Ermittlungen bei Edeka:Geheimniskrämer unter Korruptionsverdacht

Bei Edeka Südbayern wird eine Mitarbeitrin überwacht, nachdem sie Unregelmäßigkeiten angezeigt hat

Bei Edeka Süd reiht sich seit Jahren eine schmuddelige Affäre an die nächste.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Mitarbeiterbespitzelung, Einschüchterungsversuche und interne Machtkämpfe: Bei Edeka Süd folgt seit Jahren eine Schmuddelaffäre auf die nächste. Nun wird gegen einen ehemaligen Manager wegen Untreue und Bestechlichkeit ermittelt. Es geht um Millionenbeträge - und die Frage, was die Geschäftsführung wirklich wusste.

Von Uwe Ritzer

Sie nennen sich stolz "Edekaner" und nehmen für sich in Anspruch, besonders leidenschaftlich zu arbeiten, Lebensmittel zu lieben und die Natur sowieso. "Edekaner sind ein ganz besonderer Menschenschlag", sagt einer, seien sie nun selbständige Kaufleute oder angestellte Mitarbeiter. Viereinhalb Minuten dauert das PR-Filmchen, mit dem Deutschlands größter Einzelhandelsverbund sein Image poliert. Viereinhalb Minuten edekanische Heimeligkeit. Nur dass es damit nicht weit her zu sein scheint, zumindest nicht bei der Edeka Südbayern.

Hinter der gepflegten Kulisse der dazugehörigen 1250 Märkte zwischen Weißenburg und Traunstein reiht sich seit Jahren eine schmuddelige Affäre an die nächste. Von Mitarbeiterbespitzelung, Einschüchterungsversuchen, internen Machtkämpfen und dubiosen Auftragsvergaben war schon die Rede. In der Zentrale der Genossenschaft mit Sitz in Gaimersheim bei Ingolstadt spielten sich womöglich jahrelang kriminelle Machenschaften ab. Der ehemalige Bau-Chef Josef K. (Name geändert) steht unter Korruptionsverdacht. Seit 2011 ermittelt die Staatsanwaltschaft München II gegen ihn; nun drohen dem Ex-Manager und weiteren Beschuldigten Anklagen.

"Die Ermittlungen sind weitgehend abgeschlossen, demnächst steht eine Entscheidung darüber an, wie es weitergeht", sagte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich. Die Verfahren richten sich auch gegen führende Mitarbeiter einer Oberpfälzer Baufirma, eines Elektrounternehmens aus Niederbayern und einen Architekten aus dem Raum München. Ihnen soll Josef K. Aufträge zugeschanzt und überhöhte Rechnungen der Firmen zur Zahlung angewiesen haben. Es geht dabei um Millionenbeträge.

Privathaus zum Spottpreis

Im Gegenzug soll ihm die Baufirma sein Privathaus zum Spottpreis errichtet haben. Juristisch stehen Untreue zu Lasten der Edeka, Bestechung und Bestechlichkeit im Raum, sowie wettbewerbswidrige Absprachen. "Der Schaden liegt im sechsstelligen Bereich", sagt Oberstaatsanwalt Heidenreich. Dem Vernehmen nach streiten die Betroffenen alles ab.

Auf Anfrage wollten weder der Anwalt des Managers, noch die Edeka Südbayern oder die Zentrale des deutschen Edeka-Verbunds in Hamburg Stellung nehmen. Auch nicht zur Frage, ob das Management der Edeka Südbayern bei der internen Kontrolle des Ex-Bau-Chefs womöglich jahrelang versagt hat.

Denn je mehr über den Fall durchsickert, umso drängender stellt sich die Frage, warum die teilweise exorbitanten und entsprechend auffälligen Kostensteigerungen bei Bauvorhaben Edeka-intern offenbar niemanden beunruhigten. "Da hätten Jahre zuvor schon die Alarmglocken klingeln müssen", sagt ein Insider der Edeka Südbayern, zu deren Verbund auch Neukauf- und Marktkauf-Märkte sowie die Großbäckerei Wünsche und die Südbayerische Fleischwaren GmbH gehören. Spätestens im März 2008, drei Jahre bevor der Bau-Chef zum Fall für den Staatsanwalt wurde, hätte das Management hellhörig werden können.

Warum wurde niemand hellhörig?

