Süddeutsche Zeitung

Euro-Kurs des CSU-Chefs:Seehofers System der roten Linien

Bis hierher und nicht weiter! Oder doch? CSU-Chef Seehofer hat zuletzt viel Grundsatztreue vorgegeben. Doch der einzige Kurs, dem er beim Euro wirklich treu bleibt, ist, sich flexibel an die jeweils gültige Krisenlage anzupassen. Und weil die mittlerweile sehr viele Wendungen genommen hat, wimmelt es in Seehofers Universum vor roten Linien.

Frank Müller

Noch sind es keine Massenproteste, durch die sich die Mitglieder der CSU-Führung auf dem Weg in ihre Vorstandssitzungen durchkämpfen müssten. Genau ein Bürger postierte sich am Montag protestierend vor den Türen, als die CSU-Größen einliefen. "Die rote Linie muss bleiben", stand auf seinem einsamen, rührenden Transparent, "nur das macht die CSU glaubwürdig."

Rote Linie? Glaubwürdig? Dem einsamen Demonstranten ging es um die Euro-Krise und spöttisch könnte man sagen, dass CSU-Chef Horst Seehofer in den letzten Monaten da so viele rote Linien gezogen hat, dass eine davon schon Bestand haben wird.

Mit immer wiederkehrenden Formulierungen in der Tonlage "bis hierher und nicht weiter" erweckt Seehofer den Eindruck der Grundsatztreue. Doch der einzige Kurs, dem er beim Euro wirklich treu bleibt, ist, sich flexibel an die jeweils gültige Krisenlage anzupassen.

Und weil die mittlerweile sehr viele Wendungen genommen hat, wimmelt es in Seehofers Universum vor roten Linien. Das trägt zwar zu einem stabilen Regierungsauftritt der CSU in Berlin bei, nicht aber zu besonderer Glaubwürdigkeit der Parteiführung an der Basis. Die hätte es gern konsequenter, letztlich ist ihr aber die Euro-Frage zu wichtig: So versammelt sie sich in Krisenzeiten lieber hinter der flexiblen Parteiführung als sich in interner Opposition zu verlieren. Auch in der CSU ist man längst weniger rauflustig geworden. Dafür aber realpolitischer.

In die Ecke der Nörgler

Seehofers makelloses Selbstbild gerät dennoch zunehmend ins Wanken - zumindest in der Wahrnehmung vieler Bayern. Die sind mittlerweile daran gewöhnt, dass der Regierungschef mit Ideen nach vorne prescht - und hinterher nicht ganz so gerne nach deren Umsetzung gefragt wird.

So ist es auch bei Seehofers zweitem großen Thema, das den Freistaat im Vorwahljahr beschäftigt: der Schuldentilgung. Mit großer Geste hatte Seehofer das Ziel ausgegeben, der Freistaat solle bis 2030 komplett schuldenfrei sein. Wer das anzweifelt, den schiebt der CSU-Chef in die Ecke der Nörgler. Die Botschaft dahinter ist simpel: Wenn man nur will, dann geht es auch. Wer dagegen nicht will, der hat die bayerische Botschaft nicht so recht begriffen und geht am besten zu den Sozis.

An deren noch immer greifbarer Schwäche liegt es, dass Seehofer mit dieser Nummer besser durchkommt, als er es verdient hätte. Noch ist von der versprochenen Jagd des bayerischen Dreierbündnisses aus SPD, Grünen und Freien Wählern auf die CSU nicht viel zu sehen. Auch der Einfluss des populären SPD-Spitzenkandidaten, des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude, ist beschränkt - der Name schließt bei der CSU eher die Reihen. Die aktuellen Umfragen stützen dieses Bild.

So könnte es sein, dass das System Seehofer im Herbst 2013 eine ganz andere Linie für die CSU wieder in greifbare Nähe rückt: die der absoluten Mehrheit der Sitze im bayerischen Landtag.

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SZ vom 27.03.2012/grc
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