Erste Bilanz des Untersuchungsausschusses:Vom Lügen und Verschweigen

Der Hauptvorwurf gegen Erwin Huber bleibt unbelegt, aber die BayernLB düpierte den Finanzminister. Eine erste Bilanz.

Katja Auer und Kassian Stroh

Neun Sitzungen, 38 Zeugen: Mit der Vernehmung von Ministerpräsident Günther Beckstein hat der Landesbank-Untersuchungsausschuss seine Beweisaufnahme abgeschlossen. Die Abschlussberichte von CSU und Opposition sollen noch vor der Sommerpause im Plenum diskutiert werden. Eine Bilanz.

Erste Bilanz des Untersuchungsausschusses: Finanzminister Erwin Huber wusste wohl mehr über die dräuende Krise der BayernLB, als er sagte.

Finanzminister Erwin Huber wusste wohl mehr über die dräuende Krise der BayernLB, als er sagte.

(Foto: Foto: ddp)

Hat Finanzminister Erwin Huber die Öffentlichkeit über die drohenden Belastungen der BayernLB belogen?

Diesen Vorwurf konnte die Opposition nicht belegen. Klar ist aber: Huber wusste mehr, als er öffentlich sagte. Als Verwaltungsratsvize wurde er seit Oktober 2007 wöchentlich über den aktuellen Stand informiert. Diese Zahlen waren laut Bankvorstand nicht zur Veröffentlichung bestimmt, da sie nicht belastbar, also nicht von Wirtschaftsprüfern testiert waren.

Anders als sein Vorgänger Kurt Faltlhauser informierte Huber die Landtagsfraktionen auch nicht inoffiziell. Nun argumentiert Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr, Huber habe das Auskunftsrecht des Landtags verletzt. Der hält dagegen, eine Mitteilung wäre rechtlich "problematisch" gewesen.

Welche Rolle hat Beckstein gespielt?

Der Ministerpräsident saß von 1988 bis 2007 im Verwaltungsrat - viel länger als Huber und auch zu der Zeit, als die Landesbank begann, in jene strukturierten Wertpapiere zu investieren, die ihr nun so viele Probleme bereiten. Als er Ministerpräsident wurde, habe er sich nicht mehr so intensiv um die BayernLB gekümmert, da die Zuständigkeit nun eindeutig bei Huber gelegen habe, sagte Beckstein.

Schon zuvor aber, im August 2007, als er noch im Verwaltungsrat saß, war dieser vom Vorstand über hohe Risiken informiert worden. Der Ministerpräsident trage die "Gesamtverantwortung", sagt Dürr. Adelheid Rupp (SPD) kritisiert: "Er hätte die Landesbankkrise zur Chefsache machen müssen."

Wer hat das Informationsdesaster zu verantworten?

Über Monate hinweg tat die BayernLB so, als sei sie von der Finanzmarktkrise kaum betroffen. Der Vorstand hatte sich darauf versteift, die Belastungen erst Ende April 2008 mit dem Jahresabschluss 2007 zu veröffentlichen. Der Verwaltungsrat stimmte diesem Verfahren zu. Sieht man von vagen öffentlichen Andeutungen über einen weiteren "Korrektur- und Abschreibungsbedarf" im Januar ab, schwieg auch Huber tapfer bis zum 12. Februar. Da überlegte es sich der Vorstand plötzlich anders, und der Finanzminister war bloßgestellt.

Heute sind alle schlauer: Bis auf den früheren Bankchef Werner Schmidt bezeichneten alle Beteiligten vor dem Ausschuss das lange Schweigen als einen Fehler. Gleichwohl hatten Huber und Beckstein mehrfach versucht, zu beschwichtigen und die Lage der Bank schöner zu reden, als sie war. Keine Belege fand die Opposition für ihren Vorwurf, Huber habe festgelegt, schlechte Nachrichten bis nach der Kommunalwahl zu verschweigen.

