Süddeutsche Zeitung

Facebook-Phänomen:Der Addnfahrer und die Kuhglocken

Aus Gaißach in die Facebook-Welt: Ein 24-jähriger Schmied wettert in seinen Videos mit derber Sprache über Sauschädel aller Art.

Von Hans Kratzer

Berühmt zu werden, funktioniert heutzutage ganz einfach. Manche stellen sich vor eine Handykamera, pulvern drauflos und laden dann ihre schrägen Beiträge bei Facebook hoch. Wenn dann eine Fangemeinde darauf anspringt und wie wahnsinnig auf den Beitrag klickt, ist das Spiel schon gewonnen. Zuletzt ist das einem 24-jährigen Schmied aus dem oberbayerischen Gaißach gelungen; quasi über Nacht hat er auf diese Weise Zehntausende Anhänger auf Facebook und Youtube gewonnen.

Dabei hat er sich nur in einen lokalen Kuhglockenstreit in Bad Reichenhall eingemischt, das aber auf recht derbe Weise: "Wega dera Diskussion mit dene Kuahglockn, sog amoi, seids es eigendle ned ganz sauber!", poltert der junge Mann, der sich Addnfahrer nennt, in dem Video los. Mit derben Kraftausdrücken aus dem Oberland verflucht er das Diktat jener "Sauschädel", die urbayerischem Kulturgut wie den Kuhglocken zu Leibe rücken wollen. "Ja wo samma denn", wettert der Addnfahrer wie einst der alte Kinski, "wos kimmtn ois naxts, dass i koan Huat mehr aufhocka derf, ha, oder dass i Hochdeitsch redn muas?"

Der Addnfahrer trägt Arbeitshut, signalfarbige Hosenträger und ein kariertes Hemd, er ist erkennbar kein Bürohengst. Addn hat mit bäuerlicher Arbeit zu tun, es ist ein anderes Wort für Egge. Grob gesagt, ist Addnfahrer eine moderne Variation des Münchners im Himmel, jener legendären Figur des typisch bayerischen Grantlers. Seinen richtigen Namen hat der Addnfahrer noch nicht verraten. Meint er seine Schimpfkanonade wirklich ernst, müsste man direkt ein wenig Mitleid mit ihm haben, niveauvoll geht nämlich anders. Wahrscheinlicher ist, dass er bloß austestet, wie stark die Generation Facebook spinnt. Wie er einer Lokalzeitung verriet, kommt ihm der Zuspruch auf seine Derbheit selber komisch vor. "Mit so einem Schmarrn!" Genau so hat er das gesagt.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2015/angu
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