Überraschender RückzugSöders Wunschkandidat Felßner will doch nicht Agrarminister werden

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Günther Felßner verkündet seinen Verzicht auf das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers.
Günther Felßner verkündet seinen Verzicht auf das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers. (Foto: Sven Hoppe/Sven Hoppe/dpa)

Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner steht nicht für ein Ministeramt in nächsten Bundeskabinett zur Verfügung. Nach einer Protestaktion von Aktivisten auf seinem Hof kündigt er seinen Rückzug an. Seine Frau habe Angst um Leib und Leben gehabt. CSU-Chef Söder drückt sein Bedauern aus.

Von Johann Osel und Olaf Przybilla, Nürnberg/München

Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner wird doch nicht Bundesagrarminister. Der Wunschkandidat von CSU-Chef Markus Söder kündigte am Dienstag überraschend an, nicht für das Amt zur Verfügung zu stehen. Der Grund sind massive Proteste gegen seine Berufung. „Ich bin nicht bereit, diese Gefährdung für mich und meine Familie hinzunehmen“, sagte Felßner am Dienstag.

Er sei ein Mann des Dialogs, sagte Felßner in München, und „ein Brückenbauer“, gerade auch mit Andersdenkenden. Aber „Drohungen, persönliche Anfeindungen, Diffamierung und Hasssprache“ seien nicht in Ordnung. „Sogenannte Aktivisten“, teilweise vermummt und mit einer Rauchbombe ausgestattet, hätten „unseren Hof überfallen“, sagte Felßner, seine Frau habe Angst um Leib und Leben gehabt. Er selbst war nicht anwesend, er war bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin.

Dies sei „ein schwarzer Tag für die Demokratie in unserem Land“, sagte Felßner. Er trug am Dienstagnachmittag seine Erklärung im Innenhof der Repräsentanz des Bayerischen Bauernverbands vor. Langsam lesend, erkennbar zitternde Hände, den Auftakt vor dem politischen Donnerschlag machte just ein echter – in München setzten gerade Regen und Unwetter ein.

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Mehrere Tierschutz-Aktivisten hatten am Montag auf dem Grundstück Felßners im Nürnberger Land gegen dessen Nominierung als Minister protestiert. Auf einem großflächigen Plakat war „Kein Tierausbeuter als Agrarminister“ zu lesen. Aktivisten hätten offenbar eine Scheune Felßners bestiegen, bestätigte Christian Seiler, Sprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken, am Dienstag. Man habe deren Personalien aufgenommen, nun werde wegen möglichem Hausfriedensbruchs ermittelt.

Da seien Grenzen überschritten worden, sagte Felßner, „das kann kein Umgang miteinander sein“. Es mache etwas mit einem, „wenn das Zuhause nicht mehr sicher ist“. Unter diesen Umständen stehe er nicht länger für das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers zur Verfügung.

Söder sagte am Dienstag, er sei traurig über die Entscheidung, die ihm Felßner am Montag mitgeteilt habe. Seine Berufung wäre die Chance gewesen, dass „endlich mal ein Fachmann“ Politik mitgestalte, nicht einer, der „vom Hörsaal ins Parlament“ wechsele. Die Protestaktion auf dem Hof nannte Söder feige und radikal, er sei empört über diesen Hass, diese Hetze. „Das ist nicht etwa Meinungsfreiheit, das ist ein kriminelles Verhalten.“ Das dürfe nicht ohne Folgen bleiben, es müsse eine Sonderermittlung geben.

Söder sagte, das große Interesse der CSU am Agrarressort sei weiterhin vorhanden. Nun werde ein neuer Kandidat oder eine neue Kandidatin gesucht, Personalentscheidungen würden jedoch erst ganz am Ende der Koalitionsverhandlungen getroffen. Bei Felßner wäre das einen Ausnahme gewesen. Er wies auf Nachfrage zurück, dass es andere Gründe als die Ereignisse der vergangene Tage für die Entscheidung gebe. Es sei vor allem der „Stalleinbruch“ gewesen, andere Dinge wie Unterschriftenaktionen hätte Felßner ausgehalten. Dieser wiederum sagte auf Nachfrage von Journalisten, ob noch andere Motive für den Rückzug eine Rolle spielten, etwa fehlender Rückhalt in der CSU-Landesgruppe: „Kompletter Schwachsinn“.

Die Aktivisten kritisierten in einer Erklärung vor Felßners Rückzug, der „Foodfluencer Markus Söder“ halte trotz massiver Kritik – etwa Petitionen – daran fest, Felßner zum Bundesminister zu küren.  Auch ein Strafbefehl gegen Felßner wegen Boden- und Gewässerverunreinigung aus dem Jahr 2018 halte Söder nicht von seinem Plan ab.

