Süddeutsche Zeitung

Sozialpolitik:Söder setzt sich beim Familiengeld durch

  • Der monatelange Streit zwischen Bund und Freistaat um das Familiengeld scheint beigelegt.
  • In Zukunft sollen alle Hartz-IV-Empfänger in Bayern davon profitieren.
  • Dies will die Staatsregierung mit einer Änderung des Familiengeldgesetzes erreichen, die das Kabinett am Dienstag besprechen soll.

Von Lisa Schnell

Vom Familiengeld sollen in Zukunft alle Hartz-IV-Empfänger in Bayern profitieren. Dies will die Staatsregierung mit einer Änderung des Familiengeldgesetzes erreichen, die das Kabinett am Dienstag besprechen soll. Der monatelange Streit zwischen Bund und Freistaat wäre damit beigelegt. An seinem Ende steht wohl eine Kompromisslösung, im Ergebnis hat sich Ministerpräsident Markus Söder durchgesetzt.

Söder hatte im Wahlkampf angekündigt, das neue Familiengeld werde allen Familien im Freistaat zugutekommen. Es beträgt monatlich 250 Euro pro Kind im Alter von 13 bis 36 Monaten. Das von SPD-Mann Hubertus Heil geführte Bundessozialministerium beharrte jedoch darauf, dass es auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden müsse. Im Großteil Bayerns, in dem der Bund für die Auszahlung zuständig ist, hatten deshalb ausgerechnet bedürftige Familien nichts davon. Die dem Vernehmen nach mit dem Bund abgesprochene Gesetzesreform soll das nun ändern.

Sie soll offenbar den juristischen Bedenken des Bundes entgegenkommen. Dabei geht es um die Frage, welchem Zweck das Familiengeld dient. Nur wenn dieser sich ausdrücklich von dem der Grundsicherung unterscheide, könne es auch an Hartz-IV-Empfänger ausgezahlt werden. Ansonsten müsste es als Einkommen mit der Grundsicherung verrechnet werden. Als ein solcher Zweck könnte etwa der Ausgleich für die Erziehungsleistung im Gesetz genannt werden. Eine Einschränkung des Familiengeldes für manche Bevölkerungsgruppen, etwa durch eine Koppelung an die Erwerbstätigkeit der Eltern, wie es auch zeitweise diskutiert wurde, soll es nicht geben.

Umstritten ist noch, ob die Gesetzesnovelle rückwirkend greifen soll, also die Frage: Bekommen die Hartz-IV-Empfänger, die bis jetzt nicht profitierten, ihr Geld zurück? Seit September wird die neue Sozialleistung ausgezahlt. Laut Sozialministerium sind weniger als zehn Prozent der Familiengeldempfänger betroffen. Sie sollten das Familiengeld nachträglich angerechnet bekommen, so wird das im bayerischen Sozialministerium gesehen. Der Bund müsse dafür aufkommen, schließlich habe er sich das Geld ja gespart, so die Argumentation. Der Freistaat zahlte das Familiengeld an alle Betroffenen aus, die vom Bund koordinierten Jobcenter reduzierten die Auszahlung der Hartz-IV-Leistungen um diese Summe. Ob der Bund dieser letzten Forderung des Freistaats folgt, ist noch nicht bekannt.

Der kommende Kompromiss dürfte bei Normalbürgern und Nichtjuristen zu der Frage führen: Wenn nur eine kleine Gesetzesänderung nötig gewesen wäre, warum dauerte der Streit dann so lange? Warum wurden rechtliche Gutachten verfasst und sogar mit einer Klage gedroht, wie es kürzlich Söder tat?

Die Gründe für den Zwist und die nun bevorstehende Einigung sind mannigfaltig und klingen in Berlin und Bayern unterschiedlich. Dass ein SPD-geführtes Bundesministerium einen CSU-Kandidaten im Wahlkampf ausbremst, wird in der CSU als Wahlkampfmanöver gewertet. Die Berliner Sicht ist dagegen, dass die bayerische Staatsregierung nicht fähig sei, ein juristisch einwandfreies Gesetz zu formulieren. Erst nach der Wahl soll die Rechtsberatung aus Berlin auf offene Ohren gestoßen sein.

In der CSU wird davon ausgegangen, dass das neue Gesetz noch vor der Sommerpause vom Landtag beschlossen werden könnte

Wie es auch gewesen sein mag: Der bayerischen SPD hat die Initiative ihres Bundesministers nicht unbedingt geholfen im Wahlkampf. Söder wies bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass ausgerechnet die SPD sozial Schwachen Geld vorenthalte und auch SPD-Fraktionschef Horst Arnold sagt: "Für juristische Diskussionen haben sozial Bedürftige oft nur geringes Verständnis." Aber natürlich sei das Gesetz von der CSU auch "handwerklich schlecht gemacht" gewesen. Die Staatsregierung müsse nun dafür sorgen, dass die Leistung rückwirkend ausgezahlt werden kann. Dass es nun zu einer Einigung kam, liege auch an den vielen Anregungen von bayerischen Genossen in Richtung Berlin. In der CSU erklären sie sich die Kompromissbereitschaft im Bund dagegen eher mit der Klagedrohung von Söder und dessen neuer Funktion als Parteivorsitzender. Die SPD in Berlin dürfte daran interessiert sein, es sich mit dem neuen Chef nicht gleich zu verscherzen.

In der CSU wird davon ausgegangen, dass das neue Gesetz noch vor der Sommerpause vom Landtag beschlossen werden könnte. Freie Wähler, Grüne, AfD und FDP würden eine solche Gesetzesänderung begrüßen. Sie müsse aber auch rückwirkend gelten, sagt Martin Hagen (FDP). Ludwig Hartmann (Grüne) findet das Familiengeld generell nicht gerecht. Warum der Porschefahrer genauso profitieren solle wie eine alleinerziehende Mutter, sei ihm nicht einsichtig.

Update vom 1.2.: Der Bund verzichtet ab sofort bei Neuanträgen auf die Anrechnung des Familiengeldes auf Hartz-IV-Zahlungen und hat sich zudem bereiterklärt, schon angerechnete und damit einbehaltene Zahlungen zurückzuerstatten. Wann das passiert, ist noch offen.

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SZ vom 01.02.2019/smb
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