Wenn an diesem Sonntag mehr als zehn Millionen Wahlberechtigte in ganz Bayern über die zukünftige Zusammensetzung des EU-Parlaments mitentscheiden können, dann haben die Bürgerinnen und Bürger in 18 bayerischen Kommunen zusätzlich Gelegenheit, über lokale Themen und Personalien abzustimmen. Neben prominenten Bürgerentscheiden wie dem in Erlangen über die Stadt-Umland-Bahn oder dem in Regensburg über die lange diskutierte Stadtbahn könnte aber auch der anstehende Bürgerentscheid im kleinen Marktl am Inn im Landkreis Altötting Auswirkungen haben, die weit über die Gemeindegrenzen hinausreichen.
Denn Marktl mit seinen nicht einmal 3000 Einwohnern zählt zu jenen sieben Kommunen, auf deren Gebiet die Staatsregierung und die Staatsforsten den umstrittenen Windpark Altötting einrichten wollen, um die energiehungrige Industrie im Chemiedreieck wenigstens zu einem kleinen Teil mit grünem Strom aus der Region zu versorgen. Die Staatsforsten haben Windenergieprojekte in ihren Wäldern bisher aber von der Zustimmung der jeweiligen Kommune abhängig gemacht. Von den anfangs im Burghauser und Altöttinger Forst geplanten 40 Windrädern sind nach einem Bürgerentscheid in der Gemeinde Mehring Ende Januar schon zehn weggefallen. Zwei bis drei weitere wurden in der Folge gestrichen, um die Vorbehalte von anderen Anwohnern zu verkleinern – unter anderem von Anwohnern in Marktl, wo die Bürger am Sonntag nun über vier weitere Anlagen des Windparks abstimmen.
In der oberbayerischen Stadt Rosenheim geht es gleichzeitig darum, wie die rund 64 000 Einwohner in Zukunft ihren Biomüll entsorgen sollen und wollen. Nach langem Zögern hatte der Stadtrat vor zwei Jahren beschlossen, statt der bisherigen, lediglich an einigen wenigen Standorten aufgestellten Biomüll-Container eine Biotonne für alle Haushalte einzuführen. Der örtliche Seniorenbeirat protestierte gegen diesen Beschluss, weil zusätzliche Tonnen zu viel Platz einnähmen und vor allem die Senioren zu teuer kämen. Obwohl ein Bürgerbegehren des Seniorenbeirats bei knapp genügend Stimmen an Formfragen scheiterte, revidierte der Stadtrat im vergangenen Jahr seinen Beschluss und leitete stattdessen selbst den nun anstehenden Bürgerentscheid über die Biotonne ein.
Daneben gibt es am Sonntag etliche weitere Entscheide: In der Stadt Wörth an der Donau im Landkreis Regensburg geht es um den Standort für ein neues Kinderhaus, in Gaukönigshofen im Landkreis Würzburg um ein neues Gewerbegebiet, in Rüdenau im Kreis Miltenberg um ein Baugebiet, in Manching im Kreis Pfaffenhofen um eine zweite Brücke über die Paar, in Ramerberg im Landkreis Rosenheim um einen neuen Fußballplatz im Ortsteil Zellereit und in Wachenroth im Kreis Erlangen-Höchstadt um den Bau von Windrädern im Gemeindegebiet. In Füssen im Ostallgäu versuchen Anwohner, per Bürgerentscheid den Bau eines „Arbeitnehmer-Wohnheims“ am Rand einer Grünfläche zu verhindern, und im nahen Pfronten muss über Sanierung oder Abriss und Neubau des Hallenbads entschieden werden.
Auch politische Vertreter werden am Sonntag nicht nur europaweit gewählt, sondern mancherorts in Bayern zusätzlich lokal: Im Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim geht es um die Nachfolge von Landrat Helmut Weiß (CSU), es bewerben sich Weiß’ Parteifreund Christian von Dobschütz, Birgit Kreß (Freie Wähler) und der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz. In der Stadt Osterhofen im Landkreis Deggendorf wollen Manfred Ziegler (FW), Kurt Erndl (CSU) und Thomas Etschmann (SPD) die Nachfolge von Bürgermeisterin Liane Sedlmeier (FW) antreten, die ihr Amt aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abgibt. Genauso macht es der bisherige Bürgermeister Wolfgang Haider im nahen Iggensbach, wo sich Bernhard Lenz (parteifrei) und Wolfgang Schwarz (SPD) um das Amt bewerben. In der Gemeinde Zeilarn im niederbayerischen Rottal-Inn konkurrieren der bisherige Zweite und der bisherige Dritte Bürgermeister um den Chefposten im Rathaus, nachdem Bürgermeister Werner Lechl Anfang des Jahres angekündigt hatte, sein Amt ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen niederzulegen.
In Markt Schwaben im Landkreis Ebersberg ist Bürgermeister Michael Stolze nach heftigen Auseinandersetzungen wegen einer geplanten Unterkunft für Asylbewerber zurückgetreten. Am Sonntag geht es dort um seine Nachfolge, die Markt Schwabener können sich entscheiden zwischen Interims-Bürgermeisterin Walentina Dahms, die für CSU und Freie Wähler antritt, und dem Gemeinderat Ronny Schreib, den die Grünen und eine parteifreie Gruppe nominiert haben. In Jetzendorf im Landkreis Pfaffenhofen gibt es gleich vier Kandidaturen fürs Bürgermeisteramt, nämlich von Florian Bachmeier (CSU), Emily Rumpf (Grüne) und den parteifreien Tobias Endres und Bastian Hepperle.