FKK-Verein in Nürnberg:Im Paradies der nackten Ordnungshüter

Die FKKler von den Sonnenfreunden Nürnberg verfolgen vor allem zwei Ziele: die Freiheit ohne nasse Badehose zu genießen - und dabei strikt die Vereinsregeln einzuhalten.

Ulrike Heidenreich

Neulich war Werner Uebelhack auf Usedom, im FKK-Paradies. "Es ist wirklich peinlich, wenn man dort etwas anhat", sagt er lächelnd, fast ein bisschen verschämt. Heute trägt er ausnahmsweise Hose und Poloshirt, beides schwarz, dazu bequeme Birkenstock-Schlappen.

Sonnenfreunde FFK Verein Nürnberg

Nackter Po an Geranie. Bei den Nürnberger Naturisten ist alles exakt geregelt: Man parkt schräg, hat seinen Ausweis parat und wer was anhat, kommt nicht rein.

(Foto: Peter Roggenthin)

Es sind knappe 19 Grad im Rednitzgrund, nicht unbedingt die richtige Temperatur für Freikörperkultur - und mit Gänsehaut wird man auch nicht schöner. Werner Uebelhack, 64, ist zweiter Vorstand der "Sonnenfreunde Nürnberg", einer der ältesten Naturisten-Sportgemeinschaften Bayerns mit 350 Mitgliedern. Deren erklärte Ziele sind: nackt sein, Sport treiben und nackt sein. Wer das elektrische Eisentor zum riesigen Gelände mit Sichtschutz überwindet, tritt ein in eine andere Welt.

Die Welt der Naturisten, wie sich die FKKler auch nennen, besteht einerseits aus dem Anspruch, die Freiheit ohne Badehose zu erleben, und andererseits aus einem strengst geregelten Vereinsleben. "Vorstand I" und "Vorstand II" haben markierte Parkplätze, die laut Geländeordnung, Seite 2, "in leichter Schrägstellung" beparkt werden müssen, "Heck zur Parkplatzmitte, Mittelstreifen unbedingt freihalten".

Zum vier Hektar großen Grundstück zwischen duftenden Kiefern ist laut Schild der "Zutritt nur mit gültigem FKK-Ausweis" erlaubt. Und wer sich im Vereinslokal mit großer Außenterrasse einen hinter die nackte Binde kippen möchte, sollte dies maßvoll tun. Denn, Geländeordnung, Seite 4: "Übermäßiger Alkoholgenuss ist in einer Naturisten-Gemeinschaft untragbar"! Dann schon besser den "Pflicht-Arbeitsdienst" ableisten, also mindestens sechs Stunden pro Jahr auf dem Gelände werkeln, möglichst hüllenlos.

"Ich fühle mich freier, wohler, gesünder"

Vielleicht ist es die Geschichte der Naturisten, die es mit sich bringt, dass alles, was irgendwie reglementiert werden kann, auch reglementiert wird. Im Jahr 1949, als sich ein kleines Häuflein entblößter Nürnberger an warmen Tagen am Flussufer traf, war "Nacktbaden" noch offiziell verboten. Immer wieder hatte man mit verunsicherten bis kopfschüttelnden Passanten zu tun, die hinter dem nackten Treiben "Weißgottwas" vermuteten, wie es Herr Uebelhack in gepflegtem Nürnbergerisch sagt.

Dabei ging es doch nur um eines - wie das Gründungsprotokoll des Vereins der Sonnenfreunde von einem kalten Novembertag im Jahr 1951 besagt: "die Pflege des nackten Körpers durch Luft, Licht und Bewegung und zwar gemeinsam ohne Unterschied des Alters und des Geschlechts als Grundlage für eine gesunde, ideale Natürlichkeit und mit sittlichem Ehrempfinden. Ferner der engere Zusammenschluss lebensbejahender und in diesem Sinne wirkender Menschen."

Einfacher drückt es Klaus Judex aus, 64 Jahre alt, pensionierter Orthopädie-Schuhmacher, dessen Eltern schon Anhänger der Freikörperkultur waren: "Ich fühle mich freier, wohler, gesünder. Wenn man mit nasser Hose im Schwimmbad sitzt, und es wird kühler, ist das doch unangenehm." Heute ist er bekleidet in Form einer Hose und eines engen schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift "Deutsche Senioren-Meisterschaft Volleyball 2010".

"Der ganze Mensch zählt"

Die Pflege des Körpers wird hier auf dem Gelände auf diversen gut gepflegten Sportplätzen und in einem großen Swimmingpool betrieben - die Sonnenfreunde haben damit schon allerlei Preise eingeheimst. Vom Süddeutschen FKK-Meister im Faustball über den Meistertitel des Bayerischen Naturisten-Verbandes für Asphaltschützen bis zum Nürnberger Stadtmeister im Volleyball.

