Falschparker in Augsburg:"Ich werde mich über Sie beschweren"

Falschparker in Augsburg: Das Team um Parkwächterin Annett Müller von der Stadt Augsburg besteht fast komplett aus Frauen: "Wir haben bei sowas ein besseres Händchen."

Das Team um Parkwächterin Annett Müller von der Stadt Augsburg besteht fast komplett aus Frauen: "Wir haben bei sowas ein besseres Händchen."

(Foto: Korbinian Eisenberger)

Nur in München werden noch mehr Knöllchen verteilt: Als Verkehrsüberwacherin stellt Annett Müller etwa 8500 Strafzettel jährlich in Augsburg aus und bringt damit einige Autofahrer in Rage. Aber auch sie muss sich einiges gefallen lassen: Bei ihrer Arbeit wird Müller beschimpft - und im Extremfall sogar verfolgt.

Von Korbinian Eisenberger

Durch die Gassen von Augsburg dröhnt das Rattern eines Presslufthammers. Zwischen Baumaschinen und Straßensperren schiebt sich eine Autokolonne durch das Georgs- und Kreuzviertel. Ein Mann quetscht seinen Golf in eine Parklücke, neben ein blaues Parkschild. Von der gegenüberliegenden Straßenseite haben ihn bereits zwei strenge Augen erfasst.

Wenn der Parkscheinautomat 15 Uhr anzeigt, fahndet Annett Müller bereits seit Stunden nach Falschparkern. Jetzt hat die Nachmittagsschicht begonnen. Die 44-jährige Parkwächterin marschiert an einer Reihe geparkter Autos vorbei. Bei jedem Wagen schaut sie im Vorbeigehen auf die Windschutzscheibe und scannt mit ihren Augen das Armaturenbrett ab.

Annett Müller ist Teamleiterin bei der Verkehrsüberwachung der Stadt Augsburg. Zusammen mit zwei Kolleginnen koordiniert die Angestellte drei Teams mit 40 Parkwächtern. Fast alle sind Frauen. "Wir haben bei so was ein besseres Händchen", sagt Müller. Ihr Team ist streng - hinter München ist Augsburg die Stadt mit den meisten Knöllchen.

Müller bleibt neben einem Fiat stehen. Unter den Scheibenwischern zittert ein Papierfetzen im Wind. Ihre Kollegin ist die Straße am Mittag bereits abgegangen. Müller tippt etwas in ihren Handcomputer und tauscht den Strafzettel gegen einen neuen. Innerhalb von zwei Stunden hat sich die Summe für den Falschparker verdreifacht. "30 Euro" - und die Stellung der Ventile der Reifen hat sie vermerkt. Sie verzieht dabei keine Miene. Zur Sicherheit macht sie ein Foto.

Zwanzig Minuten - fünf Knöllchen

Zwanzig Minuten später hat Müller fünf Windschutzscheiben dekoriert. Jetzt tippt sie das Kennzeichen eines BMW in ihr Gerät ein. "Mobiler Parker" erscheint auf dem Bildschirm. Der Fahrer hat seinen Parkschein per Handy gelöst. In Augsburg und in vielen anderen bayerischen Städten müssen Autofahrer nach dem Parken nicht mehr Münzen in einen Automaten werfen - die Gebühr kann mit wenigen Klicks per Smartphone abgebucht werden.

Müller ist jetzt auf dem Weg in die Innenstadt. Vor einem Bürogebäude hält ein Kleinwagen auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz. Ein grauhaariger Mann öffnet die Beifahrertür und klettert auf Krücken gestützt aus dem Auto. Als sein Blick auf Müllers Uniform fällt, kneift er die Augen zusammen. "Wollen Sie mir jetzt einen Strafzettel geben?", schnauzt er sie an. Sie erklärt, dass seine Fahrerin ohne Behindertenausweis nicht länger als vier Minuten stehen bleiben dürfe. Das Gesicht des Mannes ist jetzt rot angelaufen. "Ich bin gerade frisch operiert worden!", schimpft er. "Über Sie werde ich mich beim Oberbürgermeister beschweren!" Dann steigt er zurück in den Wagen und setzt sich neben die Frau auf dem Fahrersitz.

Für viele ist die blaue Dienstuniform eine Provokation. Wenn Annett Müller durch die Straßen von Augsburg patrouilliert und Strafzettel verteilt, bekommt sie oft böse Blicke und Beschimpfungen. Vor allem Männer reagieren gereizt, wenn die blonde Frau mit dem sperrigen Handapparat in der Nähe ihres Autos auftaucht. "Die wollen sich von einer Frau in Uniform nichts sagen lassen", sagt Müller. "Besonders, wenn sie selbst in weiblicher Begleitung sind und den Starken markieren."

Das Handy immer griffbereit

Um in Extremsituationen die Kontrolle zu behalten, werden die Teams zweimal im Jahr von einem Psychologen geschult. Nicht in die Ecke drängen lassen und das Handy immer griffbereit haben, lautet die oberste Regel.

Im Advent 2012 wäre eine Situation beinahe eskaliert. Ein Mann sei über seinen Strafzettel so erbost gewesen, dass er Annett Müller mit dem Auto im Schritttempo verfolgte. Schließlich stieg er aus und heftete sich so dicht an ihre Fersen, dass sie seinen Atem im Nacken spürte. Erst nach einer halben Stunde ließ er von ihr ab. Nach Schichten wie diesen schläft die zweifache Mutter schlecht. Dann fragt sie sich, was sie hätte besser machen können. Hätte sie ein Auge zudrücken sollen? Eigentlich sollte sie in solchen Fällen die Polizei alarmieren, sagt Müller. Es wäre das erste Mal in den elf Jahren gewesen, die sie als Parkwächterin arbeitet.

Es ist 15.55 Uhr. In einer knappen Stunde hat Müller dreizehn Knöllchen verteilt. Ein für ihr Gebiet eher unterdurchschnittlicher Stunden-Ertrag von 200 Euro wird in die Kasse der Stadt Augsburg fließen. Im vergangenen Jahr hat Annett Müller etwa 8500 Strafzettel an Windschutzscheiben befestigt und der Stadt um die 135.000 Euro beschert. Den jährlichen Umsatz für Augsburg schätzt sie auf etwa 2,5 Millionen Euro. Annett Müllers Stundenlohn liegt bei neun Euro netto.

Wie es mit Kulanz aussehe, will ein Mann in der Fußgängerzone wissen. "Wenn, dann nur ein paar Minuten", sagt Annett Müller. Auch in der engen Parklücke im Georgs- und Kreuzviertel ist hinter der Windschutzscheibe des schwarzen Golfs jetzt ein Parkschein zu erkennen.

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