Einer von vier flüchtigen Straftätern aus einer geschlossenen Einrichtung in Niederbayern wurde gefasst. Österreichische Einsatzkräfte nahmen den Mann am Donnerstagabend in der Steiermark fest, wie die Polizei mitteilte. Der 28-Jährige war zusammen mit drei weiteren Straftätern am 17. August aus dem Bezirkskrankenhaus Straubing geflohen.
Wie das Polizeipräsidium Niederbayern am Freitag auf SZ-Anfrage erklärt, wurde der Mann kurz nach 19 Uhr in der Nähe von Graz festgenommen, ohne Widerstand zu leisten. Details zur Festnahme wollte ein Sprecher zunächst nicht nennen. Der 28-Jährige wurde in einer österreichischen Justizvollzugsanstalt untergebracht, soll aber nach dem Willen der Regensburger Staatsanwaltschaft nach Deutschland überstellt werden. Wann das der Fall sein wird, konnte der Polizeisprecher nicht sagen.
Die drei anderen Ausbrecher befinden sich derzeit noch auf der Flucht. Sie sind laut den Behörden „als gefährlich einzuschätzen“. Die Suche laufe „weiter auf Hochtouren“, so die Polizei. Mit der Festnahme eines Flüchtigen sei ein erster wichtiger Schritt getan, sagt ein Polizeisprecher zur SZ. Eher unwahrscheinlich sei, dass man die verbliebenen drei Männer auf einen Schlag fassen werde. Sie könnten in unterschiedliche Richtungen geflohen sein.
Es würden täglich Hinweise aus der Bevölkerung überprüft. Die Ermittlungen umfassen darüber hinaus Beweise vom Tatort, Vernehmungen, Videomaterial sowie Recherchen im privaten Umfeld der Männer. Sie waren wegen Diebstahlsdelikten, Körperverletzung und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden und sollten in Straubing eine Therapie machen.
Die Gruppe hatte sich am Samstagabend mit Gewalt den Weg aus der forensischen Psychiatrie erpresst. Dabei sollen sie laut Polizei einen Klinikmitarbeiter angegriffen und gedroht haben, ihn mit einer Spiegelscherbe zu töten. So sollen sie die Öffnung der Pforte erzwungen haben. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der Geiselnahme und der gefährlichen Körperverletzung.
Auch politisch hat der Fall in Bayern für eine Debatte über die Sicherheit des sogenannten Maßregelvollzugs gesorgt, bei dem psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter in einer forensischen Einrichtung untergebracht werden. „Ausbrüche darf es nicht geben“, hatte Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) Anfang der Woche im SZ-Interview gesagt. Die Schutzkonzepte müssten „komplett auf den Prüfstand und weiterentwickelt werden“. Zwar würden Geiselnahmen in Kliniken regelmäßig geübt, aber „da müssen die Schulungen noch verbessert werden“, so Scharf.
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek hatte im Münchner Merkur Verschärfungen im Maßregelvollzug gefordert: „Patienten, die Therapien nachdrücklich verweigern oder Lockerungen missbrauchen, müssen wir schneller in die Justizvollzugsanstalten zurückschicken.“
Die SPD bezeichnete den Vorfall in Straubing als „Desaster für die Staatsregierung“ und verlangte eine Aufklärung im Landtag. „Wir müssen den Menschen wieder ein Gefühl von Sicherheit vermitteln“, sagte Horst Arnold, SPD-Sprecher für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen.
Kurz vor der Flucht in Straubing war es einem wegen Totschlags verurteilten Insassen des Bezirkskrankenhauses Mainkofen während eines begleiteten Freigangs gelungen, aus einem Kino zu fliehen. Er wurde wenige Stunden später gefasst.