Fall Mollath:Gefahr für das Ansehen des Rechtsstaats

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Gustl Mollath muss weiter in der Psychiatrie bleiben. Ihm hilft auch nicht, dass sich seine Schwarzgeldgeschichten im Kern längst als wahr erwiesen haben. (Foto: dpa)

Die Entscheidung ist gefallen: Gustl Mollath muss in der Psychiatrie bleiben. Neue Fakten und Zeugen? Egal. Verfahrensfehler? Ja, aber nicht absichtlich begangen. Solche Methoden vermutete man bisher in ganz anderen politischen Systemen als im demokratischen Deutschland. Der Umgang mit dem Mann aus Nürnberg ist zum Verzweifeln.

Ein Kommentar von Uwe Ritzer

Seit einem Jahrzehnt wird Gustl Mollath vom Rechtsstaat übel mitgespielt: von Behörden und Staatsanwälten, die seine Belege für schmutzige Geschäfte bei der Hypovereinsbank ignorierten statt zu ermitteln; von psychiatrischen Gutachtern, die Mollath nie gesehen, geschweige denn untersucht haben, ihn aber zum gefährlichen Wahnsinnigen erklärten; und von Richtern, die ihn 2006 auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie sperrten, mit einem Urteil, in dem nicht einmal alle Jahreszahlen stimmen. Von einem Vorsitzenden Richter zumal, der Mollath einen Pflichtverteidiger aufzwang, den dieser Angeklagte genauso wenig wollte wie umgekehrt der Anwalt ihn.

Trotz alldem bleibt Gustl Mollath weiterhin in der Psychiatrie. Ihm hilft auch nicht, dass sich seine Schwarzgeldgeschichten im Kern längst als wahr erwiesen haben. Das Landgericht Regensburg will seinen Fall nicht neu aufrollen. Selbst der Umstand, dass nicht nur der Betroffene, sondern auch die Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme fordert, beeindruckt das Gericht nicht.

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:Bilder aus der Geschlossenen

Aus der Psychiatrie, in der Gustl Mollath sieben Jahre im Maßregelvollzug leben musste, dringt kaum etwas nach außen. Die Berichterstattung ist schwierig, Bildaufnahmen sind Journalisten untersagt. Die hier erstmals veröffentlichten Aufnahmen stammen von einem Mitinsassen.

Von Olaf Przybilla

Neue Fakten und Zeugen? Egal. Verfahrensfehler? Ja, die habe es im Fall Mollath schon gegeben, zum Teil sogar massive. Aber sie seien nicht mit Absicht geschehen. Diese Logik bedeutet überspitzt formuliert nichts anderes, als dass selbst die größten Schlampereien in Gerichtsverfahren kein Problem sind, solange dem Richter keine Absicht nachzuweisen ist. Wo aber sollte mehr Sorgfalt herrschen als dort, wo es um Schuld und Unschuld geht, um Freiheit oder Gefängnis, um Recht oder Unrecht?

Es spricht einiges dafür, dass Gustl Mollath nicht nur das Opfer vieler Zufälle und juristischer Handwerksfehler wurde. Der Eindruck drängt sich auf, dass es einigen Menschen perfekt passte, dass dieser Querkopf mit dem Insiderwissen über illegale Geldgeschäfte in der Psychiatrie verschwand. Dass dies auch die Phantasie von Verschwörungstheoretikern anregt, darf niemanden verwundern.

Der Umgang mit dem Mann aus Nürnberg ist zum Verzweifeln, er bringt das Ansehen des Rechtsstaats in Gefahr. Solche Methoden vermutete man bisher in ganz anderen politischen Systemen als im demokratischen Deutschland. Der Verdacht drängt sich auf: Manchen Angehörigen der bayerischen Justiz geht es längst nur noch ums Rechthaben.

Sie können oder wollen sich und ihresgleichen nicht hinterfragen und empfinden es als ehrenrührig, wenn Außenstehende das tun. Lieber gibt man sich unfehlbarer, als jeder Papst dies tut. Diese Mentalität verhindert beispielsweise, dass die Motive und Methoden des für den Freiheitsentzug Mollaths hauptverantwortlichen Vorsitzenden Richters untersucht werden.

Dabei will niemand an der richterlichen Unabhängigkeit rütteln. Es geht einzig und allein darum, dass Gustl Mollath endlich bekommt, was ihm bislang verweigert wird: einen fairen Prozess, in dem sein Fall sauber und korrekt aufgearbeitet wird.

© SZ vom 25.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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