Schloss Linderhof:Grottige Grafik in Level 3

Venusgrotte am Schloss Linderhof

Die echte Grotte wird derzeit saniert.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Der Freistaat hat acht seiner größten Sehenswürdigkeiten digitalisiert und ins Internet gestellt. Eine davon wirkt allerdings wie aus einem sehr alten Computerspiel.

Glosse von Matthias Köpf, Ettal

Am Mittwoch hat nicht irgendein Landtag Deutschlands erstes Digitalgesetz beschlossen, sondern der bayerische, welcher denn sonst? Denn auch wenn es ums Digitale geht, also um eine Wirklichkeit aus Einsern und Nullern, liegt wieder mal der Freistaat vorn - Bayern: Eins, Sonstige: Null. Was die Digitalisierung seines baulichen Erbes betrifft, ist Bayern vorläufig sogar schon wieder fertig. Denn ebenfalls am Mittwoch hat das Finanzministerium mitgeteilt, dass nun auch die Walhalla bei Donaustauf als achte von landesweit acht Sehenswürdigkeiten "über den BayernAtlas originalgetreu und in 3D im Internet besucht werden" könne. In dem damit abgeschlossenen Projekt "Bayern 3D - Heimat Digital" sind dann sogar Sachen zu sehen, die es in der analogen Heimat leider gar nicht gibt.

So lässt sich etwa im Thronsaal von Neuschwanstein per Mausklick oder Fingertipp jener Thron einblenden, auf dem Ludwig II. gerne Platz genommen hätte, wenn er das noch hätte erleben dürfen. Der Thron ist dann aber weder zu Ludwigs Lebzeiten hergestellt worden noch irgendwann später. Heute ist das per Tippklick praktisch ein Kinderspiel, und dass derlei Möglichkeiten dem ja auch ein bisschen kindischen Kini noch nicht zu Gebote standen, das ist einerseits zwar schade. Aber andererseits hätte ihn dann vermutlich gar keiner vom Bildschirm weg bekommen, auf dass er das Land regiere.

Noch viel unwirklicher als der analog inexistente Thron erscheint in der "Heimat Digital" allerdings die Venusgrotte von Schloss Linderhof. Wo speziell die Innenräume des simulierten Schlosses wirken wie die Szenerie eines fast aktuellen Computerspiels, da erinnert die Grotte nur an jene elektronischen Dungeons der Achtzigerjahre, in denen jeden Augenblick irgendein pixeliger Drache um die Ecke kommen kann. Wunder ist das keines, denn auch die echte Grotte ist schon lange nicht mehr in einem Zustand, in dem sie per Laser abgescannt und dann zu einem digitalen Model verrechnet werden könnte.

Seit 2016 wird das fragile Gebilde aus Bruchstein, Ziegel, Draht und Gips saniert, die Kosten stiegen zuletzt auf 60 Millionen Euro, der Eröffnungstermin verschob sich von heuer auf 2024. Vielleicht bietet die digitale "Heimat Bayern" da ja noch ganz andere Möglichkeiten. Denn was beizeiten eingescannt ist, lässt sich dann kostengünstig aus dem 3D-Drucker sanieren.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusUmgang mit Nationalsozialismus
:"Es ging immer viel um Verdrängen, Vertuschen, Vergessen"

Warum wissen viele junge Leute so wenig über den Holocaust? Mit einem Virtual-Reality-Projekt will Antonia Hinderegger die Erinnerungsarbeit stärken. Ihre Recherche beginnt beim eigenen Großvater.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: