Europapolitik der CSU:Emilia Müller - die sprachlose Ministerin

Als Europaministerin müsste die Euro-Rettung das Thema der CSU-Frau Emilia Müller sein. Doch in ihrem Kalender stehen Fischessen und ein Termin mit dem österreichischen Konsul für Handel. Müller schweigt zur Euro-Krise - und wird immer mehr zum Beispiel dafür, wie Karrieren langsam ihrem Ende entgegensteuern.

Mike Szymanski

Emilia Müller hat einen stummen Beschützer in ihrem Büro im vierten Stock der Staatskanzlei: einen chinesischen Terrakotta-Krieger, eine Nachbildung bloß. Aber groß ist dieser Krieger, viel größer als die Europaministerin. Draußen nimmt die große Politik an diesem Montag wieder einen Anlauf, den Euro zu retten. Die Aufregung ist groß, weil immer mehr Politiker den Glauben verlieren, Griechenland sei noch zu helfen.

Emilia Müller

Aktuell hört man wenig von der Ministerin Emilia Müller.

(Foto: dpa/picture-alliance)

Aber davon ist hier drinnen nichts zu spüren. Die 60-jährige CSU-Politikerin sitzt im Schutz ihres Kriegers in ihrem Besuchersessel. Man könnte auch meinen, die beiden haben sich hier oben verbarrikadiert, Zimmer 401, Südflügel.

Emilia Müller hat sowieso gerade andere Sorgen. Drei Zimmer weiter wartet Michael Scherz, der neue österreichische Konsul für Handelsangelegenheiten, um sich vorzustellen. Müller ist nicht in Euro-Rettungslaune. Im Internet erlaubt sie einen Einblick in ihren Kalender: Fischessen am Aschermittwoch, Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Mörderbande am Donnerstag, später Vortrag beim Symposium "Bayern und Russland in vormoderner Zeit". "Meine Woche als Ministerin", steht drüber. "Europapolitik ist mehr als der Euro", sagt sie.

Gewiss, der Euro ist nicht alles, aber kann das auch für eine Europaministerin gelten? Mittlerweile sagt fast jeder in der CSU, was ihm zum Euro einfällt. Alle funken auf allen Kanälen: Generalsekretär Alexander Dobrindt, die Politik-Senioren Theo Waigel und Edmund Stoiber. Und jetzt am Wochenende hat auch noch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich - man darf es wohl so nennen - seinen Senf dazugegeben: Man müsse den Griechen einen Ausstieg aus der Euro-Zone nur schmackhaft machen.

Nur von Emilia Müller hörte man in den vergangenen Monaten so gut wie nichts. Auf ihrer Internetseite findet sich eine Regierungserklärung aus dem Jahr 2009 und unter "aktuelle Interviews" ein Gespräch aus dem Jahr 2008. Bei ihrer Rede zum Neujahrsempfang in der Bayerischen Vertretung in Brüssel stimmte sie die Gäste darauf ein, das 2012 "ein wichtiges Jahr für Europa" werde.

Emilia Müller findet als Europaministerin nicht wirklich statt. "Sie hat nicht den Biss", versucht sich einer aus dem CSU-Vorstand an einer Erklärung. Ein anderer Parteifreund meint, sie sei nicht stark genug, um sich aus dem Schatten von Horst Seehofer herauszuarbeiten. Die Europaabgeordneten wie Markus Ferber schätzen Müller als Schnittstelle in die Landes- und Bundespolitik.

Schweigsame "Miss Europa der Staatsregierung"

Seehofer rühmt sein Kabinett gerne als Talentschuppen. Aber Emilia Müller ist eher ein Beispiel dafür, wie Karrieren ganz leise auf ein Ende zusteuern. Seehofers Vorgänger, Günther Beckstein als Ministerpräsident und Erwin Huber als Parteichef, hatten versucht, Emilia Müller groß rauszubringen.

2007 vertrauten sie der Frau aus der Oberpfalz, die bis dahin schon einmal Europaministerin war, das Wirtschaftsministerium an. Sie war die erste Frau auf diesem Posten. Aber sie hatte Anlaufschwierigkeiten. Wahrscheinlich fehlte ihr einfach nur die Zeit, um zu zeigen, was sie kann. Jedenfalls gab es nach der desaströsen Landtagswahl 2008 für die CSU kein Wirtschaftsministerium mehr zu besetzen. Das hatte nun die FDP.

Seehofer hielt an Emilia Müller fest, auch deshalb, weil er weiß, dass es heute nicht mehr gut ankommt, wenn nur Männer Politik machen. Müller musste aber zurück ins Europaministerium. Seither hat sie an Ehrgeiz verloren.

Zu ihrem 60. Geburtstag gab Seehofer im Münchner Prinz Carl Palais einen Empfang und den Charmeur: "Bayerische Außenministerin", nannte er sie, und die "Miss Europa der Staatsregierung". Aber da hatte er schon selbst angefangen, rote Linien zu ziehen und Stoppschilder für die Euro-Rettungswilligen aufzustellen.

2011 hätte Müllers Jahr sein können. Sie hätte nur den Euro aufsammeln und zu ihrem Thema machen müssen. Aber sie tat es nicht. "Der Ministerpräsident hat die Haltung der Staatsregierung zum Ausdruck gebracht. Ich muss da keine Position beziehen", sagt sie im Schutz ihres Terrakotta-Kriegers.

Sie klingt dabei nicht resigniert. Genauso wenig scheint es sie zu stören, dass Parteifreund Reinhold Bocklet, der vor langer Zeit selbst Europaminister war, den Leitantrag der CSU zur Europapolitik aus dem vergangenen Herbst formuliert hat. Einen solchen Job lässt man sich eigentlich nicht entgehen - wenn man in der Politik noch etwas werden will.

Aber bei Emilia Müller entsteht der Eindruck, sie will das womöglich gar nicht mehr.

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