Erneuerbare Energien:Seehofer dreht erneut am Windrad

Windenergie

Der Mindestabstand von Rotoren zu Siedlungen soll nun doch geringer ausfallen dürfen - unter bestimmten Bedingungen.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Wieder alles anders: In der Diskussion um die Windenergie sollen die Vorgaben weniger streng ausfallen als zunächst angekündigt. Die Staatsregierung lässt jetzt auch Ausnahmen vom Mindestabstand zu - und Ministerpräsident Seehofer lobt sich für die neue Lösung.

Von Frank Müller, Mike Szymanski und Christian Sebald

In Bayern werden sich künftig wohl doch deutlich mehr Windräder drehen, als nach den bisherigen Ankündigungen von Ministerpräsident Horst Seehofer zu erwarten war. Zwar hält die Staatsregierung daran fest, den Regelabstand zwischen Siedlungen und Windräder von 800 bis 1200 Metern auf zwei Kilometer zu vergrößern. Aber in dem geplanten Gesetz soll es großzügige Ausnahmen für Kommunen geben, in denen der Bau von Windrädern unumstritten ist.

Außerdem fordert die Staatsregierung in einem energiepolitischen Positionspapier mit der baden-württembergischen Landesregierung von Bundesenergieminister Sigmar Gabriel, dass der Bau neuer Windräder auch an windschwachen Standorten in Süddeutschland rentabel bleiben muss. Staatskanzleichefin Christine Haderthauer kündigte an, das Kabinett werde die neuen Abstandsregeln schon am 4. Februar beschließen.

Obwohl Seehofer über Monate hinweg einen harten Anti-Windkraft-Kurs der Staatsregierung angekündigt hatte, beanspruchte er am Dienstag das neue Konzept für sich. "Das ist meine Lösung", sagte er am Rande der Plenarsitzung im Landtag. Zunächst gelte für alle der neue vergrößte Regelabstand. "Wer etwas anderes will, braucht eine Mehrheit", sagte Seehofer.

Tatsächlich dürfte der abermalige Kurswechsel auf massiven Druck der Landtags-CSU zustande gekommen sein. Schon auf der Klausur in Kreuth leisteten vor allem Abgeordnete aus Franken und der nördlichen Oberpfalz erbitterten Widerstand dagegen, dass der Ausbau der Windkraft in ihren Regionen abgewürgt wird und monatelange Vorarbeiten der Kommunen und Millionen Euro an Vorleistungen in den Sand gesetzt werden. "Das geht nicht so einfach, wie sich Horst Seehofer das vorgestellt hat", sagte ein prominenter Abgeordneter der SZ. "Wir brauchen ein Abstandsgesetz, das allen gerecht wird: denen die partout keine Windkraft in ihrer Nähe haben wollen, und genauso denen, die nichts gegen sie haben und ihren Bau aktiv vorantreiben wollen."

Neues Gesetz im Februar

Die neue Regelung wird deshalb nicht nur die zehnfache Höhe des jeweiligen Windrads als Regelabstand zu den nächsten Wohnhäusern definieren, wie Seehofer das seit Monaten ankündigt. "Auch eine Unterschreitung wird möglich sein", erklärte Haderthauer am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts. Das neue Gesetz wird dazu eine Öffnungsklausel beinhalten, nach der sogar der bisherige Mindestabstand von 800 Metern möglich bleiben soll.

Voraussetzung ist allerdings, dass es "eine zustimmende Willensbildung" in der jeweiligen Gemeinde gibt, wie Haderthauer erklärte. Als Beispiel nannte sie einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss. Sollten Nachbarkommunen betroffen sein, müsse auch deren Zustimmung eingeholt werden. Nach anderen Varianten könnten die Gemeinden das Einverständnis der Bevölkerung auch durch Bürgerentscheide oder Unterschriftslisten der Windrad-Anlieger dokumentieren.

Vertrauensschutz ist großzügiger

Der Vertrauensschutz für Anlagen, deren Planung weit fortgeschritten ist oder die bereits im Genehmigungsverfahren sind, fällt offenbar ebenfalls sehr viel großzügiger aus, als bisher angekündigt war. "Wir müssen natürlich genau darauf achten, dass es kurz vor Torschluss nicht zu einer Riesenwelle an neuen Bauanträgen kommt", hieß es aus der Fraktion. "Aber alle Anlagen, für die in irgendeiner Form bereits im Genehmigungsverfahren sind, fallen wohl unter den Vertrauensschutz."

Das sind nicht wenige. Haderthauer hatte unlängst erklärt, dass sich in Bayern etwa 650 Windräder drehen, weitere 460 seien in Planung. Allerdings erklärte Haderthauer auch, der Vertrauensschutz werde längst nicht für alle geplanten Anlagen gelten. In der Fraktion geht man indes davon aus, dass er wohl doch für fast alle gilt. Als Termin für das Inkrafttreten des neuen Gesetzes wurde der 1. Januar 2015 genannt.

Die stockende Energiewende war am Dienstag auch Thema der aktuellen Stunde im Landtag. Die Opposition griff die CSU scharf an. Der Grünen-Abgeordnete Martin Stümpfig kritisierte die rasanten Kurswechsel der vergangenen Monate, dies sorge für Verdruss in der Bevölkerung. "Unsere Bürger packen an, sie lassen sie hängen." Die SPD-Abgeordnete Natascha Kohnen erklärte, nicht die Stromschwankungen seien das Problem der Energiewende. "Das Problem ist die Volatilität des Ministerpräsidenten." Seehofer nannte die Debatte eine "Gespensterdiskussion".

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