Süddeutsche Zeitung

Fernwehpark in Oberfranken:Das Fenster von Hof

Hollywood ist verdammt weit weg von Oberfranken. Oder doch nicht? Im Fernwehpark des pensionierten Bankers Klaus Beer fühlt der Besucher sich fast wie in L.A. - dank Ortsschildern aus aller Welt, Handabdrücken in Ton und einem amerikanischen Diner.

Von Heiner Effern, Hof

Gemeinhin versuchen Menschen, in eine Bank einzubrechen, doch der Fall Klaus Beer liegt anders. Der Mann sehnte sich immer schon danach, aus der Sparkasse in Hof auszubrechen. Besonders erfolgreich war er dabei nicht, jedenfalls wenn man die Zeit zum Maßstab nimmt, die er dafür benötigte: 40 Jahre.

Ausgehalten hat er es so lange in seinem "Lebensgefängnis", weil er seinen Hass auf Zahlen und Formulare kompensierte: mit exzessivem Reisen. Daran lässt er seit 15 Jahren auch seine Mitmenschen teilhaben, die sich in die Ferne träumen müssen: Klaus Beer, 63, ist der Schöpfer des Fernwehparks in Hof.

Ein Platz wie in Kanada

Der steht auf einem Kiesplatz am Ufer der Saale, direkt unterhalb der Altstadt. An einer Brücke hat Beer dort große Holzpfosten aufgestellt, an denen Ortsschilder aus der ganzen Welt festgeschraubt sind. Die ersten hat er selbst von seinen Reisen mitgebracht, quasi als Hilfe zum Durchhalten bis zum nächsten Aufbruch. Schon lange kann aber jeder ein Schild von seinem Urlaubsort mitbringen. Die Idee stammt aus Kanada, in einem Ort namens Watson Lake sind auf diese Weise 72 000 Schilder zusammengekommen. "Ich wollte das deutsche Pendant nach Hof bringen", sagt Klaus Beer. Damit die Menschen wenigstens im Kopf dem Alltag entfliehen können, wie er selbst, wenn er zum Beispiel die Schilder aus seinem Lieblingsziel Kalifornien sieht. "L.A. und Hollywood, das ist meine Welt. Da lebe ich seit 40 Jahren gedanklich, nur mein Körper ist hier", sagt er.

Beers Körper befindet sich tatsächlich in Hof, wenn er aus seinem Leben erzählt - und doch wieder nicht. Er sitzt in der Florida-Ecke eines amerikanischen Diners, das er direkt am Fernwehpark gebaut hat. Neben ihm hängt eine E-Gitarre an einem Surfbrett, "Beach-Boys-Feeling", erklärt Beer. Unter seinem Jeanshemd trägt er ein Shirt mit dem Aufdruck Los Angeles, an den Füßen Cowboystiefel. Sein Markenzeichen, auch schon zu Bankzeiten, ist seine Mähne: hinten breit und bis auf die Schultern reichend, vorne eher kurz. Von Florida aus hat er direkten Blick auf seine zweite Sammlung, die ihm noch wichtiger ist als die etwa 2000 Schilder draußen: Handabdrücke von Stars, etwa von Kevin Costner oder Arnold Schwarzenegger, die hinter Glas im ersten Stock des Diners an den Wänden hängen.

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Klaus Beer war schon immer ein begeisterter Cineast, im Kinderzimmer hing der Bravo-Starschnitt von Winnetou und Old Shatterhand. Filme waren für ihn die Ausbrüche aus dem Alltag, schon bevor er mit 17 die Banklehre begann und mit 18 seine erste Fernreise nach Tunesien unternahm. Als Beer später nach vielen Reisen immer mehr bewusst wurde, "in welch sicherem Paradies wir in Deutschland leben", erweiterte er sein Konzept. Er widmete seinen Fernwehpark dem Weltfrieden, der Völkerverständigung und der Erhaltung der Lebensräume und ließ die "Stars", wie er Prominente aller Kategorien nennt, dafür werben. Zuerst mit eigenen Schildern und der Unterschrift darauf im Schilderwald, später auch mit Handabdrücken in Ton ganz like Hollywood.

Großes Kino in Hof

Neben seinem Idol Schwarzenegger ("Ich durfte jeden einzelnen Finger des Terminators in den Ton drücken.") sind unter den 154 ausgestellten Abdrücken auch viele von deutschen Filmstars und Regisseuren: Mario Adorf, Veronica Ferres oder Wim Wenders. Für Stars, die sich für karitative Zwecke einsetzen, hat Beer noch eine Steigerung parat. Wenn sie selbst kommen, erhalten sie einen Stern auf dem Hofer Bürgersteig, hier genannt Boulevard der Humanität. Immer erinnern wird sich Beer an einen Besucher, der bei ihm Gänsehaut auslöste: "Ich habe Pierre Brice in die Augen geschaut, und ich habe Winnetou gesehen."

Zu einem Stern der Humanität hat es Ministerpräsident Horst Seehofer noch nicht gebracht, doch auch seine Handabdrücke sind verewigt. Was er davon hält, dass er in einer Reihe mit Karl Theodor zu Guttenberg (abgehoben), Hans-Peter Friedrich (abserviert) und Günther Beckstein (abgesägt) hängt, ist nicht bekannt. Da das CSU-Quartett ja nicht für den Partei-, sondern den Weltfrieden wirbt, wird das schon seine Ordnung haben.

Bleibt noch zu klären, warum Beer die Bank erst nach 40 unglücklichen Berufsjahren in den Vorruhestand und die Stadt Hof nie für immer verließ: der Liebe wegen, sagt er. Seine Frau mag zwar ebenfalls das Reisen sehr gerne, doch auch ihre Arbeit und ihre Heimat Hof.

Kennengelernt haben sich die beiden übrigens über den Beruf: in der Sparkasse.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2014 /vewo
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