Vielleicht hat er tatsächlich mit sich gerungen. Vielleicht ist sein Outfit aber nur ganz praktisch dem Umstand geschuldet, dass er direkt von der Sicherheitskonferenz in München die fast 300 Kilometer nach Veitshöchheim geeilt ist und keine Zeit mehr hatte, sich, wie früher, stundenlang zu schminken und zu verkleiden. Vielleicht aber verwandelt sich Markus Söder bei der Fastnacht in Franken deswegen nicht mehr in Shrek, Gandalf oder Marilyn Monroe, weil er es nicht mehr muss. Er muss nicht mehr auffallen um jeden Preis, um wahrgenommen zu werden, er ist in seiner Traumrolle angekommen. Er steht kraft Amtes im Mittelpunkt. Söder ist bayerischer Ministerpräsident. Also ist Söder gekommen als - Ministerpräsident. Im schwarzen Smoking und einer mit bunten Karos getupften, schwarzen Fliege. Vor allem aber mit einer blendenden Laune.
Kurz vor der Sendung schmeichelte ihm eine Umfrage, wonach erstaunlich viele Menschen ihn für einen probaten Kanzlerkandidaten halten würden. Nun sitzt er ziemlich entspannt in den Mainfrankensälen von Veitshöchheim. Dort haben ihn die Fastnachter - hübsche Kostüme hin oder her - in der Vergangenheit oft ziemlich kühl empfangen. Und von der Bühne gab es für Söder jedes Jahr mächtig was zwischen die Hörner. Inzwischen aber reitet Markus Söder selbst in Veitshöchheim auf einer lange nicht für möglich gehaltenen Sympathiewelle. Für die restliche im Saal versammelte Polit-Prominenz blieben nur Statistenrollen; Söders Stellvertreter Hubert Aiwanger etwa musste anderthalb Stunden warten, ehe er zum ersten Mal im Programm vorkam.
Faschingskostüme:Die vielen Gesichter des Markus Söder
Bei der "Fastnacht in Franken" ist der designierte bayerische Ministerpräsident schon als Homer Simpson, Marilyn Monroe oder Edmund Stoiber aufgeschlagen. Diesmal gibt er den Landesvater.
Söders Empfang im Saal eine halbe Stunde vor Beginn der Sendung ist sehr freundlich. Als er nach der Show auf die Bühne klettert und die Aktiven lobt, wirkt das nicht aufgesetzt und weniger routiniert, als es in Wahrheit ist. Danach nimmt sich Söder viel Zeit für Smalltalk, Selfies und Erinnerungsfotos mit Aktiven und Besuchern und als er auch noch eine Mütze der Karnevalsgesellschaft Besenbinder aus Röttenbach aufsetzt, kreischen die Gardemädchen um ihn herum vor Begeisterung.
Zu diesem Zeitpunkt liegen vier Stunden Livesendung hinter allen Beteiligten. Die 33. Auflage der Prunksitzung des Fastnachtverbands Franken war eine der längsten, vor allem aber eine der besten. Die Künstlerinnen und Künstler bewiesen, dass Fastnacht keineswegs platt und spießig sein muss. Frech- und Derbheiten, politische Satire und Klamauk waren fein austariert, die Sticheleien saßen, verbal gefochten wurde intelligent mit dem Florett und sehr selten nur mit dem Säbel. Als Michl Müller den bayerischen Bauernverbandspräsidenten entdeckt, frotzelt er: "Heut' kein Bauernprotest? Ist der Bulldog verreckt?"
Fastnacht in Franken:Auch eine Fliege kann eine subtile Botschaft sein
Eine Eiskönigin, eine Kaiserin und ein Ministerpräsident als, nun ja, Ministerpräsident: Mit ihren Kostümen wollen Politiker in Veitshöchheim meist etwas aussagen. Nicht immer gelingt das.
Das musikalische Programm wurde durch den Auftritt der Ansbacher A-capella-Boygroup Viva Voce auf eine neue Ebene gehoben. Büttenredner Peter Kuhn gelang ein brillanter, hintersinnig gereimter Auftritt als Brexit-Brite, der quasi nebenbei mit Höcke und den Nazis abrechnete. Der Saal feiert ihn dafür, die Zuschauer stehen auf und klatschen ausdauernd. Volker Heißmann und Martin Rassau karikierten die Päpste Benedikt und Franziskus, die es in die fränkische Diaspora verschlagen hatte, obwohl Benedikt doch eigentlich eine Leberkassemmel in Altötting hatte essen wollen. "Das hier ist schlimmer als der Amazonas", schimpft er.
Musikkabarettist Matthias Walz erntete für seine lässigen Songs über die Schulferiendebatte nicht nur schallendes Gelächter von Söder, sondern auch begeisterte "Zugabe"-Rufe. Und die Altneihauser Feierwehrkappell'n kokettierte augenzwinkernd mit ihrem Macron-Witz, der vor zwei Jahren noch wütende Proteste ausgelöst hatte.
Am Samstagvormittag wird bekannt: Bundesweit 3,81 Millionen Menschen schauten zu, in etwa so viele wie 2019. Das entspricht einem Marktanteil von 14 Prozent. In Bayern erreichte die Sendung sogar 49,7 Prozent Einschaltquote.