Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:SPD-Oberbürgermeister werben für Europa

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Von Claudia Henzler, Nürnberg

Die Sache mit den Bussen ist aus Sicht des Fürther Oberbürgermeisters wirklich ärgerlich: Jahrzehntelang hat die Verkehrsgesellschaft Nürnberg (VAG) dafür gesorgt, dass die Busse auch in der Nachbarstadt pünktlich waren. Fürth hatte zwar seinen eigenen Fuhrpark, doch gelenkt wurden die Fahrzeuge von Fahrern der VAG. Auch um Dienstpläne und den ganzen anderen operativen Kram haben sich die Nürnberger gekümmert.

Nun musste die Stadt Fürth selbst Fahrer anstellen. Denn das europäische Wettbewerbsrecht schreibt vor, dass Kommunen solche Dienstleistungen ausschreiben müssen - es sei denn, sie machen es selbst. Eine interkommunale Zusammenarbeit wird dadurch erschwert, was bei zwei so stark miteinander verwachsenen Städten wie Nürnberg und Fürth besonders schmerzt. "Das ist wirklich schade", sagt Thomas Jung.

Die Oberbürgermeister von Nürnberg, Fürth und Erlangen haben sich am Mittwoch zu einem Plädoyer für Europa verabredet - wo sonst kann sich die SPD mit dem Gewicht von drei so bedeutenden Rathauschefs in den Wahlkampf werfen. Für Jung gehört dazu allerdings auch, die Probleme zu benennen.

Der Fürther OB hat im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht, als er Bund und EU aufforderte, etwas gegen sogenannte Armutsmigration aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien und Bulgarien zu unternehmen. Freizügigkeit dürfe nicht dazu ausgenutzt werden, die Sozialsysteme auszubeuten, wiederholt er am Mittwoch. Das sei zwar in Fürth quantitativ "kein Riesenproblem", aber eben eines, das Bürger seiner Stadt beschäftige. "Europa hat nicht nur eine goldene Seite - aber die goldene überwiegt ganz klar."

Gerade Fürth und Nürnberg haben der Europäischen Union viel zu verdanken. Die beiden ehemaligen Arbeiterstädte mussten um die Jahrtausendwende mit zweistelligen Arbeitslosenquoten kämpfen. Beide haben enorm von Strukturfördermitteln der Europäischen Union profitiert. Man dürfe jedoch nicht immer aufs Geld schauen, wenn es um Europa geht, mahnt Ulrich Maly. "Auch wenn wir nie einen Cent bekommen hätten, wäre ich ein glühender Verfechter von Europa."

Nürnbergs scheidender Oberbürgermeister will sich da nicht auf eine kommunalpolitische Sichtweise beschränken: "Auf die Frage, wie wir gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gestalten können, darauf ist Europa die Antwort." Er warnt vor der Taktik der Rechtspopulisten, Angst vor einem vermeintlichen Kontrollverlust auf nationaler Ebene zu schüren. "Die Bundesrepublik hat eigentlich immer davon profitiert, freiwillig Kompetenzen an Europa abzugeben." Und um doch noch ökonomisch zu argumentieren: "Europa ist im Prinzip seit der Montanunion eine Erfolgsgeschichte."

Auch regional zeige der europäische Einigungsprozess überall positive Spuren, betont Maly. Viele Unternehmen in dem mittelfränkischen Ballungsgebiet profitierten von den europäischen Märkten. Und Studenten aus dem In- und Ausland könnten durch das Erasmus-Programm zu "Europäern durch Erleben" werden. "Europa berührt uns im Grunde überall", sagt Maly. "Wenn man's noch nicht erfunden hätte, müsste man's jetzt erfinden."

In den vergangenen zwei Jahrzehnten sei seine Stadt spürbar internationaler geworden, hat Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik beobachtet. Für eine Region mit Universität und bedeutenden Unternehmen wie Siemens sei die heute fast selbstverständliche Offenheit essenziell. "Europa ist deshalb so entscheidend, weil es Menschen aus aller Welt ermöglicht, ohne Barriere in die Stadt zu kommen."

Der glühende EU-Freund Maly benennt auch ein paar Defizite. "Das Parlament ist schon deutlich stärker geworden", lobt er. Doch Europa müsse noch ein bisschen demokratischer werden. Auch ein direkterer Draht zwischen den Kommunen und der EU sei wünschenswert. Matthias Dornhuber, das ist der mittelfränkische Kandidat, für den sich die drei SPD-Oberbürgermeister so ins Zeug legen, würde das sicher gerne umsetzen.

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SZ vom 09.05.2019
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