Ex-Staatssekretär Weiß und seine Wutschrift:Abrechnung mit Seehofer

Staatssekretärs-Rücktritt nach Streit mit Seehofer

Einst galt Bernd Weiß (links) als Talent unter Ministerpräsident Horst Seehofer, nun verabschiedet er sich aus der Politik. Mit einem wenig schmeichelhaften Buch über den CSU-Chef.

(Foto: dpa)

Ein Ex-Staatssekretär packt aus - und der CSU-Chef steht einmal mehr unter Druck aus den eigenen Reihen: Mit einem Buch verabschiedet sich Bernd Weiß aus der Politik. Es ist eine Art Wutschrift über einen übermächtigen Horst Seehofer und einen Regierungsapparat, der sein Spitzenpersonal ohnmächtig macht.

Von Mike Szymanski

Abschiede aus der Politik können ganz unterschiedlich ausfallen - laut und polternd, andere sind leise und fast unspektakulär. Der frühere Innenstaatssekretär Bernd Weiß, Abgeordneter der CSU, der 2009 im Streit über die Finanzierung des Digitalfunks mit Ministerpräsident Horst Seehofer zurückgetreten und seither in der CSU isoliert ist, wählt für seinen Abgang das Instrument des politischen Buchs. Er hinterlässt eine Art Wutschrift, wenn er 2013 mit erst 45-Jahren als Gescheiterter aus dem Landtag ausscheidet.

"Frage, was dein Land für dich tun kann", heißt der Titel. Ein Buch über die Folgen "inhaltsleerer Politik" wollte er schreiben - gespeist aus seinen "Erfahrungen im Kabinett Seehofer".

Zum Auftakt des bedeutenden Wahljahres 2013, in dem die CSU in Bayern um die Rückkehr zur alten Stärke kämpft, bekommt Seehofer noch einmal Druck aus den eigenen Reihen. Es ist ein pessimistisches Buch, das der Abgeordnete aus Unterfranken geschrieben hat und das der Süddeutschen Zeitung in der Druckfassung vorliegt.

Es ist vor allem eines, das einen wenig schmeichelhaften Blick auf Seehofers Regierungsarbeit und seinen Umgang mit dem Personal wirft. Und nicht nur das. Es erlaubt auch Einsichten in einen mächtigen Regierungsapparat, der sein Spitzenpersonal ohnmächtig erscheinen lässt - so erlebte es jedenfalls Weiß.

Im Kabinett habe er lange gefremdelt, schildert er. Vor allem mit dem Regierungsstil Seehofers hatte er schnell ein Problem. "Es ist keine Alternative zu inhaltlicher Führung, wenn man die Suche nach dem Volkswillen quasi zum obersten Prinzip erhebt", greift Weiß Seehofer an und macht sich darüber lustig, dass dieser seine CSU gerne als Mitmach-Partei bezeichnet. "Ich übersetze den Begriff für mich immer so, dass wir jetzt ins Wahlvolk rufen: Sagt ihr uns doch, was wir denken sollen, damit ihr uns wieder wählt." Daher auch der Buchtitel: Frage, was dein Land für dich tun kann - eine Anlehnung an den Kennedy-Ausspruch "Frage nicht was dein Land für dich tun kann. Frage, was du für dein Land tun kannst!".

"Ich saß wie auf Kohlen"

Weiß reibt Seehofer hin: "Wer Führung beansprucht, der darf das nicht nur mechanisch aus Gründen des Machterhalts tun, sondern der muss den Menschen auch sagen und begründen können, wo er mit ihnen hin will." Als Opfer eines mechanischen Machterhalts Seehofer'scher Prägung sieht Weiß sich selbst.

Ausführlich schildert er, wie er 2009 als bis dahin weitgehend unbekannter Politiker zum Innenstaatssekretär aufstiegt. "Ich saß wie auf Kohlen", beschreibt er die Tage vor seiner Ernennung, ein "ersehnter Karrieresprung". An anderer Stelle gesteht er ein, dass er darauf hingearbeitet hat: "Ich war lange Zeit sehr erfolgreich damit, das eine zu denken und das andere zu sagen oder sogar zu tun, weil es meinem eigenem Fortkommen nutzte." Man müsse sich anpassen, um Karriere zu machen.

