Kriminalität:Mit welchen Methoden falsche Polizisten ihre Opfer am Telefon bedrohen

Falscher Polizist

Am Telefon geben sich Betrüger als Polizisten aus.

(Foto: dpa)

6,8 Millionen Euro erbeuteten Betrüger 2018 in Bayern. Nun steht ein Mann in Nürnberg vor Gericht. Der Fall zeigt, wie vor allem alte Menschen unter Druck gesetzt werden.

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Auf dem Display ist die Nummer 110 zu sehen, die Anrufer melden sich spät abends und geben sich als besorgte Polizisten mit soliden deutschen Namen wie Lehmann oder Bader aus. Sie machen es dringend. Ihr Vermögen sei akut in Gefahr, warnen sie ihre Gesprächspartner sinngemäß und lügen munter weiter drauf los - etwa so: Wir haben gerade Einbrecher gefasst und einen Zettel mit den Adressen möglicher Opfer gefunden. Da stehen Sie drauf! Ein Teil der Bande ist auf der Flucht. Deshalb müssen wir das Geld schnell in Sicherheit bringen - wir holen es ab.

Es sind vor allem ältere Menschen, die mit diesem Betrugstrick ausgenommen werden. Die Täter operieren in organisierten Strukturen, meist von Callcentern aus, wo sie in Telefonbüchern nach Menschen mit alten Vornamen und Festnetzanschluss suchen. Tausende werden durchtelefoniert, bis ein Betrug gelingt. Das Phänomen hat in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft zugenommen.

Die Täter sind bundesweit aktiv, insbesondere in Ballungsräumen wie München oder Nürnberg. Allein in Bayern konnten Betrüger mit der Polizistenmasche im vergangenen Jahr mindestens 6,8 Millionen Euro erbeuten, heißt es aus dem Landeskriminalamt. Beim Polizeipräsidium Mittelfranken wurden im vergangenen Jahr 2500 Fälle von versuchtem Betrug mit dem Polizistentrick bekannt. Erfolgreich waren die Anrufer nur in 37 dieser Fälle, doch der Schaden war enorm. Insgesamt 1,5 Millionen Euro konnten die falschen Polizisten ihren Opfern abnehmen.

Seit Mittwoch muss sich einer der mutmaßlichen Beteiligten vor dem Landgericht Nürnberg verantworten. Der 27-jährige Angeklagte wurde im November 2018 in Nürnberg festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er soll zwar kein Drahtzieher, sondern nur ein Handlanger gewesen sein, doch die Ermittlungen in diesem Fall zeigen anschaulich, wie alte Menschen psychisch so destabilisiert und unter Druck gesetzt werden, dass sie am Ende ihr Erspartes herausrücken.

Besonders schwere Geschütze sollen die Betrüger bei einer 78-jährigen Nürnbergerin aufgefahren haben. Laut Staatsanwaltschaft meldete sich der Anrufer am 9. April 2018 um kurz nach halb zehn Uhr abends bei der Frau. Er sagte, dass er bei der Kriminalpolizei Nürnberg arbeite, und versuchte es mit der üblichen Mär von der Einbrecherbande und dem Notizzettel.

Das potenzielle Opfer zog wohl nicht so recht, jedenfalls behauptete der falsche Polizist dann, dass das Telefon der Frau von den Verbrechern abgehört werde, und verlangte ihre Mobilfunknummer. Auf dieser Leitung telefonierte er dann weiter mit ihr, und zwar mehr als eineinhalb Stunden lang.

Am Ende legte die Frau 70 000 Euro vor die Wohnungstür

Folgt man der Staatsanwaltschaft, hat der angebliche Kripo-Beamte der Frau üble Schauermärchen aufgetischt. Das Haus sei umstellt, die Täter hätten Maschinenpistolen dabei und würden sie erschießen, wenn sie das Haus verlasse. Ihr Sohn sei schon getroffen worden und schwer verletzt. Auch mehrere Polizisten seien angeschossen worden. Wenn sie weiter zögere und das Geld nicht endlich in Sicherheit bringe, sei sie schuld daran, dass Beamte ihr Leben verlieren würden.

Dann drohte der Anrufer der Frau offenbar sogar damit, dass sie sich wegen Mordes an Polizisten durch Unterlassen verantworten müsse und einem Haftrichter vorgeführt werde, wenn sie nicht endlich handle. Am Ende konnte die Frau wohl gar nicht anders, als die 70 000 Euro, die sie zu Hause aufbewahrte, vor die Wohnungstür zu legen.

Dem Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, sich im Jahr 2018 am Betrug von mindestens neun Männern und Frauen beteiligt zu haben. Im normalen Leben Vertriebsmitarbeiter, habe er abends für eine kriminelle Bande die Rolle des Abholers übernommen und die Plastiktüten oder Stofftaschen voller Geld eingesammelt, die von den verängstigten Opfern auf Anweisung mal auf den Vorderreifen ihres Autos, mal neben Mülltonnen zur Abholung bereit gelegt worden waren.

Von einem der Opfer soll der Angeklagte persönlich Goldbarren im Wert von 100 000 Euro und eine Münzsammlung in Empfang genommen haben. Für seine Dienste bekam er laut Staatsanwaltschaft je nach Höhe der Beute zwischen 1000 und 2500 Euro.

Nach Erkenntnissen der Ermittler steckte hinter den Betrugsfällen eine Bande mit mindestens sechs Mitgliedern, die zum Teil von der Türkei aus operierte. Als Drahtzieher gilt ein Mann, der von einem Callcenter im türkischen Izmir die Anrufe getätigt haben soll. Er ist flüchtig. Seine Schwester wohnte in Nürnberg und sitzt seit Dezember in Untersuchungshaft. Sie soll das Geld vom Angeklagten entgegengenommen haben und wird sich vom 8. Juli an vor dem Landgericht verantworten müssen.

Der Angeklagte selbst äußerte sich am ersten Verhandlungstag nicht zu den Vorwürfen. Sein Pflichtverteidiger betonte, dass sein Mandant nur als Abholer tätig war. "Er hat nicht gewusst, was für Geschichten im Hintergrund laufen." Wie oft einige Opfer angerufen wurden und was ihnen dabei aufgetischt wurde, sei ihm nicht bekannt gewesen.

Beim Polizeipräsidium Mittelfranken sieht die 2017 eingesetzte Ermittlungsgruppe "EKO 110" nach mehreren Festnahmen, zuletzt im Februar und April, derzeit eine Beruhigung der Lage. Völlig abgeebbt sind die Betrugsanrufe jedoch nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: