Flächenverbrauch:Bürgerentscheid in Weiden

65 Hektar großes Gewerbegebiet steht abermals zur Abstimmung

Von Christian Sebald, Weiden

Der Flächenfraß treibt viele Menschen in Bayern um. Das hat sich 2017 gezeigt, als der Grünen-Politiker Ludwig Hartmann das Volksbegehren "Damit Bayern Heimat bleibt: Betonflut eindämmen" gestartet hat. 46 000 Wahlberechtigte unterstützten die Initiative für eine verbindliche Obergrenze von fünf Hektar am Tag für die Umwandlung von freier Landschaft in Bauland. Der bayerische Verfassungsgerichtshof stoppte das Volksbegehren jedoch, weil Hartmann kein Konzept für die Umsetzung der Obergrenze vorgelegt hatte. Gleichwohl ist seither der Kampf gegen den Flächenverbrauch ein wichtiges Thema für alle Politiker im Freistaat. Selbst die schwarz-orange Regierungskoalition hat das Ziel ausgerufen, ihn bis 2013 von derzeit 10,8 Hektar am Tag zu halbieren und als Richtgröße fünf Hektar am Tag ins Landesplanungsgesetz geschrieben.

Wer ein Beispiel sucht, wie es tatsächlich um das Flächensparen in Bayern steht, findet es dieser Tage in der oberpfälzischen Stadt Weiden. Dort wird am Sonntag ein Bürgerentscheid über das neue Gewerbegebiet Weiden West IV abgehalten, wegen der Corona-Pandemie per Briefwahl. Das Besondere an dem Bürgerentscheid ist, dass die Pläne für das 65 Hektar große Gewerbegebiet bis 2011 zurückreichen, in eine Zeit also, in der lange noch nicht absehbar war, welche Dynamik der Streit um den Flächenfraß gewinnen wird.

Auf den Weidener Stadtrat und OB Jens Meyer hat der Streit offenkundig wenig Eindruck gemacht. Sie argumentieren genauso wie der Stadtrat und Meyers Amtsvorgänger Kurt Seggewies (ebenfalls SPD) vor zehn Jahren. Man müsse den Wirtschaftsstandort stärken, brauche zusätzliche Flächen für Weidener Firmen, die erweitern wollen, und werde sich mit der Ansiedlung neuer Unternehmen zusätzliche Einnahmen verschaffen, lauten ihre Argumente für das Gewerbegebiet. Die Kritiker der Pläne, allen voran der Bund Naturschutz (BN) und der Landesbund für Vogelschutz (LBV), sind sich ebenfalls treu geblieben. Der Wald, der für das Gewerbegebiet gerodet werden soll, sei ein wichtiges Naherholungsgebiet, in Zeiten der Klimakrise sei sein Schutz bedeutsamer denn je, außerdem halse man sich nur zusätzlichen Verkehr auf, und im Umkreis von Weiden stünden zahlreiche Gewerbeimmobilien leer, haben unlängst die Verbandschefs Richard Mergner (BN) und Norbert Schäffer (LBV) bei einem Ortstermin bekräftigt.

Bleibt die Frage, wie die Weidener Bevölkerung zu den Plänen steht. Oder ob das landesweite Ringen um das Flächensparen auch auf sie wenig Eindruck gemacht hat? Im November 2014, also ebenfalls deutlich vor der Zeit, als der Streit um den Flächenfraß landesweit Fahrt aufgenommen hat, gab es in Weiden schon einmal einen Bürgerentscheid über das Gewerbegebiet. Damals interessierte sich nicht einmal jeder dritte Abstimmungsberechtigte für die Pläne, die Wahlbeteiligung lag bei 29 Prozent. Von denen freilich stimmten gut 71 Prozent für das Gewerbegebiet.

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