Die Debatte um Fixierungen in bayerischen Psychiatrien nimmt an Schärfe zu. Mit Bezug auf den Fall eines Patienten der forensischen Psychiatrie des Isar-Amper-Klinikums Taufkirchen (Vils), der 60 Tage lang an sein Bett gefesselt worden war, forderten SPD und Freie Wähler am Donnerstag, dass das Thema im Landtag behandelt wird. Die Freien Wähler brachten dazu einen Dringlichkeitsantrag ein. Er wird nächste Woche zusammen mit einem Antrag der Grünen zum gleichen Thema im Sozialausschuss des Landtags behandelt.
Grüne und Freie Wähler fordern, dass die Regelungen für Unterbringung reformiert werden. Kerstin Celina, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, nannte den Taufkirchener Fall "symptomatisch dafür, dass das Kräfteverhältnis im Bereich Staat-Psychiatrie nicht ausgewogen ist". Die Freien Wähler drängen auf jährliche, unangekündigte Kontrollen mit Bericht an den Landtag. Die Staatsregierung soll zudem über die Fixierungspraxis in forensischen Einrichtungen berichten.
In der von der SPD geforderten Sachverständigen-Anhörung zum Maßregelvollzug sollen Zwang und Fixierung ebenfalls näher betrachtet werden. Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Angelika Weikert, will dabei klären lassen, ob es für den Patienten keine andere Möglichkeiten als eine Fesselung gegeben hätte: "Fixierung kann immer nur das letzte Mittel sein", sagte sie.
"Bitte Politik, gib mir Regeln"
Momentan gilt das bayerische Unterbringungsgesetz sowohl für psychisch Kranke, die in Einrichtungen oder Kliniken untergebracht sind, als auch für psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter in sogenannten Forensiken. Franz Schindler (SPD), Vorsitzender des Rechtsausschusses im Landtag, kritisierte, dass der Bereich der Forensik im Unterbringungsgesetz nur rudimentär geregelt sei. Seiner Forderung nach einem eigenständigen Gesetz schließt sich Matthias Dose an. Er ist ärztlicher Direktor des in die Kritik geratenen Klinikums in Taufkirchen: "Ich bin gerne bereit, mich kontrollieren zu lassen - aber dann brauchen wir klare Vorgaben", sagte Dose. "Deshalb sage ich: Bitte Politik, gib mir Regeln."
Dose räumte ein, dass im Zeitraum vom 1. November 2011 bis 30. Juni 2013 insgesamt 18 Patientinnen der Forensik fixiert wurden. In 337 Maßnahmen wurden diese 18 Patientinnen insgesamt 9813 Stunden festgebunden. Etwa die Hälfte der Maßnahmen sei auf Grund von aggressivem, übergriffigem Verhalten angeordnet worden, die andere Hälfte bei suizidalen, selbstgefährdenden Patienten, sagte Dose.
Etliche Maßnahmen seien auf freiwilliger Basis zum Selbstschutz der Patientinnen vorgenommen worden. Jede Maßnahme dauerte durchschnittlich 29 Stunden. Nach jeweils 24 Stunden muss ein Arzt prüfen, ob der Patient weiter fixiert werden darf und muss. In der Taufkirchener Forensik fänden die Überprüfungen durch einen Stations- oder Oberarzt momentan alle zwölf Stunden statt, sagte Dose.
In Bayern liegt die Verantwortung in der psychiatrisch-medizinischen Versorgung bei den Bezirken. Josef Mederer, Präsident des Bayerischen Bezirketags, nannte die Diskussion im Landtag eine "Chance, zeigen zu können, dass unsere forensischen Kliniken keine 'Black Box' sind". Die Patienten würden dort darauf vorbereitet, "in ein eigenständiges Leben ohne weitere Straffälligkeit entlassen werden zu können".