Süddeutsche Zeitung

Finanzhaushalt:Wie Seehofer seine Haushaltsplanung rechtfertigt - und was er verschweigt

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Von Wolfgang Wittl, München

An einem Tag wie diesem bricht sogar Horst Seehofer mit seinen Gepflogenheiten. "Heute kommt erst das Parlament", sagt der Ministerpräsident und huscht in die CSU-Fraktionssitzung. Kurz darauf dasselbe Prozedere vor dem Plenarsaal. Anstatt wie sonst eine seiner improvisierten Pressekonferenzen abzuhalten, steuert Seehofer zielstrebig auf die Regierungsbank zu.

Um 13.53 Uhr nimmt er am Dienstag Platz, und damit zehn Minuten früher, als die Sitzung offiziell beginnt: Haushaltsdebatte im Landtag, es geht nicht nur um die finanzielle Zukunft des Freistaats in den kommenden beiden Jahren, sondern traditionell um Rechenschaft über Seehofers Politik.

Gut eine halbe Stunde spricht der Ministerpräsident, Zahlen erwähnt er - trotz Haushaltsdiskussion - mit keinem Wort. Weder die 117,4 Milliarden Euro, die Bayern in den nächsten beiden Jahren ausgeben wird, noch die 28,975 Milliarden Euro Schulden zum Jahresende. "Am Allerwichtigsten ist, liebe Abgeordnete: Welche Wirkungen entfalten diese Zahlen für das tägliche Leben?" Und da könne er, Seehofer, nur sagen: "Bayern blüht." Gleich mehrere Male in seiner Rede beruft er sich auf die bayerische Verfassung. Etwa, dass die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dem Gemeinwohl und insbesondere einem menschenwürdigen Dasein aller diene.

Fünf Punkte listet Seehofer auf. Damit will er beweisen, dass der Doppelhaushalt 2017/18 ein "Zukunftsatlas" sei, der Bayern in gute Zeiten führen werde. Erstens, die Staatsregierung werde alles dafür tun, die Stabilität und Sicherheit zu stärken. Zweitens, Gerechtigkeit: Einerseits werde man die Schwachen und Benachteiligten unterstützen, andererseits sich dafür im Bund einsetzen, die Leistungsträger steuerlich zu entlasten. Drittens, Bildung: Jeden dritten Euro gebe Bayern dafür aus, sagt Seehofer und wirbt für sein gemischtes Modell eines acht- und neunstufigen Gymnasiums. Denn auch Herz und Charakter sollen laut Verfassung gebildet werden. "Ein fantastischer Satz." Nicht mit der "Heckenschere" dürften die jungen Menschen daher "alle gleich behandelt" werden, das aber gelinge nur mit einem "durchlässigen Bildungssystem".

Viertens, weniger Zentralismus und mehr Föderalismus. Zu sehen etwa bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs, in den Bayern künftig gut eine Milliarde Euro weniger einzuzahlen habe. Fünftens, die Koalition mit dem Bürger werde fortgesetzt. Und trotz aller bayerischen Superlative, so schließt Seehofer seine Rede, könne ein Politiker nie behaupten, dass es nichts mehr zu tun gebe: "Das Entscheidende ist, die Lebensqualität der Menschen zu stärken."

In diesem Punkt stimmt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher noch zu, auch lobt er die gemeinsame Arbeit der großen Koalition in Berlin. Das war es aber mit den Komplimenten: "Hochmut", "Trägheit" und "Marketingarbeit in eigener Sache" wirft er der Staatsregierung vor. Nur noch auf "Machterhalt und Machtausübung" konzentriere sich die CSU, kritisiert Rinderspacher, und legt seine Mängelliste vor.

Das Betreuungsgeld? "Eine krasse Fehlinvestition." Nirgends sei die Kinderbetreuungsquote niedriger als in Bayern, der Mietanstieg kaum irgendwo im Bund höher. 100 000 Wohnungen fehlen nach Berechnungen der SPD in den kommenden fünf Jahren. Die Ganztagsgarantie an den Schulen? "Hat sich regelrecht pulverisiert."

Im Gegensatz zu Seehofer nennt Rinderspacher sehr wohl Zahlen, etwa sechs Millionen ausgefallene Unterrichtsstunden, zwei Millionen Überstunden bei der Polizei, 36 Prozent sanierungsbedürftige Straßen und 1,8 Millionen Bayern, die unter der Armutsgrenze lebten.

Nicht alles sei schlecht in Bayern, findet Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, aber eben auch nicht alles so gut, wie die CSU es darstelle. Übervolle Schulklassen, zu wenige Lehrer, zu geringe Investitionen bei Kinderbetreuung und in ländlichen Gebieten. "Wer kein Geld hat, die Zukunft der Hebammen zu gestalten, braucht auch keine dritte Startbahn zu bauen", sagt Aiwanger.

Deutlich schärfer attackiert Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann die CSU: "Ein dicker Geldbeutel garantiert noch keine gute Politik." Ob Naturschutz oder Energiewende: Die CSU sei bereit, "dieses Land für den schnellen Euro zu verscherbeln". Einmal aber zitiert er sogar Seehofer. "Wer täglich einen Förderbescheid überreicht, ist noch lange kein Stratege", sagt Hartmann mit Blick auf Finanzminister Markus Söder. Da muss sogar Seehofer lachen. Söder wird am Donnerstag sprechen.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2016
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