FDP-Parteitag in Bayreuth:Martin Hagen zeigt sich kämpferisch

Landesparteitag FDP Bayern

Martin Hagen hat verkündet, dass er den Freistaat verklagen werde, sollten Staatsregierung und Landtag ganz Bayern zum Corona-Hotspot machen.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Mit 93,4 Prozent als neuer FDP-Vorsitzender gewählt, stimmt der 40-Jährige seine Partei auf den Landtagswahlkampf ein. Dabei nutzt er den Rückenwind aus Berlin.

Von Johann Osel, Bayreuth

Martin Hagen wird laut, redet sich in Rage, kämpft. Der Fraktionschef der FDP im Landtag steht in der Oberfrankenhalle in Bayreuth auf der Bühne, es ist seine Bewerbungsrede, um auch Landesvorsitzender zu werden. Der Kampf gilt aber weniger der Gunst der Delegierten, er ist einziger Kandidat und in der Raucherecke laufen zuvor Wetten, wie viel mehr als 90 Prozent er bekommt. Nein, der Kampf gilt CSU und Freien Wählern, der Staatsregierung. Hagen verwendet das Wort selbst: "Kampfansage."

Die Bürger, sagt er, "haben genug von den Schmutzeleien und der Egozentrik. Die Bürger haben genug von einer Regierung, die ihre Hausaufgaben nicht erledigt". Ministerpräsident Markus Söder (CSU) werde jetzt "einen zweijährigen Dauerwahlkampf gegen die Ampel-Politik im Bund führen", es gehe Söder nicht ums Land, sondern nur um die Macht der CSU. Zu Hubert Aiwanger: "Leider ist das Amt des bayerischen Wirtschaftsministers gefühlt vakant." 93,4 Prozent werden es schließlich, Martin Hagen ist als Nachfolger von Daniel Föst neuer Parteichef.

Natürlich schweben über diesem Landesparteitag am Wochenende die aktuellen Ampel-Verhandlungen in Berlin. Im Gespräch am Rande hört man da bei vielen Delegierten die Ansage, dass die Liberalen hart bleiben müssten in Kernpunkten, etwa "die Schuldenbremse nicht zu schleifen". Föst, Bundestagsabgeordneter und Beteiligter, sagt, dass bei den Runden in Berlin das Motto des Parteitags gelte: "Willkommen bei den Zukunftsmachern." Die Liberalen verhandelten nicht für Dienstwagenposten und Beamtenpensionen, sondern um ein anpackendes Bündnis zu schmieden. "Der Spirit ist geil", berichtet er aus den Verhandlungen. Föst empört sich über Söders Spruch vom "freien Süden und Ampel-Norden". Das sei "Gelaber", er frage sich, wann Söder seiner eigenen Partei "peinlich" werde. 2023 werde die CSU aber nach dem historisch schlechtesten Ergebnis der Bundestagswahl auch einen neuen Tiefpunkt im Land erreichen, seine FDP werde schon "dafür sorgen".

Der Wechsel an der Spitze erscheint folgerichtig

Denn eigentlich dreht sich in Bayreuth nahezu alles um jenes Jahr 2023 - die nächste Landtagswahl. Der Schwung der Bundestagswahl soll Aufwind bringen. Jüngste Umfragen für die Landtagswahl sehen die FDP sogar hierbei zweistellig. Strategisch soll es zu der Überlegung gekommen sein, dass sich Föst zurückzieht und bei Hagen Fraktions- und Parteivorsitz gebündelt werden. In Bayreuth auf der Bühne - ein bisschen Gelb, aber vor allem leuchtendes Magenta dominiert die Kulisse - prangen hinter dem Pult aufsteigende Pfeile in der Farbe. Ob damit das Parteimantra vom Aufstieg durch Leistung gemeint ist oder die erhoffte Entwicklung als politischer Faktor? Womöglich beides.

