Süddeutsche Zeitung

Europapolitik:Die zwei Stimmen der CSU in Banz

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Unklarer Kurs: Die CSU-Landesgruppe will mit der Schwesterpartei über die EU-Politik verhandeln - die Parteispitze zeigt aber Härte.

S. Braun, Kloster Banz

Im unionsinternen Streit über den Kurs in der EU-Politik hat die CSU-Landesgruppe vorsichtig Kompromissbereitschaft signalisiert. Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte am Mittwoch zum Abschluss einer Klausur im Kloster Banz, er gehe davon aus, dass sich an dem mit CDU und SPD vereinbarten Zeitplan für die Verabschiedung des neuen EU-Begleitgesetzes nichts mehr ändern werde. "Wir orientieren uns an dem Zeitplan, und ich bin nach den Gesprächen mit der Kanzlerin sehr sicher, dass wir dieses Ziel konstruktiv erreichen werden", sagte Ramsauer.

Damit betonen zumindest die CSU-Bundestagsabgeordneten, dass sie wie die Spitzen der anderen Regierungsfraktionen die vom Gericht geforderte Neufassung des Begleitgesetzes am 8. September endgültig verabschieden wollen. Die CSU-Spitze, insbesondere CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, hatte in den vergangenen Tagen mit der Formel Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit laut damit gespielt, bis zur Bundestagswahl am 27. September womöglich zu keiner Einigung mehr zu kommen.

Ramsauer betonte überdies, dass von nun an in erster Linie die Landesgruppe einen Kompromiss mit den Parlamentskollegen von SPD und CDU sowie Oppositionsfraktionen suchen werde. "Es ist klar, dass die CSU-Landesgruppe zu allervorderst die gesetzgeberische Hauptverantwortung trägt", sagte Ramsauer. Er betonte, die in Banz vorgelegten vierzehn Leitlinien zur EU-Politik seien für ihn die Grundlage, um mit den anderen Fraktionen eine Einigung zu erzielen. Das heißt: Die Landesgruppe kalkuliert längst ein, dass sie nicht alles wird durchsetzen können. Auch in den Leitlinien selbst schlägt sich das nieder.

"Handlungsfähig bleiben"

Darin finden sich inzwischen klare Einschränkungen dessen, was Generalsekretär Dobrindt zunächst gefordert hatte. Ursprünglich hieß es bei ihm, die Bundesregierung solle künftig grundsätzlich bei allen Entscheidungen in Brüssel an Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat gebunden sein.

Nun heißt es, die Bundesregierung müsse "natürlich handlungsfähig bleiben". Deshalb müsse die Regierung auch nicht vor jeder Verhandlung in Brüssel ein Parlamentsvotum einholen. Gebe es aber ein solches Votum, müsse sie daran gebunden sein - es sei denn, "zwingende außen- und integrationspolitische Gründe" würden ein Abweichen "erzwingen".

Diese Formulierung kommt den Wünschen der CDU entgegen. Sie klingen nicht mehr nach einem "imperativen Mandat", wie das die CSU-Spitze für viele in der CDU zuletzt suggeriert hatte. Ramsauer ergänzte, dass es weitere "Grauzonen" gebe, die mit der CDU geklärt werden müssten. Das gelte unter anderem für Kompetenzklagen beim Bundesverfassungsgericht. Eine Idee, die das Gericht selbst ins Spiel gebracht hatte - und die CSU aufgreift.

Die vermittelnde Linie der CSU-Landesgruppe ist auch Ergebnis der Tatsache, dass es in ihren Reihen zwei unterschiedliche Strömungen gibt. Die einen wie Dobrindt oder der EU-Experte Thomas Silberhorn plädieren für eine harte Linie. Andere, insbesondere ältere Mitglieder wie Max Straubinger, Eduard Lintner oder Norbert Geis, treten dafür ein, nicht zu überziehen. Sie möchten die europafreundliche Grundausrichtung der CSU nicht gefährden.

"Sehr nachdenklich"

Beide Denkschulen spiegelten sich auch in den Äußerungen der jeweiligen Strippenzieher wider. Diese unternahmen am Mittwoch viel, um das Treffen mit der Kanzlerin am Vorabend in ihr jeweils eigenes Licht zu rücken. Glaubt man denen rund um die aktuelle Parteispitze, dann ist die Kanzlerin "fest entschlossen" gekommen und "sehr nachdenklich" wieder gegangen. Sie habe also gelernt, dass sie einen Kompromiss nicht billig bekommen werde und Zugeständnisse machen müsse, um Geschlossenheit zu erhalten.

Die Nachdenklicheren dagegen berichten, Merkel habe im abendlichen Gespräch eingeräumt, dass das Verfassungsgericht den Kritikern an manchen Stellen deutlich recht gegeben habe. Zugleich aber habe die CDU-Vorsitzende daran festgehalten, dass es gerade in Zeiten wie diesen mit ihren gigantischen globalen Problemen falsch sei, Bundesregierung wie EU zu viel Handlungsspielraum zu nehmen. Die CSU von Banz sprach selbst in der Interpretation der Kanzlerin mit zwei Stimmen.

Und wenn sie das mal nicht tat, spielte sie mit offenen Provokationen. Wie sagte es Parteichef Seehofer, als er Merkel begrüßte? Die CSU werde alles tun, damit sie Kanzlerin bleibe. Na ja, fügte er an, das gelte bis zum 27. September. "Die Beschränkung möchte ich machen." Was das heißen solle, ließ er natürlich offen. Es soll ja auch nur ein bisschen weh tun.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2009
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