Politik:Für Streibl ist die Ampelkoalition schlimmer als Pandemie und Krieg

Politik: Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, hat neulich zwischen dem apokalyptischen Reiter und der Ampelkoalition in Berlin Gemeinsamkeiten entdeckt.

Florian Streibl, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, hat neulich zwischen dem apokalyptischen Reiter und der Ampelkoalition in Berlin Gemeinsamkeiten entdeckt.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Der Fraktionschef der Freien Wähler reitet eine verbale Attacke gegen die Berliner Ampel und behauptet anschließend, mit ihm sei der "Gaul durchgegangen". Und das nicht zum ersten Mal.

Von Andreas Glas

Man regt sich schon gar nicht mehr auf über das Niveau mancher Debatten im Landtag, aber neulich hat Florian Streibl eine Bemerkung rausgehauen, die den einen oder anderen doch mal wieder sanft hochfahren ließ. Der Fraktionschef der Freien Wähler, der sich selbst als sehr christlichen Menschen sieht, hat ein geradezu biblisches Bild bemüht, das Jesus wohl im Grab hätte rotieren lassen, hätte er sich seinerzeit nicht entschieden, sein Grab zu verlassen: "Denn neue apokalyptische Reiter sind über uns hergefallen: Pandemie, Krieg, Inflation und dann der schlimmste von ihnen, auf seinem fahlen Ross mit drei Köpfen: die Ampelkoalition in Berlin." Ziemlich originell, oder? Und so geistreich!

Inzwischen hat Streibl sich entschuldigt. Ihm sei "der Gaul durchgegangen", beichtete er der Augsburger Allgemeinen. Ach so? Wer Streibl beim Neujahrsempfang seiner Fraktion erlebt hat, muss davon ausgehen, dass er entweder einen dementen Gaul hat oder dreist genug ist, die Leute erst mit einem bodenlos schrägen Bibelbild zu behelligen und hinterher noch zu verscheißern. Von der "Apokalypse" fabulierte Streibl nämlich schon damals, Ende Januar. "Pandemie, Krieg, Inflation und das Schlimmste: eine Ampelregierung in Berlin", rief er ins Freie-Wähler-Publikum, das so frei war und klatschte. Man saß als Reporter zwischendrin und wusste nicht so recht, was einen mehr beunruhigen sollte: die kollektive Abgestumpftheit im Saal oder die Tatsache, dass einen diese Abgestumpftheit mittlerweile selbst schon so abgebrüht hat, dass man Streibls Bodenlosigkeit zwar im Notizbuch vermerkte, dann aber wieder vergaß, bis er sie im Landtag noch mal aufführte.

Ein Hochamt der Abgebrühtheit war zuletzt auch der Politische Aschermittwoch der CSU. Doch, manche Häme hat sich die Bundesregierung verdient, auch die Ampelwitze von CSU-Chef Söder waren absolut im Rahmen einer Veranstaltung, zu der ja nicht nur die Beleidigung des politischen Gegners gehört, sondern ebenso dessen Recht aufs niveaulose Zurückbeleidigen. Womöglich muss man in so einem Format auch hinnehmen, wenn Söder über Kinderliederkritiker lästert, die racial profiling wittern, weil die Polizei "Ja, was ist denn das?" ruft, wenn drei Chinesen auf dem Kontrabass spielen. Allerdings: Söder hat noch einen draufgesetzt und ein weiteres Kinderlied erwähnt, "noch schlimmer", sagte er: "Zehn kleine Punkt Punkt Punkt." Das christsoziale Publikum war so christlich und hat, genau, geklatscht.

Muss man denn für beziehungsweise wegen eines Kalauers über politische Korrektheit gleich jeden Respekt fahren lassen? "Wir sind normal in der CSU und die CSU ist die Gralshüterin der Normalität", hat Söder gerade dem Straubinger Tagblatt erzählt. Ist es für die CSU also "normal", 150 Jahre nach Ende der Sklaverei, der das N-Wort entsprungen ist, für einen entspannten Umgang mit diesem hässlichen Begriff zu werben, echt jetzt?

Im Landtag wiederum muss nun der Ältestenrat über die Bemerkung des FW-Fraktionschefs Streibl zu Pandemie, Krieg und Ampel befinden. Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat durchblicken lassen, dass sie die Äußerung für "grenzwertig" hält, nicht aber für "rügenswert". Falls es aber doch noch eine Rüge geben sollte für Streibl, es wäre die 24. in dieser Legislaturperiode. In 25 Jahren zuvor gab es keine einzige.

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