle Türen nach Deutschland offenhalten, auch Hintertüren wie den kleinen Grenzübergang Passau-Achleiten. Man habe das Angebot der Deutschen zwar angenommen, sagt Grundböck, er sagt aber auch, dass ihm mehr als fünf Grenzübergänge lieber wären. Gut möglich also, dass Österreich zur alten Praxis zurückkehrt, falls die Zahl der dort ankommenden Flüchtlinge wieder stärker ansteigt.

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Warum Österreich mehr Grenzübergänge will
"Es kommen Tausende Menschen, die als Ziel Deutschland vor Augen haben. Wenn sie in Österreich festsitzen, weil es zu Verzögerungen an der Grenze kommt, erhöht das die Gefahr, dass sie versuchen, sich auf eigene Faust nach Deutschland durchzuschlagen", sagte Grundböck einer oberösterreichischen Zeitung. Nur fünf Grenzübergänge seien daher "eine unnötige Beschränkung".
Wie unnötig Österreich diese Beschränkung findet, zeigt sich in Kufstein bereits. Dort kommen zur Zeit so viele Flüchtlinge an, dass zwischenzeitlich der Zugverkehr nach Rosenheim gestoppt werden musste. Mittlerweile hat die deutsche Bundespolizei ihr Einverständnis gegeben, dass 50 Menschen pro Stunde mit dem Zug aus Kufstein nach Rosenheim einreisen dürfen.
Faktisch gibt es also bereits einen sechsten Grenzübergang - und bei der Bundespolizei geht die Sorge um, dass Österreich schon bald versuchen wird, einen siebten oder achten Übergang zu erzwingen. Es gebe eben zu viele "widersprüchliche Interessen" zwischen den Ländern, heißt es aus Bundespolizeikreisen, die Abstimmung mit Österreich sei noch immer "relativ schwierig".

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"Wir können oft nur reagieren"
Verbessert hat sich die Lage für die Flüchtlinge am Grenzübergang in Neuhaus am Inn. Weil am Wochenende wieder Hunderte über Stunden auf der Grenzbrücke frieren mussten, fahren die Busse aus Österreich nun direkt in die Notunterkunft auf deutscher Seite. Ein Modell, das sich die Bundespolizei auch für die anderen Grenzübergänge vorstellen könnte. "Möglich wäre es", sagt Bundespolizeisprecher Rainer Kerstiens, "aber es muss auch politisch gewollt sein."
Entscheiden könne dies am Ende nur die Bundesregierung, sagt Kerstiens. Die Bundespolizisten an den Grenzen fühlen sich derweil immer machtloser. "Wir können oft nur reagieren, nicht agieren", sagt Sprecher Kerstiens.
Mehr Hilfe der Bundesregierung haben auch die kommunalen Spitzenverbände am Dienstag bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gefordert. "Wir haben nochmals deutlich gemacht, was sich die Menschen vor Ort wünschen: handeln statt parteipolitischer Streitereien", sagte Christian Bernreiter (CSU), der als Präsident des bayerischen Landkreistags am Gespräch in Berlin teilnahm. Er fordert vom Bund winterfeste Unterkünfte an den Grenzen und die rasche Verteilung der Flüchtlinge auf alle Bundesländer. Künftig wird sich die Kanzlerin einmal im Monat mit den Kommunalpolitikern treffen, um die Lage an den Grenzen zu besprechen.