Lesen Sie auf Seite 2, wie schlimm der Schaden für die BayernLB war und was der Untersuchungssausschuss gebracht hat.

Vom Lügen und Verschweigen

Was ist am 12. Februar passiert?

Es sieht danach aus, als habe der Bankvorstand Huber auflaufen lassen. Der Minister, alarmiert von neuen Medienberichten über angebliche Verluste in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, meldete sich freiwillig zum Vorsprechen im Haushaltsausschuss an, um die Lage zu beruhigen. Dort verfolgte er weiter die Schweigetaktik: Es gebe keine belastbare Zahlen. Schon Stunden vorher aber hatte der Bankvorstand beschlossen, nun doch vorläufige Zahlen zu veröffentlichen.

So unglaublich das klingt: Obwohl die Bankspitze Wochen zuvor zugesichert hatte, dies mit Huber abzustimmen, wurde der Minister laut Zeugenaussagen erst nach seinem Auftritt im Ausschuss informiert. Dabei war in der Bank bekannt, dass Huber in den Landtag gehen wollte. Ob diese Information auch den Vorstand erreichte, wurde nicht endgültig geklärt. Am 19. Februar erklärte Bankchef Schmidt seinen Rücktritt.

Hat die BayernLB ihren Auftrag missachtet?

Na klar, meint die Opposition, denn eine bayerische Landesbank sei dazu da, den Sparkassen zu Dienste zu sein und den Staat "in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, insbesondere der Strukturförderaufgaben, zu unterstützen", wie es im Landesbankgesetz heißt. Geschäfte auf dem US-Hypothekenmarkt gehörten da nicht dazu. Banker und Staatsregierung halten dagegen, die Landesbank sei auch Geschäftsbank und dürfe laut Gesetz "alle Arten von Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften betreiben". Die Investitionen in strukturierte Wertpapiere seien banküblich und risikoarm gewesen.

Ist die Staatsregierung ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen?

Die BayernLB gehört je zur Hälfte dem Freistaat und den Sparkassen, und in diesem Verhältnis besetzen sie auch den Verwaltungsrat. Hätte das Kontrollgremium die US-Geschäfte früher gestoppt oder gar nicht erst zugelassen, wären die Verluste niemals so hoch geworden, argumentiert die Opposition. Der Verwaltungsrat hatte jedoch gar nichts gegen die Geschäfte, die bis zum vergangenen Jahr Gewinn abwarfen.

Über manche Entscheidungen des Vorstands wurde er offenbar spät informiert. Es bestätigte sich der Eindruck, dass Schmidt die BayernLB recht autokratisch führte. So wurde der Verwaltungsrat beispielsweise erst im Juli 2007 darüber informiert, dass die Bank bereits im März beschlossen hatte, keine strukturierten Wertpapiere mehr zu kaufen. Alle Verwaltungsratsmitglieder betonten, niemand habe die weltweite Finanzmarktkrise vorhersehen können. Faltlhauser sagte: "Was will ein Provinz-Finanzminister klüger sein, als die Banker der ganzen Welt?"

Wie schlimm ist der Schaden?

Die BayernLB beziffert ihre Belastungen derzeit auf 4,5 Milliarden Euro. Wie viel Geld sie am Ende wirklich verlieren wird, das kann im Moment keiner sagen.

Was hat der Ausschuss gebracht?

Für Huber ging er insofern gut aus, als sich der Lügenvorwurf gegen ihn nicht erhärtet hat. Dafür wurde klar, wie ungeschickt er agiert und wie die Bank ihre Kontrolleure kontrolliert hat. Für die CSU stellt Peter Welnhofer fest, die "parteipolitisch motivierten Vorwürfe" gegen Huber hätten sich als haltlos erwiesen. Rupp hingegen wirft Huber eine "Missachtung des Parlaments" vor und hält - wie auch die Grünen - ihre Rücktrittsforderung aufrecht. Dürr kündigt an, im Wahlkampf damit werben zu wollen, dass die Grünen das wahre Kontrollgremium in Bayern seien.

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