Das Telefon klingelt, mitten im Stück, mitten auf der Bühne. Es ist so ein mannshoher Holzkasten mit Kurbel dran. Der König erschrickt. Seine Majestät, sagt der Erfinder, möge ihr Ohr an die Lauschmuschel halten und sich mit Namen melden. „Wittelsbach“, sagt der König, hört, und schaut verdutzt. „Es ist München! Das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, der Markus Blume ist dran.“
Ein Riesenlacher bei der Saisonpremiere des Musicals „Ludwig²“ in Füssen. Denn Blume ist natürlich nicht zu Ludwigs Zeiten Kunstminister, sondern heute. Und er sitzt im Publikum. Dieser in die Vorstellung eingebaute Hofknicks vor dem Ehrengast könnte etwas anbiedernd wirken. An diesem Abend sind aber alle gnädig und bei bester Laune, denn es gibt Großes zu feiern. Ohnehin hat Blume die ganze „Geburtstagssause“, wie er es nennt, bezahlt: den Staatsempfang zum Jubiläum „25 Jahre Festspielhaus Neuschwanstein“. Und dazu brachte er noch ein „kleines Geschenk“ mit, das viele überraschte: eine satte Erhöhung der jährlichen Förderung auf eine Million Euro.
Für den Kunstminister ist das Theater, das von 1998 bis 2000 auf ein aufgeschüttetes Premium-Grundstück ans Ufer des türkisfarbenen Forggensees gebaut wurde (Adresse: Im See 1) ein Paradies, wie er in seiner Begrüßungsrede sagte. In Bayern freilich überlässt man die Erschaffung von Märchenwelten nicht etwa Gott allein, man packt selbst mit an. Ein bisschen verrückt, sagte der Minister augenzwinkernd, müsse man dazu schon sein, ganz in der Tradition Ludwig II., den er so zitierte: „Oh, es ist notwendig, sich solche Paradiese zu schaffen, solche poetischen Zufluchtsorte, wo man auf einige Zeit die schauderhafte Zeit, in der wir leben, vergessen kann.“
Aber auch im Paradies hat man nicht ewig seine Ruhe. Die Architektin Josephine Barbarino hatte das mächtige Gebäude mit der zweitbreitesten Bühne Europas, der längsten Bar Deutschlands und dem Barockgarten samt eigenem Badestrand nach Vorbild des Wagner-Festspielhauses in Bayreuth eigens für das Musical „Ludwig II. – Sehnsucht nach dem Paradies“ aus der Feder ihres Mannes Stephan Barbarino in Sichtachse des 3800 Meter entfernten Schlosses Neuschwanstein errichten lassen. Obwohl vom 7. April 2000 an 1,5 Millionen Menschen in 1500 Vorstellungen strömten, mussten sie ihr tollkühnes Projekt 2003 finanziell ausgelaugt begraben.

Nach etlichen Fehl- und Neustarts kam der Retter in Gestalt des mit Computern reich gewordenen Allgäuers Manfred Rietzler im Jahr 2016. Der steckt nun seit Jahren Millionenbeträge in den Betrieb und die Erhaltung des Theaters. Das ist nicht nur ein „kultureller Leuchtturm hier in Südbayern“, wie es Rietzler es in seiner Ansprache nannte, es scheint wirklich sein Herzensprojekt zu sein, wie man seiner angefassten Stimme entnehmen konnte.
Blume weiß das zu würdigen: „Nur dank des großartigen privaten, geradezu mäzenatischen Engagements ist es möglich gewesen, dieses Haus wieder auf Kurs zu bringen.“ Besonders freut ihn, dass das Haus in seiner Musical Academy gerade 220 Kinder und Jugendliche ausbildet. Er weiß aber auch, dass sich solche Einrichtungen nicht mal durch gute Verkaufszahlen (160 000 Tickets im Jahr 2024) tragen: „Kultur braucht Rückenwind.“ So hat der Freistaat seine vor zwei Jahren gestartete jährliche Förderung um 150 000 Euro auf 600 000 Euro aufgestockt, auch der Landkreis Ostallgäu gibt nun 100 000 Euro mehr, zusammen mit dem Bezirk Schwaben (100 000) und der Stadt Füssen (50 000) macht das eine runde Million.
Dafür wird „Spitzenkultur“ mit mindestens zwei Eigenproduktionen jährlich erwartet. Geschäftsführerin Birgit Karle („Die Zusammenarbeit mit dem Ministerium ist top; es wird immer alles gehalten, was versprochen wird“) und Theaterleiter Benjamin Sahler liefern nur allzu gern: Eben lief im bunten Programm „Der Freischütz“ als Musical an. Blume erwartet sich besonders viel von „Die weiße Rose“ (ab Juni) – die tragische Geschichte der Geschwister Scholl als Singspiel, „das muss man sich erst einmal trauen“.

Dauerbrenner und Touristenmagnet bleibt der „Ludwig II.“-Nachfolger „Ludwig²“ mit der Musik von Konstantin Wecker. Unter Sahler seit 2016 behutsam weiterentwickelt, ist es ein operettenhafter Bilderrausch, ein Fest der Stimmen (derzeit gibt Matthias Stockinger einen strahlend leidenden König), eine Mahnung zum Pazifismus – und letztlich eine Legitimation für den Bau von Luftschlössern wie das Festspielhaus selbst. „Ich möchte aus Bayern einen Tempel der Künste machen“, schwärmt Ludwig II. darin – ein Appell an alle nachfolgenden Regenten.