Fall Mixa: Die Reaktionen:"Spät, aber nicht zu spät"

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Erleichterung und Respekt: Nach dem Rücktrittsangebot von Bischof Walter Mixa reagieren Kirche und Politik positiv. Er selbst macht Erholungsurlaub.

Eines will der Augsburger Bischof Mixa auf keinen Fall: Öffentlichkeit. Für den heutigen Donnerstag und die kommenden Tage hat er alle Termine abgesagt. Er will die Entscheidung des Vatikans abwarten. Bis dahin werde er sich "einfach mal um seine Gesundheit kümmern" und "Erholungsurlaub" nehmen, sagt Generalvikar Karlheinz Knebel. An einem geheimen Ort werde er versuchen, zu seiner "inneren Ruhe" zurückzukehren.

Bischof Mixa: Bis es aus dem Vatikan eine Entscheidung gibt, zieht sich der Bischof an einen geheimen Ort zurück. (Foto: Foto: dpa)

Auch mit einer Stellungnahme will sich die Diözese noch etwas Zeit lassen. Alles, was es derzeit zu sagen gibt, findet sich auf der Internetseite des Bistums Augsburg. "Rücktritt bestätigt", lautet die erste Überschrift vom 22. April auf der Homepage. Von dem "Wohl der Diözese Augsburg" ist die Rede, die für Mixa "immer höchste Priorität" gehabt hat. Und vom Brief an den Heiligen Vater.

Den Wortlaut des Briefes an den Papst will das Bistum nicht veröffentlichen. In der Begründung, die die Diözese verbreitet, findet sich jedoch Versöhnliches.

"In fast 40 Jahren als Priester und 14 Jahren im bischöflichen Dienst ging es mir immer darum, Zeuge des Evangeliums zu sein und als Seelsorger den mir anvertrauten Menschen zu dienen. Meiner eigenen Schwächen war und bin ich mir dabei wohl bewusst. Alle, zu denen ich ungerecht gewesen sein mag, und alle, denen ich Kummer bereitet habe, bitte ich heute noch einmal um Verzeihung."

Er tue diesen Schritt in "unerschütterlichem Vertrauen auf die Gnade Gottes". Er hoffe, dass der Vater im Himmel die Kirche von Augsburg in eine gute Zukunft führen werde. "Meinen Mitbrüdern im priesterlichen Dienst und allen Gläubigen danke ich für ihre Treue und Verbundenheit und wünsche allen Gottes Segen."

"Gewaltiger Druck"

Mixa wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Stadtpfarrer von Schrobenhausen von 1975 bis 1996 körperliche Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausgeübt sowie Stiftungsgelder nicht satzungsgemäß verwendet zu haben.

Entgegen bisherigen Beteuerungen hatte Mixa zuletzt erklärt: "Die ein der andere Watschn kann ich nicht ausschließen." Wochen zuvor hatte Mixa noch versichert, dass er "zu keiner Zeit körperliche Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in irgendeiner Form angewandt habe".

Zugleich mit seinem Rücktrittsgesuch als Augsburger Bischof hat Mixa dem Papst auch den Rücktritt als Militärbischof angeboten. Die Leitung der katholischen Militärseelsorge wird zunächst Generalvikar Walter Wakenhut übernehmen.

Bischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bezeichnete das Rücktrittsgesuch als einen wichtigen Schritt. Mixa sei diesen Schritt von sich aus gegangen und wolle damit einen Neubeginn ermöglichen. Er sehe den Schritt Mixas "nicht als Schuldeingeständnis", sagte Zollitsch in Bonn. "Er wird uns auch fehlen in der Bischofskonferenz", meinte der Freiburger Erzbischof. Die "schwere Entscheidung" Mixas, seinen Rücktritt anzubieten, verdiene Respekt.

Zollitsch hatte Mixa gemeinsam mit dem Münchner Erzbischof Reinhold Marx zuvor empfohlen, "eine stille Zeit, eine Zeit des Abstands" zu nehmen, um die schwierige Situation klären zu helfen. Nun habe der Augsburger Bischof von sich aus einen wichtigen Schritt getan. Auch Bischof Marx drückte Mixa seinen Respekt aus.

Sowohl Marx als auch Zollitsch hatten in den vergangenen Tagen allerdings "einen gewaltigen Druck aufgebaut", sagt der Augsburger Diözesanratsvorsitzende Helmut Mangold.