Internen Unterlagen zufolge trafen sich Führungskräfte der Edeka Südbayern damals in Gaimersheim zu einer Sitzung, darunter auch Geschäftsführer Hans Georg Maier und die inzwischen ebenfalls in die Geschäftsführung aufgestiegene Anna Maria Schalk. Auf dem Tisch lag eine Auflistung von fast 20 über ganz Südbayern verstreute Edeka-Bauvorhaben, die allesamt deutlich teurer kamen als veranschlagt. In der Summe sollen sie statt der veranschlagten 43 Millionen mehr als 50 Millionen Euro gekostet haben. Einzelne Bauten sollen bis zu 30 Prozent teurer gewesen sein als geplant.

Wurde niemand hellhörig? Wurden die Überschreitungen überhaupt hinterfragt und geprüft? Wurde niemand stutzig, dass weitgehend immer dieselben Firmen Aufträge von der Edeka erhielten? Haben Kontrollmechanismen versagt? Und vor allem: Was wusste die Geschäftsführung?

Sowohl Edeka-Chef Maier als auch die Aufsichtsratsvorsitzende Angela Steinberger ließen dazu über die Pressestelle der Genossenschaft erklären: "Zu Ihrer Anfrage geben wir keine Stellungnahme ab."

Verschwundene Millionenbeträge

So bleibt auch offen, ob es stimmt, dass Prokurist Josef K. eine Zahlung von 12,6 Millionen Euro für einen Bau in Pullach bei München an eine der inzwischen ins Zwielicht geratenen Baufirmen im Alleingang angewiesen haben soll, ohne die notwendige zweite Unterschrift. Für die Vorgänge in Pullach interessierten sich die Ermittler auch in einem anderen Zusammenhang. Auf dem Grundstück stieß man auf kontaminiertes Erdreich, das entsorgt werden musste. Die Baufirma soll dafür einen hohen siebenstelligen Betrag berechnet haben, wobei Belege für die Entsorgung des Erdreichs lückenhaft sein sollen.

Intern sorgen die Kostenexplosionen bei Baumaßnahmen nicht erst seit dem Rauswurf von Bau-Chef K. für Verdruss. Nämlich unter selbständigen Kaufleuten, die als Mieter Märkte betreiben, die von der Genossenschaft gebaut werden. Diese Mieten sollen nämlich auch an Baukosten gekoppelt sein. "Einige Betroffene mussten wegen der Kostensteigerungen plötzlich deutlich mehr bezahlen und liefen deswegen Sturm", heißt es in Edeka-Kreisen. Es gibt auch Stimmen innerhalb der Genossenschaft, die Josef K. auch als eine Art Bauernopfer sehen.

Für Verwunderung sorgen unter den Genossenschaftlern zudem die Umstände, unter denen der mutmaßliche Korruptionsfall überhaupt aufflog. Bereits im Sommer 2010 soll es Zweifel an der Korrektheit von Ausschreibungen und Abrechnungen gegeben haben, die Josef K. angelastet wurden. Ende des Jahres kursierten erste Berichte über seinen bevorstehenden Rauswurf.

Durchsuchungen in Privatwohnungen und Büros

Dabei waren die mutmaßlichen Ungereimtheiten bei der Edeka Südbayern selbst offenkundig niemandem aufgefallen. Erst Sonderprüfer der Hamburger Verbundzentrale sollen schließlich die möglicherweise krummen Geschäfte enttarnt haben. Josef K. wurde daraufhin entlassen. Der Prüfbericht wurde an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, als dort allerdings schon anonyme Briefe mit teils sehr konkreten Vorwürfen gegen Josef K. und die nunmehr beschuldigten Firmen eingegangen waren. Bei Hausdurchsuchungen Anfang 2011 beschlagnahmten Fahnder in Privatwohnungen und Büros zusätzlich eine Fülle von Material, das inzwischen ausgewertet wurde.

Unabhängig vom Strafverfahren könnte der Fall auch ein zivilrechtliches Nachspiel haben. Die Edeka Südbayern verlangte Josef K. bei dessen Rauswurf bereits ein schriftliches Schuldeingeständnis ab. Nach SZ-Informationen soll der Manager dabei eine Art Schadenersatz in Höhe von 120.000 Euro anerkannt haben. Den Betrag zahlt er angeblich an die Edeka Südbayern zurück. Es soll sich in etwa um jene Summe handeln, die er angeblich beim Bau seinen Privathauses durch eine der verwickelten Firmen gespart haben soll.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: