FCN-Fanklub aus Großbritannien:"Der 1. FC Nürnberg ist ein schlafender Riese"

Jon Goulding kommt aus Großbritannien, dem Mutterland des Fußballs, und hat sein Herz an den 1. FC Nürnberg verloren. Ein Gespräch über die bierselige Stimmung in deutschen Stadien, Höhenangst in der Allianz-Arena - und warum sich seine FCN-Liebe auch finanziell rechnet.

Tobias Dorfer

Jon Goulding ist Brite, Fußballfan - und einem deutschen Verein verfallen. Der FC Chelsea? Uninteressant! Manchester United? Nicht sein Fall. Lediglich dem Viertligisten Port Vale drückt der Lehrer die Daumen. Seine Liebe gilt jedoch dem 1. FC Nürnberg. Seit zehn Jahren fährt Goulding mehrmals im Jahr nach Deutschland, um die Partien des "Clubs" live anzuschauen. Zusammen mit anderen FCN-Fans aus Großbritannien er den 1. FCNUK gegründet, den einzigen englischen Fanklub des 1. FC Nürnberg. Über seine Erlebnisse in den deutschen Stadien hat Goulding ein Buch geschrieben, das seit Mai 2012 in deutscher Übersetzung erhältlich ist.

Jon Goulding

Jon Goulding hat sein Herz an den 1. FC Nürnberg verloren.

(Foto: Werkstatt Verlag)

Süddeutsche.de: Herr Goulding, herzlichen Glückwunsch. Der 1. FC Nürnberg spielt auch in der nächsten Saison in der ersten Bundesliga. Wie erleichtert sind Sie?

Jon Goulding: Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Das Team spielt seit drei Jahren erstklassig und hat nun die Möglichkeit, längerfristig etwas aufzubauen. Ich hatte während der Saison mehrfach Angst, dass der Club absteigen könnte und habe mich deshalb riesig gefreut, als nach dem Spiel gegen Hamburg der Klassenerhalt feststand. Am letzten Spieltag gegen Leverkusen war ich im Stadion und habe das Team gefeiert.

Süddeutsche.de: Sie sind Brite und kommen aus dem Mutterland des Fußballs. Wie konnten Sie Ihr Herz ausgerechnet an einen deutschen Verein verlieren?

Goulding: Es gibt auch eine Mannschaft in Großbritannien, die ich liebe. Port Vale ist kein erfolgreiches Team, die spielen in der vierten Liga, aber das ist mir egal. Ich bin jahrelang zu fast jedem Heim- und Auswärtsspiel gefahren. Doch dann kam der Punkt, wo es mir reichte. Fußball ist ein teures Hobby in England. Ein Spiel anzuschauen hat mich - inklusive Tickets, Bier und Zugfahrt - mehr als 50 Pfund (62 Euro, d. Redaktion) gekostet. Die Stadien in den unteren Ligen sind nicht voll, die Stimmung ist schlecht und Stehplätze gibt es auch nicht. Fan eines Premier-League-Clubs zu sein, ist noch teurer. Anhänger von Arsenal London oder Chelsea müssen für eine Saisonkarte mehr als 1200 Euro zahlen. Das macht keinen Spaß. So kam ich auf Deutschland. Schließlich hat der deutsche Fußball nach der WM 2006 in Großbritannien stark an Ansehen gewonnen.

Süddeutsche.de: Und wieso Nürnberg?

Goulding: Die Familie meiner Frau kommt von dort. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch im Frankenstadion. Es war ein kalter Oktobertag, das Stadion war halb gefüllt, Nürnberg verlor gegen Stuttgart mit 1:2. Dennoch haben die Fans in der Nordkurve das ganze Spiel über gefeiert. Die Stimmung war toll, das Ticket kostete mich acht Euro und ich durfte mein Bier auf die Zuschauertribüne mitnehmen. Zurück in Großbritannien habe ich angefangen, die Spiele des 1. FC Nürnberg im Fernsehen anzuschauen, bin immer öfter nach Deutschland gefahren. Und irgendwann haben wir den Fanclub gegründet.

Süddeutsche.de: Wie haben die Nürnberger Sie im Stadion aufgenommen?

Goulding: Sehr gut. Wenn ich nach Deutschland kam, dann immer mit einer Gruppe von Freunden. Nach zwei, drei Besuchen kannten wir schon andere Fans und begannen, mit dem Verein zu fühlen. Das steigerte sich bis zur Obsession.

Süddeutsche.de: Wie viele Mitglieder hat Ihr Fanclub?

Goulding: Wir sind 35 Mitglieder, die regelmäßig zu den Spielen fahren. Manchmal nach Nürnberg, aber oft auch zu den Auswärtsspielen, denn eine direkte Flugverbindung von Manchester nach Nürnberg gibt es nicht.

Süddeutsche.de: Ist das nicht teurer, als sich Fußballkarten in Großbritannien zu kaufen?

