Ermittlungen:Im Fall Peggy tauchen ein Name und ein Verdacht auf

Pressekonferenz zum Mordfall Peggy

Uwe Ebner, Chef der Soko Peggy, und Daniel Götz von der Staatsanwaltschaft Bayreuth.

(Foto: dpa)
  • Ein Verdächtiger hat gestanden, den Leichnam von Peggy zu einem Waldstück in Thüringen gebracht zu haben.
  • Einen Mord räumte der 41-Jährige allerdings nicht ein, stattdessen nannte er den Ermittlern angeblich den Namen des Täters.
  • Die Polizei will diesen Namen bislang aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nennen. Es gibt aber deutliche Hinweise, dass es sich dabei um den 2014 freigesprochenen Ulvi K. handeln könnte.

Von Olaf Przybilla

Der 41-Jährige hatte bei der polizeilichen Vernehmung vor zehn Tagen wohl nicht mehr viele andere Möglichkeiten. Zu verdächtig sind die Spuren im Umfeld von Peggys Leichnam, die darauf hindeuten, dass er daran mitgewirkt haben muss, das Mädchen im Mai 2001 nach Thüringen zu bringen und dort im Wald zu verscharren.

In der vergangenen Woche waren sein Wohnhaus im Landkreis Wunsiedel und sein Elternhaus im oberfränkischen Lichtenberg durchkämmt worden. Dort erhärtete sich der Verdacht der Soko "Peggy". In Bayreuth wurde Manuel S. etliche Stunden vernommen. Er legte ein Geständnis ab. Er gab zu, die damals neun Jahre alte Peggy in seinem Audi von Lichtenberg nach Thüringen geschafft zu haben. Dort waren 2016 Teile ihres Skeletts gefunden worden.

Einen Mord allerdings hat der Mann nicht eingeräumt, sondern strafrechtlich lediglich eine Strafvereitelung. Der ehemalige Lichtenberger, der als Bauer und Bestatter arbeitet und heute im Fichtelgebirge lebt, will das leblose Mädchen von einem anderen Mann in Lichtenberg, in einem Bushäuschen, übernommen haben. Auch erklärte er den Ermittlern, er habe noch versucht, das leblose Mädchen zu beatmen. Als dies nicht gelang, habe er Peggy in eine rote Decke gewickelt, in den Kofferraum seines Audis gelegt und in ein Waldstück in Thüringen gebracht. Dorthin, wo das Skelett 15 Jahre nach dem Mord an dem Mädchen von einem Pilzsammler entdeckt worden ist.

Damit, das zumindest ist jetzt schon klar, sind die Ermittler nach 17 Jahren in einem der rätselhaftesten Fälle in der deutschen Justizgeschichte einen entscheidenden Schritt vorangekommen. So nah war die Soko der Lösung dieses Falles noch nie. Und gleichzeitig, so absurd das klingen mag, ist weiter völlig offen, wer Peggy tatsächlich ermordet hat im Mai 2001.

Um das zu verstehen, muss man tiefer einsteigen in den Fall. Der geständige Manuel S. hat den Namen eines Mannes genannt, von dem er angeblich den Leichnam des Mädchens übernommen haben will. Die Ermittler nennen diesen Namen nicht, aus ermittlungstaktischen Gründen. Es gibt aber deutliche Hinweise, um wen es sich dabei handeln könnte. Gudrun Rödel, die Betreuerin von Ulvi K., hat kaum noch Restzweifel, dass S. den Namen jenes geistig eingeschränkten Mannes als Täter genannt hat, der 2004 wegen Mordes an Peggy verurteilt wurde. Der aber mehr als zehn Jahre später von diesem Mord freigesprochen worden ist, in einem Wiederaufnahmeverfahren.

Wie sie darauf kommt, dass der 41-Jährige Ulvi K. genannt haben könnte? Nun, vor einer Woche standen zwei Ermittler vor der Tür der Eltern von K. in Lichtenberg. Der Rechtsbeistand von K., die Anwaltskanzlei Hanna Henning, bestätigt das so. Man habe der Polizei daraufhin ein "Hausverbot" erteilt, sagt Büroleiter Thomas Henning. Für Zeugenaussagen stünden sowohl Ulvi K. - der seit seiner Freilassung 2015 in einem Heim für betreutes Wohnen lebt - wie auch dessen Eltern ab sofort nur noch mit Rechtsbeistand zur Verfügung.

Es deutet also vieles daraufhin, dass Ulvi K. als angeblicher Täter genannt wurde. Warum sie nicht sagen können, wer als vermeintlicher Mörder beschuldigt wurde, werden die Ermittler bei einer Pressekonferenz in Bayreuth gefragt. Man bitte um Verständnis, antworten sie. Ob es verfahrenstechnisch und juristisch hochkomplexe Fragen sind, die sie hindern? Staatsanwalt Daniel Götz widerspricht nicht, möchte aber schweigen.

Wird womöglich schon wieder derselbe zum Sündenbock gemacht?