Limburgs Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst bezeichnete Mixas Angebot als "konsequent". "Es wird ihm helfen. Es wird der Kirche in unserem Land helfen", erklärte er.

Als die Vorwürfe gegen Mixa vor einigen Wochen erhoben wurden, wollte einer sich nicht äußern: Alois Glück. Doch nun, nachdem Mixa seinen Rücktritt angeboten hat, spricht auch der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Glück reagierte erleichtert auf das Rücktrittsgesuch von Mixa. "Es ist eine Erleichterung für die katholische Kirche in Deutschland, es ist doch eine schwere Last geworden", sagte Glück dem Bayerischen Rundfunk.

Der Augsburger Bischof habe sich durch die Art seiner Reaktionen in eine schwierige Situation manövriert: "Ein sehr offener Umgang von Anfang an hätte vielleicht eine andere Entwicklung ermöglicht", meinte er. Es sei eine "persönliche Tragödie".

Letztlich sei der Rücktritt aber unausweichlich gewesen. Der Präsident der katholischen Laienorganisation geht nach eigenen Angaben davon aus, dass der Papst das Rücktrittsgesuch Mixas annehmen wird. "Alles andere wäre unvorstellbar", sagte er. Der katholischen Kirche bescheinigte Glück eine "riesige Vertrauenskrise, wie sie seit Jahrhunderten nicht da war".

Bischof Walter Mixa
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Vorwürfe - Leugnung - zähneknirschendes Eingeständnis: So sind die jüngsten Skandale um Bischof Mixa abgelaufen. Am Ende steht ein Rücktrittsgesuch, das viele zuletzt gefordert hatten. Chronologie in Bildern.

Der Sprecher der Christ-Sozialen Katholiken (CSK) in der CSU, Thomas Goppel, zollte dem Augsburger Respekt für seinen angebotenen Rücktritt. "Der Bischof hat eine Entscheidung getroffen - spät, aber nicht zu spät", sagte Goppel im ZDF- Morgenmagazin.

Zugleich kritisierte er eine einseitige Berichterstattung "über Gegebenheiten von vor 30 Jahren", durch die der Eindruck entstanden sei, "da ist jemand prügelnd unterwegs".

Mixa habe einen Fehler gemacht, als er die Vorwürfe vor drei Wochen zurückgewiesen habe, sagte Goppel. "Aber dass man deswegen einen Skandal daraus konstruiert, in dem die ganze Kirche untergehen könnte, das geht nicht."

"Gespannt, wie der Vatikan reagiert"

Bayerns Finanzminister und ZdK-Mitglied Georg Fahrenschon (CSU) bezeichnete den von Mixa angebotenen Rücktritt als notwendig. "Ich glaube, er hat jetzt die notwendigen Schritte eingeleitet, ich bin gespannt, wie der Vatikan auf das Angebot reagiert", sagte Fahrenschon dem Radiosender Bayern 2. Mixa sei sich seiner Verantwortung bewusst und stelle sich dieser.

Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher führt das Rücktrittsangebot Mixas allein auf den stetig gewachsenen öffentlichen Druck zurück. "Von sich allein wäre er nie zu diesem Schritt bereit gewesen", sagte er. Doch diese Reaktion des umstrittenen Geistlichen sei "mehr als überfällig" gewesen. Wichtig sei nun, dass die Vorwürfe gegen Mixa "voll umfänglich aufgeklärt werden".

Rinderspacher sprach von einem "Selbstreinigungsprozess in der katholischen Kirche", nachdem am Mittwoch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, Mixa einen Amtsverzicht empfohlen hatte. Er habe keinen Zweifel, dass der Papst das Gesuch Mixas akzeptieren werde. "Das ist nur eine Formsache", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Er hoffe nun auf eine kluge Neubesetzung des Augsburger Bischofsstuhls durch den Papst. "Ich würde mir natürlich einen liberalen Bischof, wie der Münchner Erzbischof Marx einer ist, wünschen."

"Ruhigeres Fahrwasser"

Auch aus Berlin gibt es bereits erste Reaktionen auf Mixas Rücktrittsangebot: Bundesfamilienministerin Kristina Schröder begrüßte den Schritt des Bischofs. Die CDU-Politikerin sagte im ZDF, sie könne die gegen den Bischof erhobene Kritik nachvollziehen und habe Respekt vor seinem Schritt.

Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth bezeichnete den Rücktritt als überfällig. Das war von Bischof Mixa "ein überfälliger Schritt, zu dem erst die deutlichen Worte seiner Bischofskollegen nötig waren", sagte Roth. "Ein Geistlicher, der prügelt, lügt und Gelder für Waisenkinder zweckentfremdet, hat auf einem Bischofssitz nichts verloren."

Roth mahnte allerdings auch, die Aufklärung der Vorwürfe gegen Mixa müsse weitergehen. "Das ist das Bistum den Gläubigen schuldig. Der Rücktritt von Mixa darf nicht zum Anlass genommen werden, nun den Mantel des Schweigens über die Vorfälle zu werfen."

Mixas Rücktritt könne aber auch ein Schritt zu einem umfassenden Neuanfang in der katholischen Kirche werden. "Die Zeit von selbstherrlichen und unangreifbaren Kirchenfürsten ist endgültig vorbei", sagte Roth. Die katholische Kirche muss sich auch in ihren höchsten Hierarchien der Kirchenbasis und der demokratischen Öffentlichkeit stellen. Mixas Rücktritt dürfe dabei "nicht bloß ein Bauernopfer sein". Gerade der hohe Klerus müsse dazu beitragen, die zahlreichen Vorwürfe der Kindesmisshandlung und des Kindesmissbrauchs lückenlos aufzuklären. "Dabei darf auch die Rolle des jetzigen Papstes kein Tabu sein", betonte Roth. "Die Zeit der Abschottung, Leugnung und der klerikalen Geheimverfahren muss ein Ende haben."

Der Diözesanratsvorsitzende Mangold erwartet, dass Bischof Walter Mixas Rücktrittsgesuch vom Papst schnell angenommen wird. Er hoffe, dass der Schritt "das Klima in der Diözese in ruhigeres Fahrwasser bringt", sagte der oberste Laienvertreter im Bistum.

Allerdings befürchte Mangold, dass das Interesse an der notwendigen Aufklärung der Vorwürfe jetzt rasch erlahme - "ob außer Ohrfeigen noch was war und wie das mit den finanziellen Unregelmäßigkeiten war". Unklar sei, ob der Diözesanrat seine Vollversammlung und seinen Festgottesdienst zum 40-jährigen Gründungstag am kommenden Samstag ohne Bischof feiern werde.

Einige Diözesanratsmitglieder hätten ihre Teilnahme wegen Mixa abgesagt. "Es wäre schön, wenn die jetzt kommen", sagte Mangold. Er hoffe, dass der Papst rasch einen Nachfolger berufe und "dass der neue Bischof aus unserer Diözese kommt. Es gibt Priester, die ich mir gut vorstellen könnte", sagte der Vorsitzende des Diözesanrats. Er kritisierte, "dass in Deutschland Vakanzen so lang dauern. Das ist unmöglich!"

In Mixas Diözese Augsburg sind die Reaktionen unterschiedlich. Die Diözese ist gespalten, sagt Herbert Tyroller von der Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche zu sueddeutsche.de.

"Bischof Mixa hat von Anfang an polarisiert. Aber er hat in der Diözese eine große Anhängerschaft", so Tyroller. Auch der Priesterrat des Bistums hatte ihn mehrheitlich noch unterstützt. "Wir erwarten, dass der Papst nun den Rücktritt annehmen wird", sagte Tyroller.

In der Kirchenvolksbewegung selbst ist man erleichtert über die Entscheidung Mixas, auf die man zuvor bereits gehofft hatte.

Doch egal, was Politiker und Kirchenvertreter nun fordern: Die Entscheidung über das Schicksal von Mixa liegt in der Hand des Papstes. Laut Kirchenrecht kann ein katholischer Bischof nicht eigenmächtig zurücktreten: Er benötigt dafür die Zustimmung des Kirchenoberhauptes. So sieht es das kanonische Recht vor.

In Kirchenkreisen gilt es als sicher, dass Benedikt der XVI. der Bitte seines bayerischen Bischofs nachkommt. Denn Mixa würde kaum seinen Rücktritt anbieten, wenn das weitere Prozedere nicht mit dem Papst bereits abgestimmt wäre. Doch bis der Papst seinen Entschluss verkündet, bleibt Walter Mixa vorerst offiziell Bischof von Augsburg.

© sueddeutsche.de/ddp-bay/dpa/AFP/Reuters/APD - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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