Fehlende Investitionen:Staatsregierung stolpert bei Barrierefreiheit

Treppe am U- und S-Bahnhof Heimeranplatz in München, 2012

Der Treppenaufgang der U- und S-Bahnstation Heimeranplatz: ein Aufzug fehlt an dieser Stelle.

(Foto: Stephan Rumpf)

Ein barrierefreies Bayern bis 2023 wollte Horst Seehofer erreichen. Nun entpuppt sich das Sonderinvestitionsprogramm als Mogelpackung. Statt der angekündigten 190 Millionen Euro steht nun wesentlich weniger Geld zur Verfügung.

Von Mike Szymanski

Das von Regierungschef Horst Seehofer (CSU) vor einem Jahr angekündigte Sonderinvestitionsprogramm, das Bayern bis 2023 komplett barrierefrei machen sollte, fällt nun immer kleiner aus. Wie das Sozialministerium jetzt einräumte, sind lediglich 20 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren als tatsächlich zusätzliche Mittel zu betrachten, die die Staatsregierung für diesen ehrgeizigen Plan in die Hand nimmt. Seehofer und seine Sozialministerin Emilia Müller hatten dagegen immer die Zahl von 190 Millionen Euro genannt. In diese Summe sind jedoch größtenteils bereits bestehende Programme eingerechnet, 30 Millionen Euro sind noch für spätere Jahre eingeplant. So etwas nennt man Haushaltstechnik.

Nach Einschätzung der Opposition wird die Staatsregierung die für 2023 versprochene Barrierefreiheit in Bayern nicht erreichen können, wenn sie nicht deutlich mehr Geld dafür ausgibt. Daran würden auch jene zwölf Millionen Euro, die die CSU-Fraktion ihrerseits in die Barrierefreiheit stecken will, kaum etwas ändern. Sozialministerin Emilia Müller geht von Kosten von weit mehr als 1,3 Milliarden Euro in den nächsten Jahren aus. Sie hatte am Donnerstag ihre Ministeriumsmitarbeiter vorgeschickt, um im Landtag einen Zwischenbericht abzugeben.

Bayern sollte in zehn Jahren barrierefrei sein

Vor einem Jahr hatte Seehofer in seiner Regierungserklärung versprochen, Bayern in zehn Jahren komplett barrierefrei zu machen. Obwohl der CSU-Chef immer wieder betont, Wahlversprechen würden Wort für Wort in die Tat umgesetzt, erklärte er sich in Sachen Barrierefreiheit jüngst nur noch für den staatlichen Bereich zuständig.

Die Kommunen und die Bahn beispielsweise müssten ihrerseits schauen, wie sie das Vorhaben umsetzen könnten. Daraufhin hatte der Städtetagspräsident, Nürnbergs OB Ulrich Maly, erklärt, ohne Hilfe des Freistaates sei das Ziel aus seiner Sicht nicht zu erreichen. Inzwischen hat man sich darauf verständigt, die Probleme in Arbeitsgruppen zu diskutieren.

Opposition enttäuscht über gernige Mittel

Wie wenig die Staatsregierung im vergangenen Jahr bei der Barrierefreiheit vorangekommen ist, wurde auch am Donnerstag im Sozialausschuss deutlich. Das Informationsangebot soll jetzt verbessert und mit Modellkommunen erste Erfahrungen gesammelt werden. Was den Bedarf angeht und wo besonders schnell gehandelt werden müsse, werde in einem "laufenden Prozess" geprüft. Die SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann zeigte sich enttäuscht: "Ein Jahr nach der Regierungserklärung hätte ich mir mehr Nachdruck gewünscht. Das uneingeschränkte Versprechen ist so nicht mehr erkennbar."

Hans Jürgen Fahn von den Freien Wählern beklagte, dass etwa 70 Prozent der Bahnhöfe nicht barrierefrei sei. Wenn er verfolge, wie viele Jahre es dauere, auch nur einzelne Bahnsteige umzubauen, frage er sich, wie das Ziel jemals erreicht werden soll. "Wie lange dauert es noch", fragte er in die Runde der Abgeordneten. "Hier bräuchte man einen Plan."

Neuer Bericht für Anfang 2015 geplant

Die Grünen-Abgeordnete Kerstin Celina bezeichnete es sogar als "aussichtslos", die Barrierefreiheit bis 2023 zu erreichen. Sie hatte nur Spott dafür übrig, dass Bayern mit dem von der Staatsregierung angepriesenen "Super-super-Haushalt" lediglich 20 Millionen Euro für den behinderten gerechten Ausbau der Infrastruktur übrig habe. Für all jene, die sich Hoffnungen gemacht hätten, sei dies eine "kalte Dusche". Sie zeigte sich verärgert darüber, dass man der Öffentlichkeit Geld, das für laufende Projekte längst eingeplant war, nun als Sonderinvestitionsprogramm verkaufe.

Der CSU-Gesundheitsexperte Hermann Imhof verteidigte dagegen die Pläne. Das Vorhaben sei "hochambitioniert", das bisher Erreichte vertretbar. Indirekt forderte er die Kommunalpolitiker auf, bei der Staatsregierung weiter zu bohren und Geld einzufordern. Sie seien "selbstbewusst genug", ihre Forderungen vorzutragen. Sein Parteikollege Thomas Huber sieht die Staatsregierung sogar als "Taktgeber", Bayern sei "wieder mal Vorreiter".

Damit provozierte er die SPD-Abgeordnete Waldmann, die über Vorhaben anderer Bundesländer berichten konnte. Andere seien bereits weiter. Für Anfang 2015 kündigte die Staatsregierung einen weiteren Bericht an.

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