Felssturz bei Traunstein:Der Burgberg, der vier Menschen begrub

Ein Ort ist fassungslos: Nach dem todbringenden Sturz eines mehr als 200 Tonnen schweren Steinbrockens rätseln Experten.

Heiner Effern, Stein an der Traun

Am Morgen nach dem Felssturz bedeckt eine dünne Schneedecke die Holzbalken des Dachstuhls, den abgebrochenen Kamin, der vorne an der Straße liegt. Die Schachtel für die Brettspiele und die Bücher, die es nach außen geschleudert hat, sind auf dem platten Haufen schon kaum mehr zu sehen.

Felssturz bei Traunstein: Stein an der Traun: Die Experten suchen nach Erklärungen für das Unglück, das zwei Menschen das Leben kostete.

Stein an der Traun: Die Experten suchen nach Erklärungen für das Unglück, das zwei Menschen das Leben kostete.

(Foto: Foto: ddp)

Am Absperrband steht der Geologe Andreas von Poschinger vom Landesamt für Umwelt. Auf 250 Tonnen schätzt er den kleineren der Felsen, die sich aus der Wand über dem Einfamilienhaus im oberbayerischen Stein an der Traun (Kreis Traunstein) gelöst hat.

Fachleute wie Poschinger sollen nun klären, warum der Burgberg nach mindestens einem Jahrhundert der Ruhe nun so plötzlich zwei Menschen das Leben genommen hat und zwei nur schwer verletzt davonkommen ließ. "Wir müssen nun den Fels begutachten. Wann wir zu einem Ergebnis kommen, kann man jetzt noch nicht sagen", sagt Poschinger.

Nach der ersten Besichtigung kann der Geologe nur eine allgemeine Einschätzung abgeben. Der Burgberg bestehe aus einem 200.000 Jahre alten Nagelfluh, "eigentlich ein festes Gestein". Es bildet sich aus lockerem Kies, der mit ausgeschwemmten Kalk verbunden wird.

Darin enthalten sind aber auch immer wieder Klüfte, in die Wasser eindringen kann. Wenn es durch kalte Temperaturen im Winter zu Frost kommt, dehnt sich die Flüssigkeit aus und entwickelt große Sprengkraft im Fels. Ob dieses in den Bergen alltägliche Phänomen das Unglück in Stein an der Traun ausgelöst hat, dazu kann Poschinger so früh noch nichts sagen.

Die beiden Überlebenden des Felssturzes werden wahrscheinlich wieder ganz gesund. Mutter und Sohn hätten Knochenbrüche, Weichteilverletzungen und Verletzungen an der Wirbelsäule erlitten, die jedoch insgesamt günstig zu beurteilen seien, sagt Professor Rupert Ketterl, ärztlicher Direktor des Klinikums Traunstein. Beide seien noch in der Nacht operiert worden. Er gehe davon aus, dass sie ihre bisherigen Aktivitäten nach der Genesung wieder aufnehmen könnten.

Noch am Morgen nach der Rettung kamen besorgniserregende Nachrichten aus dem Krankenhaus. Der behandelnde Arzt schloss bei der 40 Jahre alten Mutter, die als Letzte aus den Trümmern geborgen worden ist, Lebensgefahr nicht mehr aus. Der Zustand ihres ebenfalls schwerverletzten Sohnes ist stabil.

Im Video: Von einer vierköpfigen Familie starben der Vater und die Tochter unter den Trümmern. Mutter und Sohn konnten schwer verletzt geborgen werden. Weitere Videos finden Sie hier

Doch die zweite Hälfte der Familie hat es nicht geschafft. Den 45 Jahre alten Vater und seine 18-jährige Tochter haben die Rettungskräfte nur noch tot aus den Trümmern ziehen können. Die vier haben sich wohl alle in einem Raum befunden, bevor sie für immer getrennt worden sind.

Nachbar Adolf Stöger starrt auch am Morgen danach noch fassungslos auf die Trümmer und die Felsbrocken, die das Haus mit solcher Wucht nach niedergeschmettert haben, dass kein Mauerstein mehr auf dem anderen steht. "Wahnsinn", sagt er und schüttelt still den Kopf.

Am Abend zuvor ist er mit ein paar Freunden nur 100 Meter weiter beim Schafkopfen zusammengesessen. Gegen Viertel vor acht hören die Kartenspieler, dass etwas passiert sein muss. "Zuerst hat es geknarzt, dann hat es einen Tuscherer getan. Wir sind dann gleich raus. Zuerst haben wir nicht viel gesehen vor lauter Staub. Das war wie im Nebel. Und dann haben wir es gesehen."

Hier spricht er nicht weiter, schaut nur rüber zur Unglücksstelle.

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