Lästige Trikotpflege fällt hier weg. "Bei geeignetem Wetter ist der Sport nackt zu betreiben" zitiert der zweite Vorstand Uebelhack aus der Geländeordnung. Um Missverständnisse zu vermeiden, übe man nur Sportarten aus, "wo man sich gegenseitig nicht berühren kann", und auf den Tennisplätzen müsse man leider sowieso bekleidet antreten, weil die von außen einsehbar sind.

Um einer eventuellen öffentlichen Erregung aus dem Weg zu gehen, schreibt der Gesetzgeber nämlich vor, dass FKK im Verborgenen stattzufinden hat. Das abgeschottete grüne Areal mit dezentem Vereinslogo zwischen Einfamilienhäusern im Nürnberger Süden, wo höchstens die Schützengesellschaft "Bruderherz Eibach" mit Riesenschild an der Straße für sich werben darf, ruft denn auch Neugierde bei Spaziergängern hervor. "Die Nachbarn aber reagieren überhaupt ned, wir sind geduldet seit ewigen Zeiten", sagt Uebelhack. Vom evangelischen Pfarrer, Handwerker bis zum Lehrer sei hier alles vertreten - "ein ganz normaler gesellschaftlicher Durchschnitt".

So wie Gotthard Schwerdtle, 61 Jahre alt, Finanzbeamter, der erklärt, warum er seit 30 Jahren Vereinsmitglied ist: "Es ist toll, ohne nasses Zeugs herumzulaufen." Und fügt hinzu, wie entspannt hier alles sei: "Man schaut nicht, ob einer einen Bauch hat oder nicht. Der ganze Mensch zählt. Am Strand guckt man doch eher mal, wenn da ein knapper Bikini vorbeikommt." Werner Uebelhack, der in die FKK-Szene quasi eingeheiratet hat, weil seine Frau Mitglied war, sagt: "Nach der ersten Stunde auf dem Gelände waren meine Scham und die Hemmschwelle weg."

"Die tanzen nackt auch am Abend"

Natur pur also - und doch ist es gewöhnungsbedürftig, in einem penibel geputzten Vereinslokal auf geschnitzten Eichenholzstühlen zu sitzen und drei älteren Herren dabei zuzuhören, wie sie über Intim-Piercing reden. Geländeordnung, Seite 3, duldet diese Form des Körperschmucks nämlich nicht. "Über ein Piercing in der Brustwarze sehen wir hinweg, über Intimschmuck nicht, schließlich geht es hier um die Familie und Sport und nichts Sexuelles", sagt Uebelhack. In einer Schrift, die der Deutsche Verband für Freikörperkultur herausgegeben hat, heißt es: "Der nackte Mensch lebt auch wahrhafter. Es bleibt einerseits nichts verborgen, andererseits aber auch nichts aufreizend versteckt."

Mit dieser Wahrhaftigkeit haben aber auch im Verein manche Probleme: die Jugendlichen, die qua verordneter Familienmitgliedschaft von Kindesbeinen an hosenlos auf dem Spielplatz der Sonnenfreunde zugange waren, aber dann, mit Eintreten der Pubertät, meist auf Abstand gehen. "Das ist das Generationenloch, mein Sohn kommt auch nicht mehr hierher", sagt der zweite Vorstand etwas bedauernd. Oft sind es dann die Großeltern, die die Enkel mitbringen, so wie den 13-jährigen Patrick, der hinter einer Plastikschiebewand im Vereinslokal Tischtennis spielt - in Sportkleidung.

"Noch geht er nackt hier baden, aber das kann sich ändern", sagt sein Opa, "gewisse Schamgefühle machen die halt alle in der Jugend durch." Der Finanzbeamte Schwerdtle fügt hinzu: "Die Alterspyramide bei uns ist belastend" und malt ein Dreieck in die Luft, dessen Spitze nach unten zeigt. Da lachen alle älteren Herren am Naturisten-Stammtisch.

Draußen an einer Pinnwand, die das Vereinsleben dokumentiert, sind immerhin drei Neuaufnahmen, deutlich unterhalb der 60, abgebildet, Brustbild nackt. Ein großes Wohnmobil aus Holland passiert gerade das Tor, befreundete Naturisten, die hier ein paar Tage campen möchten. Das erinnert Uebelhack an ein Erlebnis bei Gleichgesinnten im belgischen Antwerpen. "Zu gesellschaftlichen Anlässen hier im Vereinsheim ziehen wir uns an. Die aber tanzen nackt auch am Abend." Das war sogar ihm zu viel.

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