Festival:Wie Mittelfranken den Blues kriegte

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Zum Jubiläum spielen unter anderem King King aus Schottland dabei. (Foto: Bluestage)

James Brown, Peter Frampton, Johnny Winter - sie alle gastierten bereits bei den Bluestagen in Roth. Zum 25. Geburtstag liegt der Schwerpunkt auf Bluesrock.

Von Uwe Ritzer, Roth

Die Idee entstand, wie gute Ideen häufig, in der Kneipe. Uli Müller und Klaus Haider wollten den Blues nach Roth holen. Also veranstalteten die Wirte 1992 in ihrer "Wunder-Bar" ein kleines Festival mit Künstlern aus der Region. Ihre Gäste fanden das prima, und Ruth Kiefer war regelrecht begeistert.

Sie schickte sich gerade an, die künstlerische Leitung der neuen Kulturfabrik zu übernehmen, welche die mittelfränkische Kleinstadt zwanzig Autominuten südlich von Nürnberg wenig später in einem alten Fabrikgebäude eröffnete. "Wir beschlossen, uns zusammenzutun", erinnert sich Kiefer. Fortan gingen die Rother Bluestage hauptsächlich in der Kulturfabrik über die Bühne, aber eben auch in der "Wunder-Bar" und anderen Kneipen der Stadt.

Was damals als Initiative einiger Freaks startete, hat sich längst etabliert. Inzwischen sind die Rother Bluestage unter Blues-Fans ein Bezugspunkt ähnlich wie für Jazzer Burghausen oder Ingolstadt. An diesem Samstag startet die 25. Auflage. Sie beginnt mit einem Doppelschlag: Der britische Bluesrockgitarrist Ben Poole und das Kölner Henrik Fleischlader Trio stellen ihre frischen Alben vor, die an diesem Freitag erscheinen.

Wie das Programm aussieht

Insgesamt 18 Veranstaltungen umfasst das Jubiläumsprogramm, Kinder-Konzert und ein Abend mit Amy J. Bergs Dokumentarfilm über Janis Joplin ("Janis Little Girl Blue") inklusive. Das - längst ausverkaufte - Finale am 11. April bestreitet der 69-jährige britische Altmeister Donovan ("Catch The Wind", "Universal Soldier"). Zum zweiten Mal in Folge auf der Rother Festivalbühne ist der Bluesrock-Freigeist Andreas Kümmert aus Gemünden am Main, der sich und seiner Unverwechselbarkeit nichts Besseres tun konnte, als seinen Auftritt beim Kommerz-Festival Eurovision Song Contest abzusagen. Auch für Kümmerts Rother Konzert gibt es keine Karten mehr.

Kümmert, der Mann mit der Gänsehaut-Stimme, passt perfekt ins Profil des Rother Festivals. "Blues-Rock ist bei uns Schwerpunkt", sagt Kiefer-Nachfolgerin Monika Ammerer-Düll, eine von zwei Leiterinnen von Kulturfabrik und Blues-Tagen. Doch abgesehen davon - wie will man trennscharfe Grenzen ziehen bei einer Musikrichtung, welche die gesamte Rock- und Popmusik bis hin zu Rap und Hip-Hop inspiriert und durchflutet? Die vergangenen Rother Festivaljahre spiegeln viele Spielarten des Blues wider. Was sich auch an den großen Namen festmachen lässt, die schon in der kleinen Stadt aufgetreten sind.

Namen aus der Weltliga des Blues: Johnny Winter, Peter Frampton, Gary Moore, Maria Glen, Joan Armatrading, Luther Allison, Johnny "Guitar" Watson. Unvergesslich blieb der Auftritt von Soulstar James Brown im Jahr 2000, der vor Konzertbeginn hinter der Bühne alle seine Musiker in Reih' und Glied antreten ließ, um persönlich zu überprüfen, ob ihre Lackschuhe auch sauber glänzend geputzt waren. Es war eines von nur zwei Konzerten, die James Brown in jenem Jahr in Deutschland spielte.

"Alle, die hier auftreten, sind uns gleich wichtig"

An großen Namen allein mag Monika Ammerer-Düll das Festival aber nicht messen lassen. "Alle, die hier auftreten, sind uns gleich wichtig", sagt sie. Auch jene also, die wie Ex-Bap-Gitarrist Klaus "Major" Heuser und Richard Bargel im "Posthorn" auftreten. Einer kleinen, alten Kneipe in Eckersmühlen bei Roth, die irgendwie der Gentrifizierung der Musik-Kneipenlandschaft auf dem Land in den vergangenen Jahrzehnten imposant getrotzt hat. Qualität lasse sich eben nicht nur an Größe festmachen und auch nicht an der Zahl verkaufter Alben und Downloads, meint Festival-Chefin Ammerer-Düll.

So leben die Rother-Bluestage ganz wesentlich davon, dass sie nicht darauf zielen, von Jahr zu Jahr zu wachsen oder Besucherrekord um Besucherrekord zu brechen. Knapp 5000 Besucher und zehn Tage Programm - genug ist hier genug. Den Rother Machern geht es um Könner und nicht um Masse. Und darum, neben den großen Namen auch einmal etwas auszuprobieren.

Nachwuchshoffnungen wie in diesem Jahr The Wake Woods aus Berlin bekommen hier ihre Chance: Die vier jungen Berliner folgen dem Stil der Rolling Stones und der Who aus den Sechziger- und Siebzigerjahren. Andere arbeiten sich, wie 1996 besagter Johnny Watson, nach längerer Flaute wieder zurück. Nina Hagen war übrigens auch schon da.

Etwas Familiäres wohnt dem Rother Festival inne, auch wenn die Bluesfans inzwischen von weither anreisen. Es steht im bewussten Gegensatz zu den durchgestylten Festival-Großabspielstätten, die sich allesamt auf Woodstock berufen, obwohl sie längst keinen Raum mehr lassen für Spontaneität und Lebensgefühl auf der Bühne und beim Publikum.

"Blues-Musiker sind eitel und unprätentiös", sagt Ammerer-Düll aus Erfahrung. Eben aufregend und gleichermaßen angenehm. Wie viele der Konzerte in der Geschichte dieses Festivals.

© SZ vom 01.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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