Als er schließlich Staatssekretär war, habe er erleben müssen, dass "eigene Gedanken und Ideen weder gefragt noch erwünscht" seien. Der Verwaltungsapparat arbeite nach seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten. Zu Pfingsten 2009 dachte er das erste Mal an Rücktritt. "Ziemlicher Frust" habe sich bei ihm bereits aufgestaut, schon bevor der Streit um die Finanzierung des Digitalfunks eskalierte.

"Nase ganz einfach gestrichen voll"

Für den Aufbau des Funknetzes für die Rettungskräfte war Weiß zuständig. Er hatte sich selbst erst einarbeiten müssen in die Vorzüge der modernen Technik, mit der sich per GPS-Funktion auch jederzeit der Standort der Beamten feststellen lässt. Aber sein enger Mitarbeiterkreis hatte Bedenken, schildert Weiß: "Ob wir die Funktion in der Serie einbauen lassen, wissen wir noch nicht, Herr Staatssekretär. Datenschutzgründe."

Die Einsatzzentrale könne ja bemerken, ob ein Polizist gerade beim Metzger eine Leberkässemmel holt, lautete die Begründung. Weiß bilanziert: "Die technischen Probleme sind die eine Herausforderung beim Aufbau eines solchen Netzes. Die andere ist immer der Mensch."

Weiß konnte sich schließlich mit seinem bereits mit den kommunalen Spitzenverbänden ausgehandelten Vorschlag zur Finanzierung nicht gegen den damaligen Finanzminister Georg Fahrenschon durchsetzen. Weiß hatte in Aussicht gestellt, die Kommunen bei den Betriebskosten statt bei den Anschaffungskosten zu unterstützen. Aber auch Seehofer wollte diese Lösung nicht. Keine finanziellen Spielräume.

Er ist für neue Verhandlungen. Und Weiß soll den kommunalen Spitzenverbänden die Botschaft überbringen - verbunden mit einer Drohung: Notfalls müssten die Kommunen mit ihrer veralteten Technik weiterfunken, so schildert es Weiß. Er fühlt sich brüskiert - und tritt nach nur einem Jahr im Amt zurück. "Es ging am Ende nicht um die besseren Argumente. (. . .) Es ging darum, wer sich durchsetzt." Er habe die "Nase ganz einfach gestrichen voll" gehabt, unter Seehofer zu arbeiten.

Obama, Guttenberg und der Jedi-Meister Yoda

Weiß kehrte zurück in seinen Notars-Beruf, den er längst zu vermissen angefangen hatte. Er konnte es sich auch leisten, auszusteigen. Das wurde ihm später in der eigenen Partei zum Vorwurf gemacht. Er habe es lieber bequem haben wollen. Nebenbei begann er, an seinem Buch zu schreiben, das anfangs noch "viel galliger und vom persönlichen Ärger geprägt" gewesen sei, wie er heute sagt.

Heute beschäftigen sich zwei der insgesamt sieben Kapitel stark mit Seehofer und mit Weiß' Aufstieg und Fall. In den übrigen Passagen macht er sich Gedanken über das Verhältnis zwischen Politikern und Wählern, sinniert über die großen Probleme der Zeit. Er schreibt über Obama und Guttenberg und zitiert den Jedi-Meister Yoda aus "Star Wars".

Ein ganz großer Bogen also auf 236 Seiten. Mitte Januar soll das Buch erscheinen, der IL-Verlag in Basel bringt es auf den Markt. "Horst Seehofer wird eines der ersten Exemplare des Buches mit einem persönlichen Anschreiben von mir bekommen, sobald ich das Buch selbst fertig in Händen habe", sagt Weiß. "Was er dann damit macht, ob er es liest, ist seine Sache", sagt er. Weiß hat für sich das Kapitel Politik damit vorerst abgeschlossen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: