Europakurs der CSU:Union gegen Union

Die CSU sträubt sich gegen die EU, weil sie die historische Einmaligkeit Europas nicht versteht. Als Architektin des Lissabon-Vertrages darf sich Angela Merkel aber nicht von Seehofer bluffen lassen.

Martin Winter

Zunehmend irritiert schauen die Europapolitiker zu, wie Horst Seehofer die CSU aus dem Lager der Pro-Europäer in das der EU-Skeptiker führt. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Anti-Europäer.

Europakurs der CSU: Angela Merkel darf sich nicht von CSU-Chef Seehofer bluffen lassen.

Angela Merkel darf sich nicht von CSU-Chef Seehofer bluffen lassen.

(Foto: Foto: ddp)

Mit ihren Forderungen zur Umsetzung des europäischen Reformvertrags von Lissabon gibt die CSU vor, die demokratische Beteiligung an den europäischen Entscheidungen stärken zu wollen.

Tatsächlich aber beabsichtigt Seehofer, der Bundesregierung so starke Fesseln anzulegen, dass sie im europäischen Orchester nicht einmal mehr die dritte Geige spielen kann. Deutschland würde sich als gestaltende Kraft in Europa verabschieden. Das würde Europa schweren Schaden zufügen, denn ohne den deutschen Antrieb wird Europa zu einem Projekt für die Geschichtsbücher.

Gewiss kann man Seehofer vorwerfen, dass er aus populistischem Kalkül weit über das hinausgeht, was das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber mit seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag konkret auferlegt hat. In einem aber hat er recht: Er handelt ganz zweifellos im Geist der Karlsruher Richter.

Deren Spruch ist bei genauer Lektüre erschreckend rückwärtsgewandt. Er offenbart ein Verständnis von Staat, Nation und Souveränität, das dem Denken des 19. Jahrhunderts entliehen ist.

Karlsruhe ist blind dafür, dass die Europäische Union ein in der Geschichte einzigartiges Gebilde ist, das man nicht mit den Kategorien Bundesstaat oder Staatenbund begreifen kann.

Die europäische Einigung ist nichts, was von außen über Deutschland kommt. Sie ist das Ergebnis einer freiwilligen Entscheidung der Völker, die nach dem Prinzip des Konsenses zusammenwachsen wollen. Das funktioniert nur, wenn keiner der Partner den anderen bevormunden will.

Von diesem Grundsatz rückt die CSU mit ihrem Verlangen ab, die restriktive Auslegung des Vertrags von Lissabon durch die Karlsruher Richter in der ganzen EU verbindlich zu machen. Mit dieser Forderung würde Deutschland seine Partner verlieren, die aus guten Gründen empfindlich auf deutsches Dominanzgebaren reagieren.

Diesen Partnern bereitet es auch Sorgen, wenn die deutsche Regierung in der EU nur noch beschränkt verhandlungsfähig ist, weil sie entweder auf eine Weisung von Bundestag oder Bundesrat warten muss, oder weil ihr enges Mandat keinen Spielraum für Kompromisse lässt.

Es mag EU-Skeptiker wie den CSU-Querkopf Peter Gauweiler oder den Linken Gregor Gysi freuen, wenn die dynamische europäische Entwicklung erst mal abgebremst wird. Sie betrachten das von ihnen erstrittene Karlsruher Urteil darum auch als Sieg über die EU-Reform.

Damit das Urteil nicht in eine Niederlage für Deutschland mündet, müssen sich CDU, SPD, FDP und Grüne jetzt der politisch exzessiven Auslegung durch CSU und Linke in den Weg stellen. Angela Merkel ist die Architektin des Lissabon-Vertrages. Sie darf sich nicht von Seehofer bluffen lassen.

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