Tatsächlich erscheint der Wechsel an der Spitze folgerichtig. Martin Hagen, 40 Jahre alt, hat sich als Vorsitzender der kleinsten Fraktion im Landtag, die 2018 mit 5,1 Prozent knapp aus der außerparlamentarischen Opposition ins Maximilianeum einzog, viel Gehör verschafft. Er zählt im Landtag zu den talentiertesten Rednern, wenn ein Thema hochploppt, liefert er häufig rasch und zuverlässig den markantesten Satz des Tages dazu. In größeren Fraktionen kann man sich regelmäßig Neid anhören über Hagens mediale Präsenz und Schlagkraft. Föst als Parlamentarier in Berlin war da stets weniger auf dem Schirm im Freistaat. Er hat über acht Jahre gleichwohl Ruhe in den Laden gebracht, steht zudem für einige Erfolge bei Wahlen und kräftigen Mitgliederzuwachs.

Dass sich die FDP etablieren konnte, lag sicherlich auch an ihrer kritischen Haltung zu den Maßnahmen in der Pandemie. Zunächst hatte sich das nicht rentiert, mit Blick auf Wählerzustimmung. In Landtagsumfragen lag die FDP das ganze Jahr 2020 hindurch unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Man habe "in bester Tradition einer liberalen Bürgerrechtspartei" gehandelt, sagt Hagen, er erläutert die Entwicklung in der Pandemie so: "Unser Kurs in der Corona-Krise war zwar in der Sache richtig, entsprach aber zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht der Stimmung im Land." Doch die FDP habe "sich vom Gegenwind nicht umwerfen lassen" - so habe man "Profil und Glaubwürdigkeit gewonnen".

Es gelte, den "Mehltau der Merkel-Jahre zu überwinden"

Die Stimmung unter den Delegierten ist bestens, der ganze Parteitag gleicht am Ende einem gegenseitigen Schulterklopfen. Bildlich, die Corona-Regeln gelten selbstredend auch hier. In der Vergangenheit war die FDP keineswegs immer so geschlossen, Föst erinnert an Zeiten, in denen man "übereinander hergefallen" sei. Wer sich umhört, vernimmt Zufriedenheit allerorten. Selbst notorische FDP-Brummbären haben keine Sorgen vorzubringen, höchstens über die Sperrstunde in Bayreuther Kneipen. Viel Harmonie auch in der offenen Aussprache. Maximilian Funke-Kaiser, Chef der Jungliberalen und neuer Bundestagsabgeordneter, regt sich darüber auf, dass das starke Ergebnis der FDP bei Jungwählern von anderen Parteien schlechtgeredet werde. Es heiße, "die wussten nicht, was sie wählen sollen, die wollten nur wieder feiern gehen". Das stimme aber nicht, er sei im Wahlkampf stets auf gut informierte Erstwähler getroffen. Der frühere bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil lobt die "Standfestigkeit" seiner Partei in der Pandemie, jetzt gelte es, den "Mehltau der Merkel-Jahre zu überwinden".

Die Ehrenvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mahnt die Parteifreunde zur Besetzung des Themas Umwelt, "als effektiv handelnder Staat, nicht als Nanny-Staat". Und in der FDP dürften, wie früher durchaus geschehen, Freiheits- und Grundrechte "nicht lächelnd als Orchideenthemen abgetan werden". SPD und Grüne könnten dies nicht verkörpern, "die bedienen ihre Spezialthemen", bei den Liberalen liege die Freiheit dagegen "in der DNA".

Dauerbrenner auf dem Parteitag: die Digitalisierung. Thematisch. Und in der Praxis. Die Delegierten stimmen über ein Tool auf ihren Mobiltelefonen ab. Das Wlan in der Halle ist bockig, Hotspots mit Sitznachbarn sollen errichtet werden, einzelne Delegierte wirken etwas überfordert. Für Daniel Föst Anlass, nochmals auf die Berliner Verhandlungen zu verweisen: "Solange wir die Infrastruktur nicht im Griff haben, scheitert die Digitalisierung."

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