Süddeutsche Zeitung

Fall Schottdorf:Justiz soll gegen Recht verstoßen haben

Eine detaillierte Aufklärung der Affäre um den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf könnte peinlich bis skandalös werden, deutet ein Richter des Landgerichts München I an. Im Mittelpunkt steht die bayerische Justiz.

Von Stefan Mayr

Die Affäre um den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf hat seit Mittwoch eine neue Dimension: Das Landgericht München I hat im Zuge eines Amtshaftungsprozesses gegen den Freistaat angedeutet, dass die bayerische Justiz gleich mehrmals gegen geltendes Recht verstoßen habe. Das Verfahren vor der 15. Zivilkammer des Landgerichts dreht sich um den Rechtsstreit des Kriminalhauptkommissars Robert Mahler vom LKA gegen den Freistaat. Dabei bahnt sich eine klare Niederlage für die bayerischen Behörden an. "Es liegt sehr nahe, dass Amtspflichtverletzungen vorliegen", sagte der Vorsitzende Richter Frank Tholl. Und er fügte hinzu: "Ob sich der Freistaat mit einem Urteil einen Gefallen tut, wird er selbst beurteilen müssen."

Die Aussagen des Richters sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Mit ihnen deutet er an, dass im bayerischen Justizapparat gleich mehrere Sachen sehr krumm abgelaufen sind. Und dass dem Freistaat an der detaillierten Aufklärung dieser Dinge nicht gelegen sein kann, weil es dann peinlich bis skandalös werden würde. Jedenfalls legte das Gericht dem Vertreter des Freistaats unmissverständlich ans Herz, einem Vergleich zuzustimmen und eine Entschädigung zu zahlen.

Die Staatsanwaltschaft tat Gauweiler den Gefallen

In dem Prozess geht es um die Ermittlungen gegen Laborunternehmer Bernd Schottdorf, dessen Rechtsbeistand der Münchner Anwalt Peter Gauweiler ist. Kriminalhauptkommissar Robert Mahler wirft dem Freistaat vor, rechtswidrig zwei Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet und über zwei Jahre hinweg verschleppt zu haben. Ausgangspunkt war ein Brief, in dem Gauweiler, der auch CSU-Bundestagsabgeordneter ist, im Jahr 2010 den Münchner Generalstaatsanwalt mehr oder weniger deutlich aufgefordert hatte, gegen Mahler Ermittlungen aufzunehmen.

Die Staatsanwaltschaft tat Gauweiler den Gefallen und brachte gleich zwei Verfahren ins Rollen: wegen Verfolgung Unschuldiger und wegen Verleitens zum Geheimnisverrat. Der Vorwurf: Mahler soll gegen Schottdorf ohne Grund ermittelt haben und dabei Schottdorfs Buchhalter gefragt haben, ob der nicht Hinweise auf illegales Verhalten geben wolle. Die Ermittlungen zogen sich mehr als zwei Jahre hin, ehe sie 2012 eingestellt wurden. Der Vorsitzende Richter machte am Mittwoch klar, was er von diesem Vorgehen hält: Die Einleitung der Verfahren bezeichnete er als "problematisch" und deren Dauer kritisierte er überdeutlich: "Spätestens im August 2010 wäre das Verfahren einzustellen gewesen." Doch Mahler musste zwei Jahre bis zur Einstellung warten.

"Verdacht auf Rechtsbeugung"

Dadurch hat der Beamte nach eigenen Angaben massive gesundheitliche Probleme bekommen, deshalb fordert er nun Schmerzensgeld und Verdienstausfall. Die Kammer folgte seiner Argumentation weitgehend und schlug eine Entschädigung von 4000 Euro vor. Der Rechtsvertreter des Freistaats, Gero Himmelsbach, deutete an, er sei bereit, auf den Kläger "zuzugehen". Allerdings müssten zu dem Vorschlag "einige Behörden gehört werden". Deshalb wurde die Verhandlung vertagt.

Kläger Robert Mahler ließ ebenfalls offen, ob er sich auf einen Vergleich einlassen wird. "Mein Ziel ist es, schwarz auf weiß bestätigt zu bekommen, dass mir hier Unrecht zugefügt wurde", sagte er nach Ende des ersten Verhandlungstermins. Grundsätzlich sei er mit den Äußerungen des Gerichts "hochzufrieden". Er betonte aber auch, die Affäre könne mit einer Entschädigung nicht erledigt sein. "Ich habe Dienstaufsichtsbeschwerden geschrieben und auch den Justizminister gebeten, die Vorgänge zu prüfen", sagt Mahler, "aber alles wurde als rechtmäßig erachtet - und zwar mit jenen Argumenten, die heute vom Gericht zerlegt wurden."

Er sprach vom "Verdacht der Rechtsbeugung", wenn Staatsanwälte "absichtlich Amtspflichtverletzungen begehen". Dabei gehe es um "eine ganze Reihe von Beamten", die das Vorgehen gegen ihn "toleriert, geduldet und gedeckt haben". Mahlers Anwalt Roland Weiler sprach von "Unglaublichkeiten", die er aufklären möchte - und nicht per Vergleich unter den Teppich kehren.

"Mit denen stimmt was nicht"

Das umstrittene Vorgehen der Staatsanwaltschaft Augsburg im Fall Schottdorf ist Inhalt eines Untersuchungs-Ausschusses des Landtages. Gegen diesen Ausschuss haben Schottdorf und sein Anwalt Gauweiler Verfassungsbeschwerde eingelegt. Eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs wird noch im November erwartet. Doch nun hat der Landtagsabgeordnete Florian Streibl (Freie Wähler) einen Befangenheitsantrag gegen den Verfassungsgerichtshof-Präsidenten Karl Huber gestellt. Huber sei selbst von dem Ausschuss betroffen, sagt Streibl, weil er als ehemaliger Generalstaatsanwalt auch für die Aufsicht über die Staatsanwaltschaft Augsburg verantwortlich war. Zudem habe Huber im Sommer zu Streibl gesagt: "Mit den beiden Polizisten müssen sie vorsichtig sein, mit denen stimmt was nicht." Einer dieser zwei Polizisten ist Robert Mahler. Er äußerte sich am Mittwoch "sehr enttäuscht, dass der oberste Hüter der bayerischen Verfassung auf diese Weise agitiert".

Karl Huber räumte ein, im Jahre 2013 mit einer Verfassungsbeschwerde Schottdorfs befasst gewesen zu sein. Sie wurde zwar abgelehnt, dennoch habe Huber durch diese Vorbefassung laut Streibl als befangen zu gelten. Die Frage, ob er sich selbst für befangen erklärt, lässt Huber nur ausweichend beantworten. "Ob hinsichtlich eines Richters die Besorgnis der Befangenheit besteht, ist gegebenenfalls im Verfahren vom Gericht ohne Mitwirkung des Betroffenen zu entscheiden", teilte Tobias Igloffstein, der Referent des Verfassungsgerichtshofs, mit.

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SZ vom 06.11.2014/ebri
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