Hubert Denk kann heute wieder entspannt telefonieren. Das war nicht immer so. Doch inzwischen habe er Vorkehrungen getroffen, dass seine Gespräche abhörsicher seien, sagt der freie Journalist aus Passau. Denk spricht nicht von der NSA, so wichtig nimmt er sich nicht. Aber dass er einer Telefonüberwachung unterlag, vermutlich durch bayerische Beamte, das sagte ihm sein Anwalt - und seine 32-jährige Berufserfahrung: Verbindungen von seinem Handy seien oft verzögert aufgebaut worden, Rufzeichen habe er spät oder gar nicht gehört.
Einen Beleg für eine angeordnete Überwachung gibt es nicht. Auch nicht in einem der beiden, insgesamt 704 Seiten starken Aktenordner, in dem seit dreieinhalb Jahren die Ermittlungen über den Journalisten Denk zusammengetragen werden.
Denk, 50, hat nicht gestohlen, nicht gemordet, niemanden verletzt. Er hat lediglich eine legale Parteispende eines umstrittenen Laborarztes an die CSU ans Licht gebracht, versehen mit einem Begleitschreiben an den damaligen Parteichef und Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Und hat damit eine der größten Maulwurfsuchen in der Geschichte des bayerischen Ermittlungsapparates losgetreten.
Einsatz von Anwälten gegen kritische Berichterstatter
Es war Anfang 2010, als Hubert Denk bei einem sogenannten Pilotprozess in München auch über den Arzt Bernd Schottdorf berichtete. Der Laborunternehmer aus Augsburg, angeblich der größte seiner Branche in Europa, steht mit seinen Geschäftspraktiken immer wieder - auch derzeit - im Mittelpunkt staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Schottdorfs Vermögen wird auf eine zigfache Millionensumme geschätzt, seine rechtliche Vertretung vertraut er stets namhaften Kanzleien an.
Dass er seine Anwälte auch gegen kritische Berichterstatter einsetzt, hat auch Hubert Denk erfahren. Über die Hamburger Kanzlei Prinz und später über Peter Gauweiler, den CSU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen bayerischen Umweltminister, sah sich Denk 2010 plötzlich mit einstweiligen Verfügungen und Unterlassungsklagen konfrontiert. Man habe versuchen wollen, seinen Mandanten mundtot zu machen, vermutet Denks Anwalt Klaus Rehbock. Denk wehrte sich erfolgreich, Schottdorf nahm seine Klagen zurück.
Dass im Hintergrund seitdem aber Ermittlungen gegen ihn anliefen, sollte der Journalist erst vor Kurzem erfahren.
Denk hatte im Zuge des Prozesses nämlich auch berichtet, dass die gegen Schottdorf eingesetzte "Soko Labor" des Landeskriminalamts bei ihren Ermittlungen eine 20.000-Euro-Spende an die CSU entdeckt hatte. In einem Brief Schottdorfs vom 30. Juni 2005 an CSU-Chef Stoiber hieß es: "Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, als langjähriges Mitglied der CSU erwarte ich, dass jetzt endlich eine Änderung in Deutschland erreicht werden kann. Anliegend übersende ich Ihnen einen Spendenscheck für die CSU in der Hoffnung, dass er mithilft, den angestrebten Erfolg zu erreichen." Denk hat das Schreiben in der neuesten Ausgabe seiner Zeitschrift Bürgerblick veröffentlicht.
Die Parteispende war völlig legal, Schottdorf hat stets bestritten, dass der Scheck als Zuwendung für politische Einflussnahme zu verstehen sei. Doch Anfang 2010 musste sich die Staatsregierung unangenehme Fragen der Grünen stellen lassen. Das Justizministerium musste erklären, warum die "Soko Labor" von 17 Ermittlern (Juni 2007) sukzessive auf fünf (Februar 2008) reduziert wurde.
Und wie der Soko-Leiter sein Unverständnis darüber zum Ausdruck brachte, wie holprig die Ermittlungen aus seiner Sicht verliefen. Das Ministerium erläuterte ferner, die personelle Reduzierung der "Soko Labor" sei "durch einen rückläufigen Arbeitsanfall bedingt" gewesen. Im Dezember 2008 wurde die Sonderkommission aufgelöst.
"Eingeschleuste Bremser" in der Soko
Wie Denk schreibt, soll seiner Ansicht nach die Soko sogar in zwei Lager gespalten gewesen sein: in "engagierte Fahnder" und "eingeschleuste Bremser". In seiner aktuellen Bürgerblick-Ausgabe führt Denk aus, LKA-Beamte hätten sich gefragt, warum die Ermittlungen so ungewöhnlich verliefen. Die Staatsanwaltschaft selbst soll sich dafür jedoch weniger interessiert haben.
Weshalb die umstrittenen Belege laut Denk "nach einem Vorermittlungsverfahren in eine Geheimakte" gewandert seien - bis sie eines Tages ihren Weg zum Passauer Journalisten fanden. Und weshalb Hubert Denk seit dreieinhalb Jahren selbst Gegenstand von Ermittlungen ist, weil die Staatsanwaltschaft wissen möchte, wie er zu dem brisanten Material gelangte.
Erfahren hat Denk das erst, als ihm vor wenigen Wochen die Kriminalpolizei Nürnberg eine Vorladung schickte. Es gehe um "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" sowie "Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses". Die federführende Staatsanwaltschaft München I bestätigt die Ermittlungen gegen Denk - ausgelöst durch eine Strafanzeige von Schottdorf-Anwälten aus dem Jahr 2010.
Vorwurf: Womöglich habe Denk die Unterlagen aus Ermittlerkreisen aktiv angefordert - und sich somit strafbar gemacht. Es sei nicht einmal auszuschließen, dass Denk die brisanten Belege wie den Stoiber-Brief bei einer Fax-Übertragung abgefangen habe.
Denks Anwalt Rehbock sieht darin nicht weniger als einen "Justizskandal", als "eine "abenteuerliche Konstruktion, um den Informantenschutz auszuhebeln". Akteneinsicht erhielt Rehbock erst nach einer Beschwerde. Auf 704 Seiten las er dann, welche Hebel die Staatsanwaltschaft bislang in Bewegung setzte: Fast 50 Zeugen wurden gehört, darunter 35 LKA-Beamte, Schottdorf-Mitarbeiter, Richter. Weil Münchner Polizisten gegen eigene Kollegen ermitteln mussten, wurde der Fall nach Nürnberg abgegeben.
Eines Rechtsstaats nicht würdig
Befasst waren drei Oberstaatsanwälte und ein Generalstaatsanwalt. Das alles, wie Anwalt Rehbock sagt, um eine undichte Stelle im Behördenapparat zu finden. Wer den Ermittlungseifer der Staatsanwaltschaft in den Fällen Denk und Schottdorf vergleiche, könne sich die Frage stellen, ob nicht doch politische Interessen dahinter steckten.
Michael Busch, der Vorsitzende des Bayerischen Journalistenverbandes, wähnt bereits journalistische Grundrechte in Gefahr. Schließlich sei Hubert Denk nicht der Maulwurf, sondern nur Berichterstatter. Hier würden Methoden angewendet, die eines Rechtsstaats nicht würdig seien.
Denk sagt, ehe er einen Informanten preisgebe, gehe er lieber in Beugehaft. Besonders schlimm sei für ihn das Gefühl gewesen, er werde abgehört: Denn ein Journalist, der seinen Informanten keine Vertraulichkeit garantieren kann, könne seine Aufgabe eigentlich nicht mehr erfüllen.