Mit gutem Grund womöglich: Wäre es tatsächlich K., den Manuel S. genannt hat, so dürfte dieser Fall noch lange nicht aufgeklärt sein. Denn K. wurde 2014 freigesprochen. Ein neuer Prozess gegen ihn, wiederum wegen Mordes an Peggy, wäre zwar nicht unmöglich. Wer sich aber die juristischen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme zuungunsten eines Beschuldigten anschaut, der ahnt, in welcher Klemme die Ermittler sich befinden könnten. Keiner der Gründe, die die Strafprozessordnung für diese Sonderform der Wiederaufnahme nennt, treffen auf den ersten Blick auf den Fall Peggy zu.

Oder doch? Dafür gebe es momentan "fünf Antworten von vier Juristen", sagt ein Ermittler, der seit Jahren an dem Fall dran ist. Die Sache ist also schwierig. Nur wäre das ohnehin schon der nächste Schritt. Derzeit, sagt Soko-Chef Uwe Ebner, ermittle man gegen Manuel S. wegen Mordes, nicht wegen eines anderen Straftatbestandes.

Mordfall Peggy - Bushaltestelle

Ein 41-jähriger Beschuldigter hat bei einer Vernehmung angegeben, das leblose Kind von einem anderen Mann an dieser Bushaltestelle in der Poststraße übernommen zu haben.

(Foto: dpa)

Nur: Wären die Ermittler einigermaßen sicher, dass der beschuldigte S. tatsächlich der Mörder von Peggy ist, so hätten sie ihn nach seiner Vernehmung - er sagte in der Sache detailliert aus - wohl nicht wieder zurückkehren lassen in sein Haus im Fichtelgebirge. Manuel S. ist auf freiem Fuß. Ginge es dagegen nur um den Verdacht der Strafvereitelung, so hätte die Sonderkommission Probleme, ihre Ermittlungen gegen ihn zu rechtfertigen - der Tatbestand wäre wohl verjährt. Eine Frage, die Juristen klären müssten.

Dass S. irgendwie an der Tat beteiligt gewesen ist, daran haben die Ermittler kaum noch Zweifel. Am Skelett von Peggy wurden bei den forensischen Untersuchungen mikroskopisch kleine Pollen gefunden, offenbar Bestandteile von Torf. Der damals 24-Jährige hatte am Tag der Tat im Garten gearbeitet, das wissen die Ermittler noch aus dem Jahr 2001. Auch wurden am Fundort von Peggy Mikropartikel sichergestellt, wohl Farbreste, "wie sie in Renovierungsmüll vorkommen". Dass S. renoviert hatte zu Hause, ist ebenfalls aus den alten Akten bekannt. Und auch Videoaufzeichnungen aus einer damaligen Sparkassenfiliale in Lichtenberg erschüttern das Alibi des Mannes, das dieser behauptet hatte.

Tatsächlich soll S., entgegen bisheriger Angaben, am Nachmittag des 7. Mai 2001, dem Tag des Verschwindens von Peggy, mit seinem goldfarbenen Audi in Lichtenberg unterwegs gewesen sein. Auch dieses Fahrzeug machten die Ermittler ausfindig, die Spurenlage ist offenbar eindeutig. Alles andere als eindeutig sind dagegen die Aussagen, die Ulvi K. in diversen Vernehmungen über den gleichaltrigen S. gemacht hatte, den er von Kindesbeinen an kannte.

Mal beschuldigte er ihn, die Tat begangen zu haben, mal konnte man seine Aussage so verstehen, dass S. Mittäter war, mal so, dass S. nur die Leiche weggeschafft habe. Nur war S. eben nicht der einzige, den K. beschuldigte. Mal war es Ulvi K.'s eigener Vater, der mitgeholfen haben soll, mal ein Mann, der auf den gleichen Nachnamen hört wie der Mann, der nun als Beschuldigter gilt. Zwar galt das Alibi von S. als nicht unerschütterlich - er hatte einen Urlaubstag und will Behördengänge gemacht haben -, aber die Ermittler schlossen ihn nach Peggys Verschwinden irgendwann als Täter oder Mittäter aus. Offenbar zu Unrecht, wie sich jetzt zeigt.

Auf ein Detail verweisen nun freilich alle, die sich in der Causa Peggy Jahre lang für Ulvi K. eingesetzt haben. Der Verdacht gegen den geistig eingeschränkten Mann kam 2001 auch durch eine Aussage einer nahen Verwandten von S. zustande. Einer Aussage, die zumindest nachgeschoben wirkt. Und auf eines wird Gudrun Rödel, die Betreuerin von K., nicht müde hinzuweisen.

Laut Zeugenaussagen soll Peggy noch nach dem Zeitpunkt in Lichtenberg gesehen worden sein, den S. nun offenbar als Zeitpunkt einer angeblichen Übergabe der Leiche von Peggy genannt haben soll. Wird womöglich schon wieder derselbe zum Sündenbock gemacht? Rödel will das nicht behaupten, sie kenne ja die Aussage von S. nicht. Aber ausschließen mag sie es nicht. "Es ist so furchtbar", sagt sie.

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Eva Gäbl ist Kommissarin bei der Soko Altfälle im Polizeipräsidium München.

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