Erste Regierungserklärung:Seehofer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Regierungserklärung von Seehofer

Horst Seehofer vor Beginn der Koalitionsverhandlungen in Berlin. Nun hat er in München seine erste Regierungserklärung abgegeben.

(Foto: dpa)

"Der Fortschritt spricht bayerisch": Wenn Horst Seehofer über seinen Freistaat redet, klingt das wie ein einziger Superlativ. In seiner ersten Regierungserklärung macht der Ministerpräsident viele Versprechungen. Doch ausgerechnet bei seinem zentralen Vorhaben gibt es Kritik aus der eigenen Fraktion.

Horst Seehofer wirkt am Rednerpult wie eine Mischung aus Landesvater, Dozent und Motivationstrainer. Mit viel Pathos gibt der Ministerpräsident im Bayerischen Landtag an diesem Dienstagnachmittag seine erste Regierungserklärung der neuen Legislaturperiode ab - seinen Plan für die kommenden fünf Jahre. Es geht um die Zukunft Bayerns und um seine eigene Zukunft.

Die Regierungserklärung ist ein thematischer Rundumschlag - mit vielen Versprechungen, noch mehr Superlativen und einigen Ansagen. Im Bildungsbereich erteilt Seehofer sämtlichen Forderungen der Opposition, etwa nach Wiedereinführung des G9, eine Absage: "Unsere Schulen sollen nach Jahren der ständigen Veränderungen jetzt in Ruhe arbeiten können. Deshalb wird es in den nächsten Jahren keine neuen Schulreformen geben."

Ihm sei es wichtig, der bayerischen Bevölkerung diese Garantie zu geben. Zugleich versprach Seehofer erneut, dass jede rechtlich selbstständige Grundschule im Freistaat erhalten bleiben soll - und dass es bis 2018 für jeden Schüler unter 14 ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot geben soll.

Auch was die umstrittene Pkw-Maut betrifft, lässt der CSU-Chef keine Zweifel an seinem Kurs aufkommen. Er sei überzeugt, sich in den Berliner Koalitionsverhandlungen mit der Forderung nach einer Pkw-Maut für Ausländer auf Autobahnen durchzusetzen: "Lange gefordert, oft belächelt, jetzt bald erreicht - das ist Nachhaltigkeit auf bayerisch." Das sagt Seehofer ohne jede Ironie.

Zudem kündigt er an, dass er den Personalausbau in der bayerischen Staatsregierung nach Tausenden Neueinstellungen in den vergangenen Jahren stoppen will. Auch neu: Die Gesamtzahl der gültigen Gesetze soll nicht mehr steigen, für jedes neue soll ein altes abgeschafft werden. "Paragrafenbremse" nennt Seehofer das. Außerdem soll Bayern in zehn Jahren für Behinderte komplett barrierefrei sein.

Seehofer greift auch das Thema Flüchtlingspolitik auf, verspricht Verbesserungen für Asylbewerber, etwa die schnellere Erteilung von Arbeitserlaubnissen, mehr Erstaufnahmeeinrichtungen - das hat allerdings schon seine neue Sozialministerin angekündigt. Zugleich betont er, dass Bayern grundsätzlich bei seiner harten Linie bleibt. Er warnt vor der Ausnutzung des deutschen Sozialsystems und bestärkt Emilia Müller im Streit um eine abgelegene Flüchtlingsunterkunft in Böbrach: "Jeder Ort in Bayern ist zumutbar", sagt auch Seehofer.

Der alte und neue Ministerpräsident bleibt in seiner Rede jener Strategie treu, die ihm schon im Wahlkampf geholfen hat: Er kritisiert kaum und lobt viel - gerne auch die eigene Arbeit. Das klingt bei ihm so: "Der Fortschritt spricht bayerisch." So: "Lernen vom Besseren, heißt lernen von Bayern." Oder so: "Bayern ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Bayern ist Zukunft."

Seehofer will "Koalition mit den Bürgern"

Zwei Monate nach der für die CSU erfolgreichen Landtagswahl und zwei Tage nach der Absage der Bürger an die Münchner Olympia-Bewerbung kündigt Seehofer an, eine "Koalition mit den Bürgern" eingehen zu wollen. Was er damit meint, hat er bereits vorab erklärt: Künftig soll es bayernweite Bürgerentscheide geben. Im Freistaat dürfen die Menschen ihren Willen schon lange mit Plebisziten kundtun. Allerdings durften bislang nur Gesetze eingebracht und beschlossen werden, die den Staatshaushalt nicht betrafen. Das soll sich künftig ändern.

Ausgerechnet für diesen Punkt gibt es allerdings, anders als bei vielen Passagen seiner Rede, keinerlei Beifall. Drei Stunden, bevor Seehofer zu seiner Erklärung startet, erklärt der neue Fraktionschef Thomas Kreuzer liebevoll, warum er es nicht ganz so eilig hat. "Ich befürworte das", sagt er und macht eine Pause - "im Grundsatz." Jedoch müsse man solche Fragen "wirklich breit diskutieren". Dahinter dürfte die mangelnde Begeisterung der Parlamentarier stehen, etwas von ihrer Macht abzugeben.

"Es ist nicht ganz so leicht, das anzugehen, wie es sich der eine oder andere vorstellt", fügt er hinzu und wird so frech wie lange kein Fraktionschef mehr. "Wir nehmen niemals Befehle von der Nymphenburger Straße entgegen, auch nicht vom Franz-Josef-Strauß-Ring." An beiden Adressen, der CSU-Zentrale und der Staatskanzlei, residiert derselbe Mann: Horst Seehofer.

Am Nachmittag darf die Opposition auf Seehofers Regierungserklärung antworten. Die SPD verlangt von der Staatsregierung Investitionen in Milliardenhöhe für den Ausbau des Hochgeschwindigkeits-Internets. Der Ministerpräsident verspreche die digitale Revolution - "dabei verantworten Sie die digitale Stagnation", sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.

Seehofer habe bereits bei seiner allerersten Regierungserklärung 2008 flächendeckenden Zugang zum schnellen Internet versprochen. Viel zu viele bayerische Haushalte hätten aber nach wie vor keinen Breitbandanschluss, kritisierte Rinderspacher. Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause hat etwas Besonderes vor. Sie startet keine Angriffe auf Seehofer, sondern hält eine fiktive eigene grüne Regierungserklärung.

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