ESC-Vorentscheid: Die bayerischen Kandidaten:Wer ist Trong?

ESC-Vorentscheid: Die bayerischen Kandidaten: Mit der New-Disco-Nummer "Dare To Be Different" tritt Trong an. In der Heimat seiner Eltern hat er 2015 die TV-Casting-Show "Vietnam Idol" gewonnen.

Mit der New-Disco-Nummer "Dare To Be Different" tritt Trong an. In der Heimat seiner Eltern hat er 2015 die TV-Casting-Show "Vietnam Idol" gewonnen.

(Foto: Tran Nguyen)

In Vietnam ist er ein Star, der "German Hot Boy" - in Deutschland kennen den in Bad Kissingen geborenen Trong Nguyen die wenigsten. Noch. Denn jetzt ist er seinem Traum ganz nahe, für Deutschland beim ESC zu singen.

Von Michael Zirnstein

Wer ist Trong? In Deutschland wissen das noch die wenigsten. Wer daran zweifelt, dass sich das bald ändern könnte, sollte einen Blick nach Vietnam werfen. 2015 war der junge Mann aus Bad Kissingen in der Heimat seiner Familie, den Nguyens, als Tourist unterwegs. Eine Freundin erzählte ihm von einem Casting zu "Vietnam Idol", dort so etwas wie "Deutschland sucht den Superstar". "Mach' ich mal mit", sagte der 23-Jährige. Sein Selbstbewusstsein kam auch von seinem Gewinn der Deutschen Hip-Hop-Tanz-Meisterschaft und einem Gesangsstudium in Hannover sowie von einem Auftritt in der TV-Show "Kleine ganz groß", wo er als Sechsjähriger vor Britney Spears getanzt hatte und dafür herzlich gelobt worden war.

Auch die Idol-Jury war gerührt, vor allem weil der in Deutschland geborene Jungspund mit seinen Eltern Vietnamesisch übte. Seine A-cappella-Version von "Relight My Fire" kam durchaus an, aber ein Juror blieb skeptisch: "Etwas bauernhaft" sei der Gesang doch, er werde es schwer haben. Am Ende gewann Trong Hieu Nguyen die Staffel und 20 000 Euro mit 71 Prozent der Stimmen.

TRONG, wie er sich als Künstler immer in Großbuchstaben nennt, weiß also, wie man sich in einer starken Konkurrenz behauptet. Wie man in einem Pop-Wettbewerb nicht nur durch die Stimme, sondern auch durch geschmeidige Tanz-Moves, Überschläge, ein supersüßes Lächeln, eigenwillige Kostümwahl und ein positives Un- und Anders-Artigsein Kampfrichter und Publikum für sich gewinnt. Das ist ein großer Vorteil, wenn er am 3. März in Köln beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest mit seiner Nummer "Dare To Be Different" antritt (in der ARD live um 22 Uhr).

Der Grand Prix Eurovision de la Chanson ist sein großer Traum, sagt Trong. Schon bevor Lena 2011 für Deutschland gewann, sei er "geflasht" gewesen, von "den krassen Bühnenshows", dem Licht, dem Sound, der Kameraführung. "Dieses ,12 Points go to ...', das erregte mein Herz." 2015, als er in Vietnam gerade ein Star geworden war, bewarb er sich mit "Peter Pan" das erste Mal für die deutsche Vorrunde. Er wurde abgelehnt, wie auch die nächsten vier Male. Als er nun endlich von 587 Kandidaten unter die letzten Neun gewählt wurde, flossen die Tränen, wie er auf seinem Social-Media-Kanal seinen 244 000 Tiktok-Freunden zeigt. Das passt zur Aussage seines New-Disco-Songs, den er mit der norwegischen ESC-Kandidatin Elsie Bay geschrieben hat. "Dare to be different heißt, seinen Individualismus zu leben und die Erwartungen der Gesellschaft zu brechen, auch im Sinne von Geschlechterbildern wie ,Ein Mann darf nicht weinen'."

Schon im traditionsbewussten Vietnam hat er gegen die Regeln gespielt. Er zeigte sich als einer der ersten männlichen Künstler bauchfrei und geschminkt auf der TV-Bühne. Zwischendrin flog er auf die Nase, ging pleite in Vietnam, aber er ließ nie locker, arbeitet sechs Monate im Jahr in Hanoi an seiner Karriere. 2022 sei er wieder auf dem "Peak", sagt er, Designer wie Louboutin oder Dior buchen ihn als Model, sexy Sixpack-Songs wie "I'm Sorry Baby" brachten ihn hoch in die Charts, in Hanoi trat er vor 30 000 Fans auf. Er ist der "German Hot Boy".

