Süddeutsche Zeitung

Fälle von Selbstbedienung bei Politikern:Vorteile mit luxuriösem Beigeschmack

Teure Fotokameras, iPads und eine Technik-Schulung in der Schweiz: Einige Abgeordnete des Bayerischen Landtags waren äußerst erfindungsreich, wenn es darum ging, sich auf Kosten der Steuerzahler lukrative Vorteile zu verschaffen.

Von Frank Müller

Mit vollem Namen und möglichst einem Foto in der Zeitung stehen - das ist in Wahlkampfzeiten eigentlich das Trachten jedes Landtagsabgeordneten. Momentan jedoch ist das bei einer ganzen Anzahl von Parlamentariern etwas anders. Sie wollen auf gar keinen Fall namentlich in die Zeitung, weil das Ärger bedeuten würde. Wenn zum Beispiel gerade jetzt der Abgeordnete enttarnt würde, der sich auf Steuerzahlerkosten 6000 Euro für eine Kamera bezahlen ließ, könnte das für seine Wiederwahl-Chancen verhängnisvolle Folgen haben.

Bisher können Herr oder Frau X ebenso wie die mitbetroffenen Kolleg(inn)en auf die Verschwiegenheit der Landtagsspitze bauen. Zwar ist wohl einem kleinen Kreis rund um Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) bekannt, welche Politiker genau der Oberste Rechnungshof in seiner neuen Analyse der Abgeordnetenfinanzierung meinte. Doch Stamm will die Namen nicht nennen. Es laufen allerlei Gerüchte um, aber bestätigt ist nichts. Klar ist jedenfalls, dass der Kreis der Mitwisser extrem überschaubar ist. Selbst Horst Seehofer scheint nicht zu ihnen zu gehören, das erklärte der Ministerpräsident nach einem Gespräch mit Barbara Stamm.

Auf Anfragen, die Namen bekannt zu geben, verweist Stamm darauf, dass der Landtag nun drei Monate Zeit habe, zu den Vorwürfen des ORH Stellung zu nehmen. Nun müssten alle Details geprüft werden. Während dieser Zeit könne der Landtag keine Namen publik machen.

Soll jenem Kamera-Mann über den Wahltag hinweg zu Anonymität verholfen werden, der sich laut den Rechnungsprüfern nicht nur den extrem teuren Fotoapparat leistete, sondern vier günstigere Kameras gleich noch dazu? Dass über den Abgeordneten im Landtag wohl eine schützende Hand gehalten wird, ergibt sich auch aus den Begleitumständen der ORH-Prüfung. Denn der Abgeordnete zahlte den Betrag dem Landtag eilig zurück, offenbar nachdem in der Landtagsspitze der erste Entwurf des ORH-Berichts vorlag. Das aber bedeutet: Er dürfte aus der Landtagsverwaltung einen Tipp bekommen haben. Als sich Rechnungshof und Landtagsspitze am 6. August dann zu einer Abschlussbesprechung trafen, war das Geld laut einer nachträglich aufgenommenen Passage im Bericht wieder da.

Wegen des luxuriösen Beigeschmacks ist dieser Fall der pikanteste aus den neuen Fällen von Selbstbedienung. Das gute Stück muss insgesamt sogar etwa 7000 Euro gekostet haben, denn ein Eigenanteil von 15 Prozent ist bei der Erstattung schon eingerechnet. Doch der ORH brachte in seinem mehrmonatigen Prüfverfahren noch mehr ans Licht: Abgeordnete, die trickreich ihre Mitarbeiterpauschalen bis aufs Letzte ausreizten, solche, die Parteibüros mitfinanzierten und daher im Verdacht stehen, die Trennung von Parlaments- und Parteiarbeit zu unterlaufen.

Ein Abgeordneter kaufte mehr iPads und Smartphones, als er Mitarbeiter hat - was die Frage aufwirft, ob die Geräte wirklich dienstlich genutzt werden. Ein anderer meinte, eine zweieinhalbstündige Technikschulung unbedingt in der Schweiz durchführen zu müssen: Damit wurden auch die Hotelkosten vom Steuerzahler übernommen.

Schon die bisherigen Erfahrungen in der Verwandtenaffäre haben gezeigt, dass eine Minderheit der Abgeordneten ausgesprochen trickreich agierte, wenn es um den persönlichen Vorteil oder den ihrer Familien ging. Entsprechend bohrend sind nun die Nachfragen aus den Medien beim Landtag und auch beim ORH, aber die Mauer des Schweigens hält bislang. Zwar kündigt Stamm an: "Auch die . . . angesprochenen Fälle sind von der Überprüfung erfasst." Aber: "Jeder einzelne Abgeordnete muss angeschrieben und um Auskunft gebeten werden." Dies werde, "wie Sie sicher nachvollziehen können", so Stamm weiter, "Zeit in Anspruch nehmen".

Damit wiederholt sich nun die Geschichte, auch für Landtagspräsidentin Stamm. Seitdem die Abgeordnetenaffäre im Frühsommer hochkochte, standen immer zuerst anonymisierte Vorwürfe im Raum. Erst zögerlich waren Stamm und die Landtagsverwaltung bereit, auch die Namen der Abgeordneten zu bestätigen - in vielen Fällen erst, nachdem Journalisten sie bereits recherchiert hatten. Schließlich übernahm Stamm dann selbst die Rolle der Mitaufklärerin und machte auch mehr als zehn Jahre alte Fälle publik.

Bei der nunmehrigen Rückkehr der Affäre agierte Stamm bislang zwar glücklicher als in den vergangenen Monaten: Sie fand schnell zu einer klareren Linie und trieb die Veröffentlichung des an sich geheimen ORH-Berichts selbst voran. Jeder kann ihn nun auf der Internetseite des Landtags lesen. Jedoch: Die brisanten Namen gibt es noch nicht. Dazu kommt: In Wahlkampfzeiten sind auch die Versuche der Fraktionschefs, bei ihren Abgeordneten nachzufassen, sehr überschaubar. Lediglich die Grünen fragten ihre eigenen Leute offensiv. Dabei habe es "nichts zu beichten" gegeben, erklärte Fraktionschefin Margarete Bause im Anschluss erleichtert. Ihre Kollegen der anderen Parteien beteuern zwar, sie wüssten nichts von Verfehlungen in ihren Fraktionen. Von aktiven Nachfragen ist aber bislang nichts bekannt.

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SZ vom 19.08.2013/wib
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