Am Montagmittag gab Albert Uttendorfer endlich Entwarnung: "Brand unter Kontrolle", sagte der Kreisbrandmeister des Landkreises Straubing-Bogen erleichtert. Da hatten die Rettungskräfte bereits mehr als zwölf Stunden Dauereinsatz hinter sich.
Kurz nach Mitternacht waren sie wegen eines Feuers "in einer Fabrik-Fertigungshalle", wie es zunächst hieß, nach Hofweinzier bei Bogen gerufen worden. Alsbald stellte sich heraus, dass es der gigantische Wiesenhof-Schlachthof der Lohmann AG war, der da in Flammen stand. Die Anlage in Niederbayern zählt zu den größten ihrer Art in Deutschland. 250 000 Hühner werden dort täglich geschlachtet. Der Schaden durch das Feuer beträgt nach ersten Schätzungen eine zweistellige Millionensumme.
Immer mehr Masthühner
Der Großbrand trifft die Geflügelwirtschaft in Bayern ins Mark. Die 250.000 Hühner, die täglich in der voll automatisierten Anlage in Bogen getötet werden, sind aufs Jahr gesehen 80 Prozent des Geflügels, das im Freistaat gemästet wird. Die Hühnerhaltung ist der Teil der bayerischen Landwirtschaft, der komplett industrialisiert ist.
98 Prozent der Masthühner in Bayern werden in Anlagen ab 10.000 Mastplätzen aufwärts gehalten. Und es werden immer mehr. Laut Bund Naturschutz hat sich die Zahl der Mastplätze in Bayern zwischen 2009 und 2014 um 62 Prozent auf 8,4 Millionen erhöht. Der Zuwachs betrifft fast ausschließlich Massenställe mit knapp 40.000 Tieren. Und die Mäster sind in aller Regel Wiesenhof-Lieferanten. Parallel zu dem gigantischen Ausbau der Mastplätze hat der Konzern seine Schlachtkapazität in Bogen um 50.000 Hühner täglich erhöht.
Wiesenhof baut Notbetrieb auf
Entsprechend groß dürften dort nun das Chaos und die Hektik sein. "Wir haben hier momentan keine Telefonanlage und keine EDV", sagte der Wiesenhof-Manager Josef Bachmeier am Montagmittag. "Wir müssen schnellstens einen Notbetrieb aufbauen, damit wir die Tiere, die hier angeliefert werden, umleiten können an andere Standorte in Deutschland."
Genaueres wollte Wiesenhof nicht sagen. Alle Mitarbeiter seien rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden, hieß es in einer Mitteilung. "Darüber hinaus sind durch den Brand keine Tiere in Mitleidenschaft gezogen worden."
Lebenszeit auf maximal 42 Tage ausgerichtet
Für den Tierschützer Friedrich Mülln steht jetzt nicht nur Wiesenhof vor massiven Problemen. Sondern die gesamte bayerische Geflügelbranche. "Denn die 250.000 schlachtreifen Hähnchen am Tag müssen ja irgendwo hin", sagt der Tierschützer, der sich mit seiner Organisation "Soko Tierschutz" intensiv mit der Geflügelhaltung in Bayern auseinandergesetzt hat. "Aber die Hühner auf andere Wiesenhof-Anlagen umzuleiten, ist gar nicht so einfach."
Die nächsten, die dafür infrage kämen, stünden in Norddeutschland. Die Fahrten dorthin dauern in jedem Fall etliche Stunden länger als nach Bogen. "Da stellt sich die Frage, ob sie tierschutzrechtlich zulässig sind", sagt Mülln. "In jedem Fall wird es auf den Transporten zu erhöhten Ausfällen kommen."
Die Tiere können laut Mülln aber auch nicht über die eigentliche Mastzeit hinaus in den Stallungen bleiben. "Denn sie sind ja alle Züchtungen, die auf eine Lebenszeit von 36 bis maximal 42 Tage ausgerichtet sind", sagt er. "Belässt man sie darüber in den Ställen, gehen etliche einfach ein." Mülln nennt den Brand "ein Debakel" für die industrialisierte Tierhaltung: "Wenn eine Komponente ausfällt, gerät gleich das ganze System ins Wanken."
Keine Anhaltspunkte für Brandstiftung
Wie es zu dem Inferno kommen konnte, darüber herrschte am Montag noch Rätselraten. Brandfahnder der Straubinger Kripo hatten wegen der Feuersbrunst bislang keine Möglichkeit, die Innenräume zu untersuchen. Für eine Brandstiftung gebe es derzeit aber keine Anhaltspunkte, sagte ein Polizeisprecher. Glück im Unglück: Die Produktion in dem mehrere tausend Quadratmeter großen Gebäudekomplex war aufgrund von Umbauarbeiten von Freitag an stillgelegt worden.
Die Belegschaft war deshalb im Vergleich zu normalen Arbeitstagen deutlich reduziert. Dennoch kämpften nahezu 500 Feuerwehrleute gegen den größten Brand, den die Region in den vergangenen 20 Jahren erlebt hat.
Löscharbeiten bis in die Abendstunden
Der Einsatz gestaltete sich aus mehreren Gründen als schwierig: Wegen herabfallender Dachteile konnten die Stahlhallen nur von außen gelöscht werden. Und weil der Brand jedes bisherige Ausmaß übertraf, war das Löschwasser rasch aufgebraucht. Mit sieben Leitungen, jede mehrere hundert Meter lang, musste Wasser aus der nahe gelegenen Donau gepumpt werden. Bei Temperaturen von bis zu minus zehn Grad wurden riesige Pfützen schnell zu gefährlichen Eisflächen. Vier Feuerwehrleute stürzten und zogen sich teils schwere Prellungen zu. Das waren jedoch die einzigen Verletzungen.
Der Schlachthof zähle von der Größe "zu den Top-Ten-Betrieben im Landkreis Straubing-Bogen", sagte eine Sprecherin des Landratsamtes. Diesen Montag hätte der Betrieb nach der ruhenden Produktion wieder aufgenommen werden sollen. Wann in Bogen wieder Tiere geschlachtet werden können, vermochte am Montag niemand zu sagen. Die Einsatzleitung rechnete damit, dass die Löscharbeiten bis in die Abendstunden andauern würden.