Trong sieht sich immer noch auch als Bayer. Als seine Familie im Asylbewerberheim aus Deutschland abgeschoben werden sollte, sammelten fränkische Freunde 6000 Unterschriften, und die Nguyens durften bleiben. "Diese Liebe möchte ich zurückgeben, mit meiner Kunst", sagt er. Bei "Unser Lied für Liverpool" trifft er auf eine bayerische Übermacht: Die Münchnerin Barbara Schöneberger moderiert, der Vorjahres-Sieger-der Herzen Malik Harris aus Landsberg singt noch einmal, und unter die neun Kandidaten hat es auch die Passauer Band Lonely Spring geschafft.

ESC-Vorentscheid: Die bayerischen Kandidaten: Kein Kindergeburtstag: Obwohl "Lonely Spring" schon als Schülerband zusammen spielten, haben die Passauer Emo-Punks längst eine erwachsene Karriere hingelegt.

Kein Kindergeburtstag: Obwohl "Lonely Spring" schon als Schülerband zusammen spielten, haben die Passauer Emo-Punks längst eine erwachsene Karriere hingelegt.

(Foto: Uli Hansel)

Die Botschaft der Zwillinge Julian und Simon Fuchs und von Manuel Schrottenbaum und Matthias Angerer im Song "Misfit" ist wie die von Trong: "Trau dich, unangepasst zu sein". Bei den Musikern aus Passau kommt die Einstellung und die Schminke (Jan Böhmermann machte sich bereits über ihren Kajal lustig) aber eher vom Punkrock und vom Emo-Core. Ihr Beitrag nölt rotzig wie die Halbstarken-Hymne "Teenage Dirtbag" von Wheatus. Da fragt man sich schon, ob sie damit richtig sind beim poppig-fröhlichen ESC. Fragten sie sich auch, sagen die Zwillinge. Ob das die Szene verzeiht? Also baten sie ihre Tiktok-Gemeinde um Rat: Wenn 10 000 Fans "Misfit" ein Daumen-hoch geben würden, würden sie sich beim ESC bewerben. Sie bekamen 35 000 Daumen und Herzen.

Es sei ihnen keinesfalls peinlich, beim alten Schlagerwettbewerb teilzunehmen, beteuern sie. Der NDR habe den Vorentscheid nach dem Wirbel im Vorjahr um die ausgeschlossene Band Electric Callboy ausdrücklich für alle Genres auch jenseits der Radiotauglichkeit (die ihr Song durchaus hat) geöffnet. Und beim ESC selbst hätten die Italiener Maneskin 2021 bewiesen, dass Rock dort siegen kann. Sie wissen, dass sie "Misfits", also Außenseiter, sind. Aber sie bringen viel Konzert-Erfahrung mit: Die einstige Gymnasiasten-Band überzeugte schon 2016 bei einem Wettbewerb im Münchner Hard Rock Café - die Schäftlarner Nu-Rock-Stars Emil Bulls, die ihre Platte produzierten und sie als Vorgruppe einluden; und einen Manager vom Plattenriesen Sony, der sie unter Vertrag nahm. Inzwischen setzen sie wieder auf Selbst- und Social-Media-Marketing. Erfolgreich: "Misfit" brachten sie in den deutschen Itunes-Rock-Charts auf Platz 1. "Wir haben schon gewonnen", sagen sie.

Gegen die allseits beliebten Frida Gold und den rundum beleibten Ballermann-Star Ikke Hüftgold mit ihren großen Fan-Kreisen wird es schwer. Das denkt auch Trong. "In Deutschland bin ich ja noch total unbekannt." Die meisten seiner Songs gibt es nur auf Vietnamesisch. Die - im Scherz - erhofften "12 Points from Asia" wird er natürlich nicht bekommen. Aber dennoch versteckt er seine Wurzeln nicht: Im Video trägt er stolz einen Hut vietnamesischer Reisbauern, er webt ein paar Kung-Fu-Bewegungen in seine Justin-Timberlake-Moves ein, eine vietnamesische Gitarre spielt eine Melodie und geht nahtlos über in Philadelphia-Soul-Streicher. Er will genau diese "Verschmelzung", sagt er. Also trägt er - seine Version des obligatorischen ESC-Trickkleids - unter dem Asai-Rock ein in Vietnam verpöntes bauchfreies Croptop. Früher habe er sich immer an das jeweilige Land angepasst, um den Leuten zu gefallen, sagt er. "Dadurch habe ich mich selbst verloren." Endlich sei er so frei zu sagen: "Ich bin das Beste aus beiden Welten."

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