Offenbar mithilfe von Leitern waren zwei Aktivisten auf das Dach der Rinderhaltung geklettert und hatten ein Banner angebracht. Ein Dutzend weiterer Aktivisten hatte – Angaben von „Animal Rebellion“ zufolge – auf dem Betriebsgelände Plakate präsentiert mit Forderungen wie „Kein Lobbyist als Agrarminister“ und „Kein Umweltsünder als Agrarminister“.

Felßner habe sich als „denkbar ungeeignet“ für den Posten als Minister erwiesen, hatte die Aktivistin Scarlett Treml erklärt. Deshalb habe man beschlossen, so die Organisation, Felßner „aufs Dach“ zu steigen. Im SZ-Gespräch verwahrte sich Treml am Dienstag noch vor dem Rückzug Felßners gegen die Darstellung, die Aktivisten seien auf das Grundstück Felßners „eingedrungen“. Das bestiegene Gebäude sei nicht durch Mauer, Zaun oder Hecke abgetrennt vom öffentlichen Bereich, man habe „keinen Widerstand überwinden“ müssen. Die Aktion habe etwa zehn Minuten gedauert, man habe sich bei der Aufnahme der Personalien angeblich bewusst „kooperativ und super freundlich“ gezeigt.

Auf dem Hof von Günther Felßner protestierten Tierrechts-Aktivisten von „Animal Rebellion“ mit Plakaten.
Auf dem Hof von Günther Felßner protestierten Tierrechts-Aktivisten von „Animal Rebellion“ mit Plakaten. (Foto: Animal Rebellion)

Nach der Rückzugsankündigung Felßners erklärte Treml, sie bereue die Aktion nicht. Sollte diese zu dessen Rückzug beigetragen haben, sozusagen der Tropfen gewesen sein, „der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, so würden die Aktivisten diese Aktion im Nachhinein wieder so machen.

Bereits im November, also Monate vor der Bundestagswahl, hatte CSU-Chef Markus Söder die Personalie Felßner nach einer Vorstandssitzung der Partei präsentiert – er solle im Falle eines Wahlsiegs der Union als Landwirtschaftsminister „gesetzt“ sein.

Seit mehr als 20 Jahren engagiert sich der Landwirt im Bayerischen Bauernverband. Der 58-Jährige ist CSU-Mitglied und bislang nur kommunalpolitisch aktiv. Seine frühzeitige Benennung als Ministeranwärter durch Söder sollte auch die Ambitionen der konkurrierenden Freien Wähler von Hubert Aiwanger und dessen Zulauf im ländlichen Raum eindämmen.

Ein Bundestagsmandat konnte Felßner aber, obwohl auf Platz drei der CSU-Liste, wegen des mittelmäßigen Wahlergebnisses nicht erreichen. Das wurde im Vorfeld als Makel für die Berufung bewertet, weil diese Tatsache in der CSU-Landesgruppe kritisch betrachtet werden soll. In den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD ist Felßner aber Mitglied der Arbeitsgruppe „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt“.

Öffentliche Kritik an Felßner gab es wegen des Vorwurfs, es komme dadurch ein „Lobbyist“ ins Ministeramt; Felßner hatte sich stets dagegen verwahrt, der Bauernverband sei eine „Denkfabrik“ für die ganze Gesellschaft. Und zudem eben wegen der Umwelt-Verfehlung in der Vergangenheit. 2018 erhielt der konventionelle Landwirt einen Strafbefehl über 90 Tagessätze, es ging um Einleitung von Silo-Sickerwasser auf Flächen. Akzeptiert und abgeschlossen, sagte Felßner selbst dazu, „wo man arbeitet, kann ein Fehler passieren“. Online-Petitionen gegen einen Agrarminister Felßner – initiiert von der Kampagnen-Plattform Campact und vom Umweltinstitut München – berufen sich indes auch auf diese Geschichte.

Das Umweltinstitut distanzierte sich am Dienstag in einer Mitteilung von der Aktion auf Felßners Hof: „Protest gegen die Ernennung eines Agrarlobbyisten zum Minister ist legitim, darf aber die Grenzen des Anstands nicht überschreiten“ – etwa durch Aktionen, „die in die Privatsphäre von Politikerinnen und Politikern eingreifen“.

Der Nürnberger CSU-Chef Michael Frieser zeigte sich bestürzt über den Rückzug. Ihm habe Felßner zuvor „kreidebleich“ von der Aktion auf seinem Hof berichtet, Felßner habe diese offenkundig „schwer mitgenommen“. Sein Rückzug sei „bitterschade“, Felßner habe man in der CSU geradezu als „Baum der Beständigkeit und Resilienz wahrgenommen“. Die Aktion auf dessen Hof empfinde CSU-Mann Frieser als Ausdruck „menschenverachtender Ideologie“.

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