Cloud-Dienste:Wie der FC Bayern die Daten seiner Fans auswertet

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Die Arena des FC Bayern hat 75 000 Plätze. Jeder Besucher hinterlässt eine digitale Spur. (Foto: Etsuo Hara/Getty Images)
  • Jeder Fußballfan im Stadion vom FC Bayern produziert Daten, die der Verein auswertet, um seine Besucher an den Club zu binden.
  • Dafür kooperiert er mit dem Software-Konzern SAP.
  • Bis zu 250 verschiedene Attribute werden pro Fan gespeichert.

Von Helmut Martin-Jung, München

Endlich Halbzeit in der Bundesliga-Partie: Der Trainer hat nun die Gelegenheit, der Mannschaft sein Konzept zu vermitteln, mit dem sich die kompakte Abwehr des Gegners ausspielen lässt. Für die 75 000 Fußballfans in der Arena in München-Fröttmaning heißt "Endlich Halbzeit" das: Schnell mit den Kids aufs Klo oder zusehen, dass man eine Wurst und eine Limo bekommt, bevor es nach 15 Minuten auf dem Rasen wieder weitergeht. Diese logistische Großaufgabe zu bewältigen, dabei hilft dem deutschen Rekordmeister nicht bloß die langjährige Erfahrung. Jeder Vorgang produziert Daten, die gesammelt und ausgewertet werden. Wie viele Menschen haben die Drehkreuze an den Eingängen passiert, wie ist die Belegung der Parkhäuser, wie viele Becher Bier wurden verkauft, wie viele Portionen Pommes?

Herr über all diese und noch eine ganze Menge anderer Daten der FC Bayern AG ist IT-Chef Michael Fichtner. Wie jede größere Firma muss auch der geschäftliche Part des Rekordmeisters darauf achten, in der digitalen Welt nicht den Anschluss zu verlieren. Der FC Bayern gehört zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Vereinen der Welt, hat aber gegenüber etwa der Premier League in England den Nachteil, dass die Einnahmen durch TV-Verträge nicht so astronomisch hoch sind wie dort.

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Zusammen mit dem FC Bayern arbeitet das Unternehmen etwa an einer Rasen-App - oder an Akkustik-Kameras, um die "Fan-Energie" abzubilden.

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Umso wichtiger ist es für das Unternehmen, das Geschäft rund um den Fußball am Laufen zu halten. "Wir haben fünf Millionen Geschäftskunden", sagt Fichtner, was aber fehle, sei eine 360-Grad-Sicht auf diese Kunden. Denn: Der FC Bayern verfolgte lange die "Best-of-Breed"-Strategie. Das heißt, für unterschiedliche Aufgaben wurden nicht weniger als 52 unterschiedliche IT-Systeme benutzt, die zwar ihre jeweilige spezielle Aufgabe gut erfüllten, aber ihre Daten nicht miteinander austauschen konnten. Fichtner will sie nicht alle abschaffen, aber eines ist ihm wichtig: Jeden Kunden, sei er Lieferant oder Fan, soll es in den Systemen nur einmal geben.

Deshalb hat sich auch der Traditionsclub für die Cloud geöffnet, die diesen Datenaustausch erleichtert. Partner dafür ist seit vier Jahren SAP. "Unsere digitale Plattform fungiert als Bindeglied zwischen den Daten der verschiedensten Formate", sagt Hartmut Thomsen, der bei dem Walldorfer Software-Konzern die Geschäfte in Mittel- und Osteuropa leitet.

SAP gehörte nicht zu den ersten, die auf die Cloud setzten. Zu lukrativ war das Geschäft mit dem Verkauf von Software-Lizenzen, die in den Rechenzentren der Kunden - Fachjargon: On premise - liefen und die stets mit gut dotierten Wartungsverträgen für SAP einhergingen. "2009 war unser Umsatz mit Cloud-Produkten unter 100 Millionen", sagt Thomsen, "in diesem Jahre übersteigt er erstmals die Umsätze mit On-Premise-Produkten."

Bis zu 250 Attribute pro Fan werden gespeichert

Mit der Cloud stand SAP anfangs auch nicht gerade auf du und du, wie Thomsen freimütig zugibt, "die Cloud-DNA fehlte uns." Doch als sich die Anforderungen an die IT mehr und mehr wandelten hin zu intelligenten Systemen, musste sich der Konzern öffnen. Zukäufe brachten Cloud-Kompetenz ins Unternehmen, aber auch die Kern-Produkte können nun via Internet bezogen und genutzt werden, für eine Mietgebühr anstelle einmaliger Lizenzkosten.

Über allem steht vor allem ein Ziel, das SAP von seinen Kunden und die wiederum von ihren Kunden zu hören bekommen: Jene wollen gut bedient, wollen als Kunden ernst genommen werden. Wenn sie sich einmal angemeldet haben, erwarten sie zum Beispiel, dass sie auch bei anderen Angeboten des Vereins nicht noch einmal alle ihre Daten angeben müssen.

Für den Verein sind die Daten viel wert. Bis zu 250 verschiedene Attribute werden pro Fan gespeichert: Ist er Mitglied? Hat er eine Dauerkarte? Wer ist sein Lieblingsspieler? So könne man die Fans gezielt mit personalisierten Botschaften ansprechen und ihnen etwa vor dem Geburtstag ein Trikot des Lieblingsspielers als Geschenk vorschlagen. 650 Millionen Fans weltweit hat der FC Bayern. "Wir versuchen, sie immer wieder zu begeistern", sagt IT-Chef Fichtner, "dafür müssen wir sie aber auch kennen." Selbst produzierte digitale Angebote wie FC Bayern TV sollen die Fans zusätzlich an ihren Verein binden.

Ein wichtiger Punkt ist die Kommunikation mit den Fans. Es gebe "emotionale Peaks", wie Fichtner das nennt, besondere Ereignisse also, nach denen viele Fans sich an den Verein wenden und natürlich mit einer raschen Antwort rechnen. "10 000 Mails am Tag sind keine Seltenheit", sagt der IT-Chef, "das müssen wir erkennen und darauf reagieren." Mit SAP arbeitet der Verein daher daran, die Servicequalität zu erhöhen. Ein Chatbot, also ein intelligentes sprachgesteuertes System, soll einen Teil der Mails selbständig erledigen, ohne dass Menschen eingreifen müssen.

Die Kunden erfahren allerdings gleich zu Beginn, dass sie nicht mit einem Menschen kommunizieren. Trotzdem versucht man, über vorgefertigte, schematische Antworten hinauszukommen. Der Bot soll außerdem Emotionen erkennen können, um den Fall an einen menschlichen Mitarbeiter zu übergeben, wenn die Gefahr besteht, einen Kunden zu verärgern oder der ein Problem hat, das der Bot nicht lösen kann. Denn was nicht passieren darf, ist, die wertvolle Marke zu gefährden. Unter diesem Vorbehalt stehe jegliche Neuerung in der IT beim FC Bayern, sagt Fichtner.

Datenerfassung und -auswertung spielt aber natürlich auch im sportlichen Bereich eine immer größere Rolle. Das geht von den Vitaldaten der Spieler, der Leistungsdiagnostik bis hin zur automatischen Erkennung von Mustern aus Videodaten, etwa: "Wie agiert der Gegner bei Standardsituationen", nennt Fichtner als Beispiel. Daten von spezialisierten Firmen werden mit den selbst erfassten zusammengebracht - viel Stoff für die Laptops der Trainer. Auch wenn die zweite Halbzeit durch ist und der Schiedsrichter abgepfiffen hat.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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