Ehemaliges KZ Flossenbürg:Darf man in einem ehemaligen KZ Granit abbauen?

Ehemaliges KZ Flossenbürg: Der Steinbruch Wurmstein grenzt unmittelbar an das Gelände der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg an und soll in einigen Jahren Teil davon werden.

Der Steinbruch Wurmstein grenzt unmittelbar an das Gelände der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg an und soll in einigen Jahren Teil davon werden.

(Foto: Steinbruch Wurmstein)

Nein, findet die Landesregierung und will den Steinbruchbetrieb im ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg beenden. Der Bauunternehmer hat dafür wenig Verständnis.

Von Matthias Köpf, Flossenbürg

Die Entscheidung schien schon vor drei Jahren gefallen zu sein. Der Freistaat werde den Pachtvertrag nicht mehr verlängern, spätestens nach dem Jahr 2024 werde der Steinbruch am ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg in der Oberpfalz also endgültig den Betrieb einstellen müssen und danach in die KZ-Gedenkstätte integriert werden können. So hat es die Staatsregierung 2018 dem Wissenschaftsausschuss des Landtags versichert, der sich einer entsprechenden Petition des Flossenbürgers Stefan Krapf angeschlossen hatte. Doch Steinbruchbetreiber Wolfgang Baumann kämpft weiter um eine Vertragsverlängerung. Mit Krapf hat er sich nun in einem Zivilprozess vor dem Landgericht Weiden getroffen.

10 000 Euro plus Anwaltskosten will der Unternehmer Baumann von dem Aktivisten Krapf einklagen, als Ausgleich für Unwahrheiten und Beleidigungen und um ähnliche Äußerungen in Zukunft zu verhindern, wie Baumann selber sagt. Krapf hingegen interpretiert die Klage als Einschüchterungsversuch. Baumann wolle den Steinbruch im KZ unbedingt weiter betreiben und verhindern, dass ihm jemand in die Quere komme.

Dieses In-die-Quere-Kommen ist dabei schon länger die Rolle von Stefan Krapf. Er setzt sich seit vielen Jahren mit großer Beharrlichkeit dafür ein, den Granitabbau in dem Steinbruch zu beenden. Denn der Betrieb dort ging nach der Befreiung des KZ Flossenbürg durch die Amerikaner 1945 schnell wieder weiter. Dort, wo während der NS-Zeit mindestens 30 000 Menschen ermordet worden waren, wurde bald wieder Granit gebrochen. Heute arbeiten die Maschinen in direkter Nähe zur sogenannten "Häftlingswand", an der sich viele KZ-Insassen zu Tode schuften mussten. Kraft hat in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Wand durch den heutigen Granitabbau teilweise zugeschüttet und durch Gesteinsbrocken beschädigt werde.

Baumann hingegen weist all das zurück und führt Gutachten ins Feld, die nicht in seinem Auftrag sondern in dem der zuständigen Behörden angefertigt worden seien. Er und sein Unternehmen haben diesen Steinbruch in Flossenbürg erst vor rund 20 Jahren übernommen, und schon zu dieser Zeit sei durch den jahrzehntelangen Abbau vieles nicht mehr so gewesen wie während der KZ-Zeit. Dass er den Pachtvertrag mit den Staatsforsten auch über 2024 hinaus verlängern will, räumt Baumann unumwunden ein. Er müsse da an sein Unternehmen und an seine Mitarbeiter denken, sagt Baumann, der all das keineswegs so "pietätlos" und "würdelos" findet wie Krapf.

Der Aktivist will sich nicht beugen

Vor allem aber will sich Baumann von Krapf nicht sagen lassen, er betreibe "im ehemaligen KZ-Steinbruch einen rücksichtslosen und staatlich geförderten Raubbau", beschädige die inzwischen denkmalgeschützte Häftlingswand und sei "wie ein böser Geist, der die Herrschaft über den Todesort von tausenden KZ- Häftlingen hat. Mit seinen Worten verletzt er die Würde der KZ-Opfer, seine Bagger sind wie Panzer". Krapf hat all das auf seiner Homepage veröffentlicht oder per E-Mail an einen sehr großen Verteiler samt etlichen hochrangigen Organisationen und Politikern verschickt. Eine Unterlassungserklärung, die Bauman ihm hatte zustellen lassen, hat Krapf nach eigenen Worten "in einem schwachen Moment" zunächst unterschrieben und auf elektronischem Weg zurückgeschickt. Das Original auf Papier aber habe er danach zerrissen, und darauf kommt es aus seiner Sicht an. Denn beugen werde er sich nicht, sagt Krapf - zumal er nicht nur Baumanns Beleidigungsklage als Einschüchterungsversuch ansieht, sondern aus dem Schriftwechsel der Anwälte eine weitere Drohung herausliest.

Demnach wären für den Fall, dass der Freistaat den Pachtvertrag für den Steinbruch nicht doch noch verlängert, "hieraus resultierende erhebliche Schadensersatzforderungen gegen Ihren Mandanten in bis zu siebenstelligem Bereich geltend zu machen". Denn Baumann führt den Entschluss der Staatsregierung und des Wissenschaftsausschusses vor allem auf das beharrliche Wirken von Krapf zurück, worin sich beide Seiten sogar einig sind. Nur besteht Kraft auf der Richtigkeit seiner Angaben und darauf, dass er etwa Schäden an der Häftlingswand ausführlich dokumentieren könne, während sich Baumann auf die Gutachten verlässt. 2017 hatte Krapf zusammen mit einer französischen Häftlingsorganisation Anzeige wegen der Schäden erstattet, doch die zuständige Staatsanwaltschaft Weiden hat das Verfahren im vergangenen Jahr eingestellt.

Der Zivilprozess, den nun Baumann gegen Krapf führt, dauert noch an. Ein Gütetermin, wie er in solchen Verfahren üblich ist, brachte am Montag keine Einigung. Krapf lehnte nach eigenen Angaben den Vorschlag des Richters ab, Baumann statt der verlangten 10 000 Euro immerhin 3000 Euro zu zahlen. Er will es lieber auf ein Urteil ankommen lassen. Dieses soll am 10. August ergehen. Das bayerische Kabinett hat zuletzt Anfang 2020 bekräftigt, den Granitabbau zu beenden und das Gelände in die Gedenkstätte einzubeziehen. Ein Sprecher der für den Steinbruch zuständigen Bayerischen Staatsforsten wiederholte am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass der Vertrag 2024 enden und nicht verlängert werde.

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