Goulding: Es geht. Wenn man fünf oder sechs Mal im Jahr ein Spiel des Clubs besucht, ist das immer noch günstiger als ein Saisonticket für ein viertklassiges britisches Team.

Süddeutsche.de: Haben Sie schon viel von Nürnberg selbst gesehen?

Goulding: Außer dem Stadion? Die Kaiserburg gefällt mir sehr. Ich laufe auch gerne an der Pegnitz entlang. Und die Kneipen sind klasse. Meine Lieblingsbar ist der Bahnhof Dutzendteich, gleich in der Nähe des Stadions. Dorthin gehen wir immer vor den Spielen. Das deutsche Bier ist das beste der Welt.

Süddeutsche.de: Sprechen Sie eigentlich fränkisch?

Goulding: Ich verstehe ein wenig. Aber das Sprechen überfordert mich. Wenn ich das eine oder andere Bier getrunken habe, geht es besser. Das erste deutsche Wort, das ich kannte, war "Abseits". Und die Vereinshymne "Die Legende lebt" kann ich natürlich auch mitsingen.

Höhenangst in der Allianz-Arena

Süddeutsche.de: In Ihrem Buch erzählen Sie, wie Sie in der Münchner Allianz-Arena Höhenangst bekamen. Wie konnte das passieren?

FCN-Fanklub in Berlin

Der schönste Tag für die britischen FCN-Fans: Der Pokalsieg 2007 im Finale über den VfB Stuttgart. Hier posiert der britische Fanklub vor dem Berliner Olympiastadion.

(Foto: oh)

Goulding: Die Ränge sind extrem steil. Der Club spielte gegen den FC Bayern und ich konnte mich nicht auf das Spiel konzentrieren, weil mir so flau im Magen war. In der Halbzeit bin ich nach unten gelaufen und stand plötzlich im Block der Bayern-Fans. Da musste ich aufpassen, dass keiner mein Fanshirt sah.

Süddeutsche.de: Wie ging das Spiel aus?

Goulding: 0:0 Unentschieden - für den FC Bayern ein blamables Ergebnis. Als der Schiedsrichter abpfiff, sprang ich vor Freude in die Höhe und jubelte. Dann erinnerte ich mich, dass ich mitten unter Bayern-Fans stand - und rannte schnell weg. Zum Glück war ich schneller.

Süddeutsche.de: Sie haben sich in ihrem Buch lobend über die Anbindung des Münchner Flughafens mit öffentlichen Verkehrsmitteln geäußert - aus Münchner Sicht eine Minderheitenmeinung...

Goulding: Ja? In Großbritannien ist es noch viel schlimmer. Viele Flughäfen kann man nur mit Bussen erreichen, da ist die Münchner S-Bahn recht fortschrittlich. Wir Briten lachen oft über die deutsche Effizienz. Vorsprung durch Technik und solche Sachen. Aber es ist toll. Vom Münchner Flughafen fährt ein Bus nach Freising und von dort aus geht ein Direktzug nach Nürnberg. In England hat man in dieser Zeit noch nicht einmal sein Gepäck.

Süddeutsche.de: Was bringen Sie von Ihren Deutschland-Ausflügen nach England mit?

Goulding: Senf. Den bayerischen und den scharfen Senf. In Großbritannien gibt es Aldi und Lidl, die deutsche Bratwürste verkaufen. Aber den Senf bekommt man da nicht.

Süddeutsche.de: Sie sind seit zehn Jahren Fan des 1. FC Nürnberg. Was war Ihr schönster Moment als Fan?

Goulding: Der Pokalsieg im Mai 2007. Ich war in Berlin im Stadion und es war mein erster Titel mit dem Club. Der erste von vielen, die noch kommen werden. Ich sehe Nürnberg als schlafenden Riesen, der nur darauf wartet, erweckt und ein großes Team zu werden.

Süddeutsche.de: In der nächsten Saison wird es ein Franken-Derby geben, weil Greuther Fürth den Bundesliga-Aufstieg gepackt hat. Freuen Sie sich schon auf das Duell im Stadion?

Goulding: Und wie. Ich weiß allerdings noch nicht, ob ich live dabei sein werde. Mein Problem ist, dass ich Lehrer bin und deshalb eigentlich nur zu den Samstagsspielen fahren kann. Notfalls schaue ich das Derby im Fernsehen.

Süddeutsche.de: Die Briten wetten gerne. Wenn Sie wetten müssten: Welchen Platz schafft der Club in der nächsten Saison?

Goulding: Wenn ich mit dem Herzen wetten müsste, würde ich sagen: Platz fünf. Mein Kopf sagt mir dagegen Platz zehn.

Süddeutsche.de: Und wenn Sie mit dem Geldbeutel wetten müssten?

Goulding: Dann wird es wohl irgendetwas über dem 15. Platz.

Bratwurst! Bier! Stehplätze!: Ein englischer Fan in deutschen Stadien, Verlag Die Werkstatt, 240 Seiten, 14,90 Euro.

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