Süddeutsche Zeitung

Evangelische Pfarrer in Bayern:Verbotenes Ehrenamt

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Gemeinde oder Gemeinderat? Fast überall ist die evangelische Kirche damit einverstanden, wenn sich ein Pfarrer ehrenamtlich politisch engagieren will. Außer in Bayern.

Katja Auer und Olaf Przybilla

Die Pfarrerin Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam stand schon auf der Liste. Für die Bayreuther Grünen wollte sie in den Stadtrat. Die 45-Jährige hat vier Kinder großgezogen, mit ihrem Mann teilt sie sich eine Pfarrstelle. "Da hätte ich jetzt Zeit für ein kommunales Ehrenamt", dachte sie sich. Daraus wird nichts.

Denn laut einer Bestimmung der Landeskirche werden Gemeindepfarrer, die sich um ein politisches Amt bewerben, vom Dienst freigestellt. Dass dies für evangelische Pfarrer gilt, die sich um einen Sitz im Bundestag oder Landtag bewerben, war ihr klar. Was der Pfarrerin nicht klar war: dass dies auch für Ämter im Kreistag, Stadtrat oder Gemeinderat gilt. Bayreuths Grüne mussten ihre Liste neu ordnen. Ohne Pfarrerin.

"Ein Pfarrer hat eine besondere Vertrauensstellung", begründet Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm die bayerische Regelung, "und es besteht die Gefahr, dass genau dieses Vertrauen verspielt wird, wenn er als Parteipolitiker agiert." Ein Pfarrer solle für alle ansprechbar sein - unabhängig von der politischen Gesinnung.

Engagierte Pfarrer? - "Finden wir gut"

Das Sonderbare daran: Im benachbarten Thüringen oder in Sachsen-Anhalt dürfen sich evangelische Pfarrer problemlos um einen Sitz im Stadtrat bewerben. Auch in Württemberg, wo die Bayreuther Pfarrerin geboren ist. Oder in Baden. Überall kein Problem. Weshalb Kirchenvertreter dort erstaunt auf den Fall aus Bayern reagieren.

"Kann ich mir gar nicht vorstellen", sagt ein Sprecher der Landeskirche in Württemberg. Dort müssten Stadtratskandidaten zwar zusichern, dass ihre dienstlichen Pflichten als Pfarrer nicht beeinträchtigt werden. Eine Formalie. Danach aber werde ein Engagement des Pfarrers "ausdrücklich begrüßt", sagt der Sprecher.

"Wir finden es gut, wenn Pfarrer sich politisch engagieren", sagt fast wortgleich der Kollege aus Baden. Und die Sprecherin der Landeskirche in Mitteldeutschland erklärt: "Bei uns sind Pfarrer auf kommunalen Listen eher die Regel als die Ausnahme." Immerhin ging der politische Protest, der zur Wende in Ostdeutschland geführt hat, maßgeblich von Kirchenvertretern aus.

Mitgliedschaft ja, Amt nein

Nun will auch der bayerische Landesbischof nicht, dass sich die Kirche aus der Politik raushält. Im Gegenteil. Er selbst hat die Staatsregierung wegen ihrer Asylpolitik zusammen mit einigen katholischen Kollegen schon streng ins Gebet genommen. Bedford-Strohm hat sogar ein SPD-Parteibuch, seine Mitgliedschaft lässt er aber ruhen, seit er zum Bischof gewählt wurde. "Meine Stimme wird viel glaubwürdiger, wenn sie nicht parteipolitisch behaftet ist", sagt er.

Seine Pfarrer dürften gerne Parteimitglieder sein, nur exponierte Ämter sollten sie nicht besetzen. Sein politischer Antrieb sei primär der Glaube, sagt Bedford-Strohm, und so könnten Christen auch die politische Kultur verändern.

Er nennt den früheren Ministerpräsidenten Günther Beckstein, der lange Mitglied der Synode war und "in beiden Welten zu Hause" gewesen sei. Der wiederum sieht gute Gründe für eine Trennung. "Wir Synodalen wollten nie, dass der Pfarrer parteiisch ist", sagt Beckstein. Freilich habe er gar nicht gewusst, dass das in anderen Landeskirchen anders geregelt ist.

Das Pfarrdienstgesetz gilt zwar bundesweit, einzelne Ausführungsbestimmungen fügen aber die Landeskirchen hinzu. Wie etwa den Paragrafen 15 in Bayern, der festlegt, dass ein evangelischer Pfarrer nur dann Stadtrat werden darf, wenn er vorher sein Amt als Gemeindepfarrer niederlegt.

Acht geistliche Bewerber

So wird auch Jürgen Henkel während des Wahlkampfs erst mal beurlaubt. Der evangelische Pfarrer will Bürgermeister in Bad Windsheim werden. Gewinnt er die Wahl, scheidet er aus dem Kirchendienst zunächst aus. Nach seiner Zeit als Bürgermeister habe er ein Rückkehrrecht, erklärt ein Sprecher der Landeskirche. Acht Pfarrer bewerben sich bei den Kommunalwahlen um ein Mandat.

Ulrich Schäfer war Pfarrer in Mannheim und ist dort jetzt Gemeinderat. Kurz überschnitten haben sich beide Tätigkeiten. Ein Zeitproblem hätte er auf Dauer schon gesehen, aber das geht ja vielen Berufstätigen im Stadtrat so. Andererseits, sagt er, mache er jetzt etwas sehr Ähnliches wie zuvor: "Ich kümmere mich um Randgruppen, genauso wie ich es als Pfarrer getan habe." Dass Pfarrer dafür besondere berufliche Erfahrungen einbringen können in einen Stadtrat, dessen ist er sich sicher.

Johannes Dürr, früherer Pfarrer im baden-württembergischen Ditzingen, sieht das genauso. Drei Jahre hat er beides gemacht: "Meine Erfahrungen aus dem Gemeinderat haben mich als Pfarrer weitergebracht", sagt er. Parteipolitische Neutralität? Das sei bei ihm nie ein Problem gewesen. Zur Sicherheit hatte er als Parteiloser auf einer Liste kandidiert. Und Beamte, etwa Lehrer, müssten zwischen ihren Rollen doch auch unterscheiden, sagt Dürr.

Ein paar Kleriker engagieren sich aber auch in Bayern politisch. Das oberbayerische Benediktinerkloster St. Ottilien etwa stellt auf einer eigenen Liste gleich acht Mönche zur Wahl für den Gemeinderat von Eresing. Zwar gilt für katholische Priester eine ähnliche Regelung wie in der evangelischen Kirche: Ohne die Zustimmung ihres Ordinarius, ihres Bischofs etwa, dürfen Kleriker keine weltlichen Ämter übernehmen.

Im Kloster aber ist der Abt der Chef und die Trennung von Politik und Kirche offenbar weniger streng. Und so sind auch Patres aus der Abtei Münsterschwarzach und aus anderen Klöstern in Gemeinderäten vertreten.

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SZ vom 29.01.2014
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