Süddeutsche Zeitung

Fall Mannichl:Puzzlearbeit der Polizei

50 Beamte einer Passauer Sonderkommission suchen jetzt nach Spuren im Fall Mannichl - eine Arbeit, die an die Grenze der Belastbarkeit führt.

Max Hägler

Ruhig ist es im Führungszentrum von Anton Scherl. Computer sind in dem großen Raum aufgebaut, ab und an klingelt ein Telefon, auf den Bildschirmen erscheinen farbig markiert Hinweise und Spuren. Hier, im 6. Stockwerk der Nibelungenstraße in Passau laufen die Ermittlungen im Fall Mannichl zusammen, die bisher wenig Erfolg hatten. "Guten Polizeiführung bringt Ruhe und Struktur in die Arbeit", sagt der 51 Jahre alte Polizeidirektor zu seinem unerwartet stillen Arbeitsplatz.

Eigentlich ist Scherl der Chef der Polizeidirektion Straubing, nun hat er im Fall seines durch eine Messerattacke schwer verletzten Passauer Kollegen die Ermittlungen übernommen. Einsatzerprobt sei er, sagt Scherl selbstbewusst. Und gibt doch zu - übrigens wie auch alle anderen Beamten mit denen man in diesen Tagen spricht: "Ein Fall mit einem beteiligten Kollegen ist eine besondere Herausforderung."

Mit 20 Polizisten ermittelte Scherl nach Bekanntwerden des Mordanschlags auf Mannichl am Wochenende. Im Laufe des Montags wurde die Zahl auf 50 aufgestockt. Dennoch gehe die Arbeit an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit, meint Scherl.

Das Hinweistelefon muss rund um die Uhr betreut werden, Ermittlungsteams schwärmen aus, Fahndungen werden koordiniert und Durchsuchungs- und Überwachungsbeschlüsse beantragt. Informationen müssen abgeglichen werden mit den Kollegen aus dem nahen Österreich und dem Bundeskriminalamt.

Und nicht zuletzt gilt es den Kontakt zur Staatsanwaltschaft zu halten, die von Gesetzes wegen "Herrin des Verfahrens" ist und die Ermittlungen quasi an die Polizei delegiert. Die letzte Entscheidungsgewalt hat Generalstaatsanwalt Christoph Strötz in München.

Via E-Mail, Telefon und Videokonferenz ist er täglich mit der Passauer Staatsanwaltschaft in Kontakt und über das polizeieigene Intranet kann er die Ermittlungen in Passau überblicken. Dort hat Scherl in den letzten Tagen eine sogenannte "Besondere Aufbauorganisation" erstellt, kurz BAO. "Ist so etwas am Laufen, bekommt der Leiter, was er will", erklärt Landespolizeidirektor Waldemar Kindler das Prinzip.

Möglichkeiten gäbe es viele, denn die Polizei habe sich in den letzten Jahrzehnten professionalisiert. Nicht nur DNS-Analysen wurden eingeführt, auch die Einsatztheorie ist verbessert worden. Für verschiedene Ereignisse - etwa Mordversuche - existieren in der Polizei verschiedene Planspiele, nach denen die Arbeiten und Aufgaben gegliedert werden.

Die berühmte "Soko" ist dabei nur ein Teil einer großen Maschinerie. Als "Sokos" werden die kriminalpolizeilichen Ermittler bezeichnet, die - wie im Fernsehen - meist in Zivil auftreten. Scherl - obwohl uniformiert - ist als BAO-Leiter auch Chef dieser Einheiten. "Dabei müssen wir noch mehr tun: Das Opfer muss betreut werden, Schutzmaßnahmen müssen koordiniert werden." Einen Erfolg hat die Truppe aber noch nicht zu vermelden, nicht einmal ein Phantombild gibt es. Vielleicht ist es auch deshalb so ruhig.

Scherl gibt sich dennoch zuversichtlich. "Es kommt nicht auf einen Tag an", meint der Polizeichef. "Der Erfolg am Ende ist entscheidend."

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Quelle:
SZ vom 17.12.2008
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